Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Grundsätzliche Bedeutung. Rechtsfrage. Bewertungsausschuss. Angemessene Bewertungszahl. Erhöhung der Gesamtvergütung. Wurzelspitzenresektion. Berechnungsfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist Sache der Partner des Bewertungsausschusses, die von ihnen für angemessen gehaltene Punktzahl für die Wurzelspitzenresektion mit der Maßgabe festzulegen, dass die Leistung insgesamt pro behandeltem Zahn nur einmal berechnungsfähig ist, auch soweit mehrere Wurzelspitzen reseziert werden.
2. Die Festlegung einer angemessenen Bewertungszahl nach § 87 Abs. 2 SGB V hat keinen unmittelbaren Bezug zur Erhöhung der Gesamtvergütung nach § 85 Abs. 3 SGB V; die dahinter stehende Auffassung, die Vertragspartner der vertragsärztlichen bzw. vertragszahnärztlichen Versorgung seien nicht im Stande, auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit punktzahlmäßiger Leistungsbewertungen zu reagieren, ist unzutreffend.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3; SGB V § 87 Abs. 2-3; EBM-Z Nr. 54b Anl. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 12.06.2001) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Juni 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Beschwerdeverfahren als Gesamtschuldner zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die in einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis tätigen Kläger wenden sich gegen einen Bescheid der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV), mit dem diese auf Antrag der beigeladenen Ersatzkasse die Honorarforderung der Kläger für das Quartal I/1996 berichtigt hat. In Abänderung ihres ursprünglichen Bescheides beanstandete die Beklagte nunmehr die Abrechnung, soweit die Nr 54 b der Anlage 1 zum Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte (EKV-Z) einmal je behandelter Wurzelspitze und nicht nur einmal pro behandeltem Zahn angesetzt worden war. Die Beklagte berief sich insoweit auf das Urteil des Senats vom 13. Mai 1998 ( B 6 KA 34/97 R = SozR 3-5555 § 10 Nr 1).
Das Sozialgericht (SG) hat den Berichtigungsbescheid aufgehoben, weil die Kläger - ungeachtet der Richtigkeit der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (BSG) - auf die Fortsetzung der bisherigen Abrechnungspraxis der Beklagten hätten vertrauen können. Diese sei durch ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 2. Juli 1991 geprägt, das den Ansatz der Nr 54 b der Anlage 1 zum EKV-Z (= BEMA-Z) pro Wurzelspitze zugelassen habe. Auf die Berufungen der Beklagten und der beigeladenen Ersatzkasse hat das Landessozialgericht (LSG) das sozialgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat sich der Rechtsauffassung des BSG hinsichtlich der Auslegung der Nr 54 b Anlage 1 zum EKV-Z (BEMA-Z) angeschlossen und im Übrigen ausgeführt, die Berechtigung der Beklagten zur Honorarberichtigung werde durch Vertrauensschutzerwägungen nicht eingeschränkt.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) geltend.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Soweit die Kläger geltend machen, das Berufungsurteil beruhe auf einem Verfahrensmangel, ist die Beschwerde unzulässig. Der behauptete Verfahrensmangel ist nicht entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet. Die Beschwerde führt aus, das Berufungsurteil sei „partiell nicht mit Gründen versehen”, was sich daraus ergebe, dass das LSG sich mit dem Vorbringen der Kläger im Berufungsrechtszug hinsichtlich des zahnmedizinischen Ablaufs bei einer Wurzelspitzenresektion nicht hinreichend auseinander gesetzt habe. Die Beschwerde zeigt indessen nicht auf, woraus sich die Verpflichtung des Berufungsgerichts ergeben könnte, auf jeden von einem Beteiligten im Berufungsrechtszug aufgeworfenen Gesichtspunkt in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich einzugehen (vgl dazu Urteil des Senats vom 27. Juni 2001 – BSGE 88, 193, 204 = SozR 3-2500 § 79a Nr 1 S 13). Die Kläger machen nicht geltend, dass das Berufungsgericht ihren Vortrag im Tatbestand der Entscheidung nicht angemessen wiedergegeben oder versäumt habe, die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen niederzulegen. Welche weiter gehenden Verpflichtungen das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang treffen könnten, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.
Soweit die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen geltend machen, ist die Beschwerde nicht begründet.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist nicht mehr klärungsbedürftig, dass die Nr 54 b der Anlage 1 zum EKV-Z bei einer Wurzelspitzenresektion an einem Seitenzahn, auch wenn mehrere Wurzelspitzen reseziert werden, nur einmal berechnungsfähig ist. Dies hat der Senat in seinem vom Berufungsgericht herangezogenen Urteil vom 13. Mai 1998 (BSG SozR 3-5555 § 10 Nr 1) entschieden und begründet. Die Praxis der Instanzgerichte ist dem – soweit ersichtlich – ausnahmslos gefolgt (vgl zB Urteile des SG Mainz vom 5. April 2000 – S 1 KA 12/99 – und – S 1 KA 376/99 – sowie Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 23. November 2000 – L 5 KA 27/00 R –). Allein der Umstand, dass in dem Kommentar von Liebold/Raff/Wissing zum BEMA-Z (III/230 (6-1 ff)) einzelne Elemente der Begründung des Senatsurteils vom 13. Mai 1998 kritisiert werden, begründet nicht die erneute revisionsgerichtliche Klärungsbedürftigkeit der Auslegung der Nr 54 b der Anlage 1 zum EKV-Z bzw Nr 54 b BEMA-Z.
Im Übrigen hat sich der Senat in dem Urteil vom 13. Mai 1998 nicht nur mit den zahnmedizinischen Behandlungsabläufen und der Interpretation der Nr 54 b Anlage 1 zum EKV-Z (BEMA-Z) auseinander gesetzt, sondern – im Zusammenhang mit der Frage der Angemessenheit der Bewertung dieser Leistung mit 96 Punkten – auf die vorrangige Funktionszuweisung an den Bewertungsausschuss nach § 87 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hingewiesen, den Inhalt der abrechenbaren Leistungen und deren Bewertungspunktzahlen zu bestimmen. Es ist Sache der Partner des Bewertungsausschusses, die von ihnen für angemessen gehaltene Punktzahl für die Wurzelspitzenresektion mit der Maßgabe festzulegen, dass die Leistung insgesamt pro behandeltem Zahn nur einmal berechnungsfähig ist, auch soweit mehrere Wurzelspitzen reseziert werden.
Soweit im Kommentar von Liebold/Raff/Wissing (aaO, III/230 (6-6)) dazu ausgeführt wird, angesichts der Budgetierung der Gesamtvergütungen werde eine Erhöhung der Gesamtvergütungen „auf Jahre hinaus ausgeschlossen sein”, wird das der Problematik nicht gerecht. Die Festlegung einer angemessenen Bewertungszahl nach § 87 Abs 2 SGB V hat keinen unmittelbaren Bezug zur Erhöhung der Gesamtvergütung nach § 85 Abs 3 SGB V. Im Übrigen ist die dahinter stehende Auffassung, die Vertragspartner der vertragsärztlichen bzw vertragszahnärztlichen Versorgung seien nicht im Stande, auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit punktzahlmäßiger Leistungsbewertungen zu reagieren, unzutreffend. Nachdem der Senat mit Urteil vom 1. Februar 1995 (6 RKa 10/94 = SozR 3-5533 Nr 115 Nr 1) entschieden hatte, dass die Nr 115 BMÄ E-GO auch nach mehrfachen Chromosomenanalysen der bei einer Fruchtwasserentnahme gewonnenen Amnionzellen nur einmal abrechenbar ist, und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen hatte, ggf könne es sachgerecht sein, die Auswertung einer zweiten angesetzten Zellkultur mit einem Zuschlag zur Leistung nach Nr 115 BMÄ E-GO zu vergüten, haben die Partner des Bewertungsausschusses die Leistungslegende der Nr 115 EBM-Ä ebenso wie ihre punktzahlenmäßige Bewertung geändert. Aus dem Umstand, dass Vergleichbares auch vier Jahre nach dem Senatsurteil vom 13. Mai 1998 hinsichtlich der Nr 54 b BEMA-Z bzw Anlage 1 zum EKV-Z nicht geschehen ist, ist zu schließen, dass die Partner des Bewertungsausschusses im zahnärztlichen Bereich die Leistungsbewertung der Nr 54 b im Falle des lediglich einmaligen Ansatzes der Nr 54 b auch bei Resektion mehrerer Wurzelspitzen eines Zahnes nicht für unangemessen halten. Dies kann die Notwendigkeit für eine erneute höchstrichterliche Entscheidung nicht begründen.
Soweit die Kläger schließlich geltend machen, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Beklagte ihre Abrechnungen aus der Zeit vor Bekanntwerden des Senatsurteils vom 13. Mai 1998 berichtigen dürfe oder ob sich aus der früheren Verwaltungspraxis ein Vertrauensschutz zu ihren Gunsten ergebe, wäre diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass die Kläger bereits seit dem 4. Quartal 1993 darüber informiert waren, dass die beigeladene Ersatzkasse den Abrechnungen der Beklagten widersprochen hatte, soweit den Klägern für mehrere Wurzelspitzenresektionen an einem Zahn mehrfach die Leistung nach Nr 54 b Anlage 1 zum EKV-Z vergütet worden war. Spätestens, seitdem die Kläger wussten, dass die beigeladene Ersatzkasse mit der auf die Entscheidung des LSG Schleswig-Holstein vom 2. Juli 1991 gestützten Rechtsauffassung der Beklagten nicht einverstanden war, war ihr Vertrauen auf den dauerhaften rechtlichen Bestand dieser Verwaltungspraxis zerstört. Im Übrigen erscheint der Vortrag der Kläger zu ihrem hypothetischen Behandlungsverhalten für den Fall, dass sie gewusst hätten, dass sie unabhängig von der Zahl der resezierten Wurzelspitzen die Leistung nach Nr 54 b Anlage 1 zum EKV-Z je Zahn nur einmal berechnen dürfen, zumindest missverständlich. Die Kläger wollen sicherlich nicht so verstanden werden, dass sie Zähne, die nach zahnmedizinisch-fachlicher Beurteilung durch eine Wurzelspitzenresektion erhalten werden können, extrahieren, wenn sie das Honorar für eine Wurzelspitzenresektion für sich als nicht ausreichend bzw angemessen erachten.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Absätze 1 und 4 SGG in der Fassung, die bis zum Inkrafttreten des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001 am 2. Januar 2002 maßgeblich war (vgl Senatsurteil vom 30. Januar 2002 – B 6 KA 12/01 R –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).
Fundstellen