Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 06.09.2017; Aktenzeichen L 4 KR 470/16)

SG Hannover (Entscheidung vom 15.08.2016; Aktenzeichen S 50 KR 22/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 6. September 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung aus einer der Klägerin am 1.11.2013 ausgezahlten Direktlebensversicherung über 13 617,32 Euro (Bescheid vom 6.2.2014, Widerspruchsbescheid vom 25.11.2014). Das SG Hannover hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 15.8.2016). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen. Selbst bei Prämien, die ein Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf eine Direktversicherung einzahle, bestehe eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Beitragspflicht. Zwar sei die Klägerin zum 1.3.2009 in die Stellung als Versicherungsnehmerin eingerückt, doch habe der Versicherer den einmaligen Ausfinanzierungsbetrag von 2184,97 Euro bereits zuvor am 25.2.2009 erhalten (Urteil vom 6.9.2017). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG). Die Klägerin hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin misst folgenden Fragen eine grundsätzliche Bedeutung bei:

1. "Kann eine Kapitallebensversicherung noch insgesamt und als Ganzes als betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V eingeordnet werden, wenn die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und bis zum Versicherungsende zu zahlenden Beiträge nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers und Beendigung der Direktversicherung"

a) "aus der für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Abfindung durch den Arbeitgeber als Einmalbetrag auf Anweisung des Arbeitnehmers" oder

b) "als Einmalbetrag durch einen Dritten auf Anweisung des Arbeitnehmers gezahlt werden?"

2. "Kann eine Kapitallebensversicherung noch insgesamt und als Ganzes als betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V eingeordnet werden, wenn die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und bis zum Versicherungsende zu zahlenden Beiträge"

a) "aus der für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Abfindung durch den Arbeitgeber als Einmalbetrag auf Anweisung des Arbeitnehmers" oder

b) "durch einen Dritten auf Anweisung des Arbeitnehmers gezahlt werden,

wenn sich aus einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergibt, dass die Versicherungseigenschaft mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis auf den Arbeitnehmer übergeht und die Versicherung ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Direktversicherung geführt werden soll, ein später erstellter Versicherungsschein aus Anlass einer Ausfinanzierung aber als Änderungstermin (Ende der Direktversicherung und Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft) einen späteren Zeitpunkt angibt, der zeitlich nach der restlichen Beitragszahlung liegt"?

3. "Ist ein Kapitallebensversicherungsvertrag als Ganzes in die betriebliche Altersversorgung gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V insgesamt einzuordnen, wenn die Lebensversicherung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch als Direktversicherung fortgeführt wird, der Arbeitnehmer sich für eine Ausfinanzierung der bis zum Ende der Vertragslaufzeit zu zahlenden Beiträge entscheidet und den Arbeitgeber anweist, diese Beiträge von der für den Verlust des Arbeitsplatzes auszuzahlenden Abfindung zu zahlen, und ein Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft erst nach Auszahlung der restlichen Beiträge von der Abfindung erfolgt?"

Es kann dahingestellt bleiben, ob damit Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden sind. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Selbst wenn aber Rechtsfragen als aufgeworfen unterstellt würden, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht dargelegt.

Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen (vgl nur BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 17 mwN) hat sich die Klägerin aber nicht auseinandergesetzt. Der Senat hat ua wiederholt entschieden, dass Leistungen, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung erbracht werden, auch dann zu den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gehören, wenn sie ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitnehmers beruhen (BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 6/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 18 ff mwN). Weshalb sich gleichwohl die für klärungsbedürftig erachteten Fragen mit Blick auf die geltend gemachten Besonderheiten der Ausfinanzierung und einer Absprache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Zeitpunkt des Übergangs der Versicherungsnehmereigenschaft nicht oder nicht umfassend anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lassen sollen, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Vielmehr erschöpft sich das Vorbringen der Klägerin in dem Hinweis darauf, dass die Entscheidung des Senats vom 10.10.2017 (B 12 KR 1/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 33) nicht einschlägig sei.

Für den Fall, dass aufgrund des Beschwerdevorbringens eine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit von Bundesrecht mit höherrangigem Recht unterstellt würde, ist deren notwendige Klärungsbedürftigkeit ebenfalls nicht hinreichend dargelegt worden. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Klägerin führt indes nur aus, dass auf den Beschluss des BVerfG (Kammer) vom 23.3.2017 (1 BvR 631/15) nicht zurückgegriffen werden könne, zeigt aber nicht auf, weshalb trotz der weiteren Rechtsprechung des BVerfG zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 15 f; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 14 f) Klärungsbedarf bestehen soll.

Auf die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen geht die Klägerin ebenfalls nicht ein.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Mit der Beschwerde sind keine sich widersprechenden Rechtssätze aufgezeigt worden. Dass die dem angegriffenen Urteil und dem Beschluss des BVerfG (Kammer) vom 28.9.2010 (1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11) entnommenen Rechtssätze voneinander abweichen würden, wird behauptet, nicht aber dargelegt. Unabhängig davon hat die Klägerin auch nicht aufgezeigt, dass das LSG die Rechtsprechung des BVerfG nicht nur nicht beachtet oder unzutreffend angewandt, sondern auch in Frage gestellt hätte.

3. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Das Übergehen eines Beweisantrags ist aber nur dann ein Verfahrensfehler, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte, in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das LSG von sich aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; BSG Beschluss vom 18.12.2000 - B 2 U 336/00 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; BSG Beschluss vom 28.5.1997 - 9 BV 194/96 - SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32 f). Dass ein Beweisantrag bis zuletzt gestellt worden sei, ist der Beschwerdebegründung aber nicht zu entnehmen.

Auf eine Verletzung der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) kann die Beschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Soweit die Klägerin eine fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung rügen sollte, legt sie im Übrigen nicht dar, warum sie diese nicht durch eine Berichtigung des Tatbestands (§ 139 SGG) hätte korrigieren lassen können.

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11829410

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