Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnarztrecht. Anwendung. gebührenordnungsrechtliche Auslegungsgrundsätze. Leistungsbeschreibung (hier: Mehrfachabrechnung bei Zahnwurzelspitzenresektion. Besetzung. Gericht. Rechtsstreit über Richtigstellungsbegehren der Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung der gebührenordnungsrechtlichen Auslegungsgrundsätze auf eine Leistungsbeschreibung im Vertragszahnarztrecht (hier: Nr 54 der Anlage 1 zum EKV-Z bzw des Bema).
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB V § 72 Abs. 2, § 87 Abs. 1; Berna Nr. 54; EKV-Z § 10 Abs. 2, § 12 Abs. 1; SGB V § 82 Abs. 1; EKV-Z Anl. 1 Nr. 54; SGG § 12 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 27. November 1996 sowie die Bescheide der Beklagten vom 26. Februar und 10. Oktober 1993 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 5. August 1996 aufgehoben sowie die Beklagte verpflichtet, sachlich-rechnerische Richtigstellungen der Honorarabrechnungen der Beigeladenen zu 1) bis 5) in der Weise vorzunehmen, daß eine Vergütung nach der Gebühren-Nr 54b der Anlage 1 zum Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte nur einmal je Zahn gewährt wird, und zwar in Höhe von DM 284,98 betr den Beigeladenen zu 1), von DM 1.183,44 betr den Beigeladenen zu 2), von DM 295,86 betr den Beigeladenen zu 3) und von DM 147,93 betr die Beigeladenen zu 4) und 5).
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten für das Klage- und Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die klagende Krankenkasse – eine Ersatzkasse – beantragte bei der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV), daß diese wegen der Vergütungen für Zahnwurzelresektionen sachlich-rechnerische Richtigstellungen gegenüber den zu 1) bis 5) beigeladenen Vertragszahnärzten in Höhe von insgesamt ca DM 2.000,– vornehme (Anträge von Anfang Juni 1992 betr Quartal IV/1991 und vom Februar 1993 betr Quartal III/1992). Sie machte geltend, die Gebühren-Nr 54b der Anlage 1 zum Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte (EKV-Z) sei im Falle der Resektion mehrerer Wurzelspitzen bei einem mehrwurzeligen Zahn nicht mehrfach, sondern nur einmal abrechenbar. Deshalb seien dem Beigeladenen zu 1) im Quartal IV/1991 und den Beigeladenen zu 2) bis 5) im Quartal III/1992 zu hohe Vergütungen gewährt worden.
Die Beklagte lehnte die von der Klägerin beantragte Durchführung sachlich-rechnerischer Richtigstellungen durch Bescheide vom 26. Februar und 10. Oktober 1993 ab und wies ihre Widersprüche zurück (Widerspruchsbescheide vom 5. August 1996). Sie erklärte – unter Bezugnahme auf ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) vom 2. Juli 1991 – L 6 Ka 2/91 – die mehrfache Vergütung nach der Geb-Nr 54b für Rechtens.
Die Klägerin hat das Sozialgericht Kiel (SG) ohne Erfolg angerufen. In dem Urteil vom 27. November 1996 ist ausgeführt, die Geb-Nr 54b sei im Falle der Resektion mehrerer Wurzelspitzen an einem Seitenzahn mehrfach abrechenbar; die Leistungsbeschreibung erfasse nur die Resektion einer Wurzelspitze. Dies lege schon deren Wortlaut nahe, der nur von einer Wurzelspitzenresektion (nicht: -resektionen) spreche und auch nur von der Wurzelspitzenresektion an einem Seitenzahn (nicht: eines Seitenzahnes). Der Unterschied in der Bewertung mit 96 Punkten (Geb-Nr 54b) gegenüber 72 Punkten bei einem Frontzahn (Nr 54a) sei durch den größeren Aufwand, die längere Arbeitsdauer und das höhere Risiko – auch Haftungsrisiko – bei der Resektion einer Wurzelspitze im Seitenzahnbereich gerechtfertigt. Die gaumenseitige Zahnwurzel erfordere in der Regel eine Operationsöffnung oder Fensterung durch die Kieferhöhle. Für die Resektion aller drei Wurzelspitzen sei eine Vergütung von ca DM 500,– nicht unangemessen. Würde man dagegen die Resektion aller Wurzelspitzen an einem Seitenzahn mit der nur einmaligen Vergütung nach Nr 54b als abgegolten ansehen, ergäbe sich eine unangemessen niedrige Vergütung je Wurzelspitze. Außerdem bestünde die Gefahr, daß der Zahnarzt – auch wenn das möglicherweise nicht ärztlicher Kunst entspreche – in einer Sitzung nur eine Wurzelspitze reseziere und die weitere einer anderen Sitzung vorbehalte. Gegenüber dem Ergebnis der Abrechenbarkeit je resezierter Wurzelspitzen greife nicht der Hinweis auf Unstimmigkeiten im Vergleich zur Geb-Nr 54c durch, wonach eine weitere Wurzelspitzenresektion an einem benachbarten Zahn in derselben Kieferhälfte und in derselben Sitzung nur mit zusätzlich 48 Punkten vergütet werde. Solche zusätzlichen Eingriffe an benachbarten Zähnen dürften früher – bei Schaffung der Geb-Nr 54 – nur sehr selten in derselben Sitzung erfolgt sein; auch heute sei das noch ein erheblicher Eingriff mit weiträumiger Öffnung des Kiefers. Untauglich sei der Vergleich mit der für Privatpatienten geltenden Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZÄ), weil diese – mit zB Staffelungen durch Multiplikatoren – anders ausgestaltet sei.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin, deren Ausführungen sich die zu 6) bis 11) beigeladenen Krankenkassen bzw Krankenkassenverbände anschließen, daß die Auslegung des SG nicht zutreffe. Aus dem Singular des Begriffs der Wurzelspitzenresektion lasse sich nicht ableiten, daß die Resektion nur einer Wurzelspitze gemeint sei. Die Leistungsbeschreibungen in den kassen- und vertragszahnärztlichen Gebührenordnungen seien durchweg im Singular formuliert und enthielten nötigenfalls zusätzliche Klarstellungen wie „je Sitzung” (zB Nrn 10, 12, 57, 58, 105-107), „je Zahn” (Nrn 16, 29), „je Zahn und Sitzung” (Nr 34), „je Kanal” (Nrn 28, 32, 35) und „in einer Kieferhälfte” (Nrn 57-59). Insbesondere der Unterschied zu den Geb-Nrn 28, 32, 35, die ebenfalls Wurzelbehandlungen beträfen und die beide ausdrücklich je Kanal abrechenbar seien, falle ins Gewicht. Demgegenüber enthalte die Geb-Nr 54b nicht einen Zusatz wie „je Wurzelspitze”. Aussagekräftig sei auch der Vergleich mit Geb-Nr 54c, die für eine Wurzelspitzenresektion an einem weiteren Zahn – auch im Seitenzahnbereich – nur zusätzlich 48 Punkte gewähre. Hierzu würde es nicht passen, wenn je zusätzlicher resezierter Wurzelspitze an demselben Zahn weitere 96 Punkte vergütet würden, zumal sich arbeitsmäßig Erleichterungen beim Aufklappen des Zahnfleisches, Auffräsen des Knochens, Reinigen und Versorgen der Wunde, Auskratzen kleiner Herde sowie Glätten der Ränder ergäben. Lediglich die Resektion der Spitzen, die Entfernung einer eventuellen apikalen Gewebeveränderung und der eventuelle Verschluß des Kanals würden bei jeder Wurzelspitze einzeln vorgenommen. Auch im Vergleich mit der Vergütung für eine Wurzelspitzenresektion an einem Frontzahn (Nr 54a = 72 Punkte) könne diejenige an einem Seitenzahn nur einmal 96 Punkte und nicht 3 × 96 = 288 Punkte ergeben. Die 96 Punkte stellten bei nur einer resezierten Wurzelspitze eine relativ hohe, bei deren drei an einem Zahn eine im Verhältnis zu Aufwand und Risiko relativ niedrige Vergütung dar. Dies sei für eine Mischkalkulation typisch. Ein anderes Ergebnis könne nicht mit der Heranziehung der GOZÄ, die anders ausgestaltet sei, begründet werden. Allenfalls könne der Einheitliche Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) zum Vergleich herangezogen werden. Dieser sehe für die Wurzelspitzenresektion durch Kieferchirurgen eine relativ niedrige Grundvergütung (EBM-Ä-Nr 3021), aber je weiterer resezierter Wurzelspitze an demselben Zahn einen Zuschlag (Nr 3022) vor, was – zuzüglich des Zuschlags für ambulante Operationen (Nr 81) – für zwei resezierte Wurzelspitzen eine Vergütung von ca DM 162,– ergebe. Dies entspreche ungefähr der kassen- bzw vertragszahnärztlichen Bewertung mit 96 Punkten (= ca DM 160,–) und belege damit, daß diese Punktzahl den Durchschnittswert für die Resektion von ein bis drei Wurzelspitzen an dem gleichen Zahn darstelle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 27. November 1996 und die Bescheide der Beklagten vom 26. Februar und 10. Oktober 1993 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 5. August 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, sachlich-rechnerische Richtigstellungen der Honorarabrechnungen der Beigeladenen zu 1) bis 5) in der Weise vorzunehmen, daß die Gebühren-Nr 54b der Anlage 1 zum Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte nur einmal je Zahn vergütet wird,
und zwar in Höhe von DM 284,98 betr den Beigeladenen zu 1), von DM 1.183,44 betr den Beigeladenen zu 2), von DM 295,86 betr den Beigeladenen zu 3) und von DM 147,93 betr die Beigeladenen zu 4) und 5).
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Singular „Wurzelspitzenresektion” müsse den Ausschlag geben. Wegen dieser Wortlautauslegung sei kein Raum für eine Lückenausfüllung, auch nicht für Vergleiche mit anderen Leistungsbeschreibungen und deren Zusätzen wie „je Kanal”, „je Sitzung”, „je Zahn” usw. Nur wenn der Wortlaut nicht eindeutig sei, könne die systematische Auslegung herangezogen werden. Im übrigen ergebe diese ohnehin, daß in den anderen Leistungsbeschreibungen immer ausdrücklich geregelt sei, wenn mehrere Leistungen in einer Sitzung nur einfach abgerechnet werden dürften (zB Geb-Nr 8 oder Zusatz „je Zahn” oder „je Sitzung”).
Die Zulässigkeit mehrfacher Abrechnung der Nr 54b bei mehreren resezierten Wurzelspitzen an einem Seitenzahn folge auch aus dem zahnmedizinischen Zusammenhang sowie dem Behandlungsaufwand und -risiko. Mehr Operationsfelder auf engstem Raum erforderten ein Mehrfaches an Präzision und Zeitaufwand. Die Resektion der dritten gaumenseitigen Wurzelspitze mache überdies die zusätzliche Aufklappung auf der Gaumenseite notwendig. Bei jeder Wurzelspitze müsse die Wurzel freigelegt, nämlich der darüber befindliche Knochen entfernt, und die entzündete Spitze herausgenommen werden. Zwar sei ihre Freilegung im gleichen Arbeitsgang möglich, jedoch müsse eine größere Öffnung bzw eine zusätzliche gaumenseitige Öffnung hergestellt werden. Bei den Seitenzähnen bestünden zahlreiche Gefahren, zB für in der Regel beim Backenzahn beginnende Nervenstränge, bei Resektion der gaumenseitigen Wurzelspitze auch für den Zungennerv mit eventuellen Sensibilitäts- und Geschmacksstörungen. Ferner sei die Möglichkeit eines Hämatoms mit lebensbedrohenden Auswirkungen durch Zerreißen von Gefäßen hinter der Knochenhaut sowie im Seitenbereich des Oberkiefers die Gefahr einer Kieferhöhleneröffnung gegeben.
Für die Abrechenbarkeit der Geb-Nr 54b je resezierter Wurzelspitze spreche auch die historische Entwicklung. Nach dem früheren zahnmedizinischen Entwicklungsstand hätten noch nicht mehrere Wurzelspitzen in einer Sitzung reseziert werden können. Dies sei erst in den letzten Jahren möglich geworden. Der daraus resultierenden mehrfachen Abrechenbarkeit der Geb-Nr könnte nur der Bewertungsausschuß durch eine entsprechende Klarstellung entgegenwirken. Solange der Normgeber nicht den Zusatz „je Zahn” oder „je Sitzung” hinzufüge, müsse die mehrfache Abrechenbarkeit entsprechend der Zahl der resezierten Wurzeln hingenommen werden, so wie dies auch bei Frontzähnen – zB bei Eckzähnen mit zwei Wurzeln – im Falle der Geb-Nr 54a akzeptiert werde.
Eine vergleichende Heranziehung der GOZÄ sei durchaus zulässig und geboten, denn ihre Leistungsbeschreibungen seien bis Ende 1987 mit denen des Bewertungsmaßstabs für kassenzahnärztliche Leistungen (Bema) und des EKV-Z identisch gewesen. Zum 1. Januar 1988 sei die GOZÄ neu strukturiert worden (GOZÄ ‚87). Es sei klargestellt worden, daß die Resektion jeder einzelnen Wurzelspitze abrechenbar sei (GOZÄ-Nr 311 betr Frontzahn, 460 Punkte, und Nr 312 betr Seitenzahn, 580 Punkte). Mangels eines Hinweises, daß eine Änderung der Rechtslage beabsichtigt gewesen sei, sei von einer bloßen Klarstellung der früheren Rechtslage nach der GOZÄ ‚65 auszugehen. Hierfür spreche auch, daß sich der Abstand der Bewertung der Wurzelspitzenresektion bei einem Seitenzahn zu derjenigen bei einem Frontzahn nicht wesentlich geändert habe (vorher 33 %, jetzt 26 %). Wenn aber die Resektion im Seitenzahnbereich – je Zahn – um gut ein Viertel höher zu bewerten sei als die Resektion im Frontzahnbereich, müsse die frühere GOZÄ ‚65 und die gleichlautende Nr 54b des Bema und des Gebührentarifs A des EKV-Z je resezierter Wurzelspitze abrechenbar sein. Verführe man anders und hielte die Nr 54b für nur einmal je Zahn abrechenbar, so ergäben sich bei drei resezierten Wurzelspitzen eines Seitenzahnes nur insgesamt 96 Punkte, mithin nur 32 Punkte je Wurzelspitze und damit weniger als die Hälfte der Vergütung für die Resektion der einen Wurzelspitze eines Frontzahnes (72 Punkte) und mit ca DM 50,– auch erheblich weniger als nach der GOZÄ, die bei Anwendung der GOZÄ ‚87 sowie ihres 2,3-fachen Satzes den Betrag von DM 440,– und bei Anwendung der früheren GOZÄ ‚65 sowie ihres 3,5-fachen Satzes eine Vergütung von DM 420,– ergebe. Diesen Bewertungen entspreche es, wenn die Geb-Nr 54b je resezierter Wurzelspitze zuerkannt werde (dann ca DM 450,– für drei resezierte Wurzelspitzen an einem Seitenzahn). Hierfür sei auch anzuführen, daß der Zahnarzt die Geb-Nr 54b unstreitig dann mehrfach abrechnen könne, wenn er die mehreren Wurzelspitzen an dem Seitenzahn in verschiedenen Sitzungen reseziere; dies dürfe sich nicht dadurch vermindern, daß er im Interesse des Patienten mehrere Leistungen in einer Sitzung erbringe.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der klagenden Krankenkasse ist begründet.
Der Senat entscheidet in der sich aus § 40 Satz 1, § 33 Satz 2, § 12 Abs 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebenden Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenzahnärzte, weil es sich um eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG und nicht der Kassenzahnärzte im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 2 SGG handelt. Die in der Rechtsprechung im Vordergrund stehende Unterscheidung bei der Besetzung des Gerichts danach, wie die Verwaltungsstelle zusammengesetzt ist, die über die in dem Rechtsstreit angefochtene Verwaltungsentscheidung zu befinden hat (BSGE 70, 285, 286 ff = SozR 3-2500 § 122 Nr 3 S 5 ff; BSG SozR 3-5555 § 13 Nr 1 S 2), betrifft nur Streitverhältnisse zwischen Arzt (Zahnarzt) und einer Verwaltungsinstitution und ist nur dann anwendbar, wenn eine Verwaltungsentscheidung vorliegt oder erstrebt wird. Fehlt es hieran oder ist nicht das Rechtsverhältnis zu einem Arzt (Zahnarzt) betroffen, sondern ein Rechtsverhältnis der Verwaltungsinstitutionen zueinander, dann kommt es darauf an, ob der geltend gemachte Anspruch nur Angelegenheiten der Kassen(zahn)ärzte oder Außenrechtsbeziehungen der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen zu den Krankenkassen betrifft (BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 f; BSGE 76, 120, 121 = SozR 3-5545 § 24 Nr 1 S 2).
Vorliegend sind Gegenstand des Rechtsstreits die Außenrechtsbeziehungen der beklagten KZÄV zu einer Krankenkasse, die von ihr die Durchführung sachlich-rechnerischer Richtigstellungen gegenüber Vertragszahnärzten verlangt. Mithin handelt es sich um eine Angelegenheit des Kassenzahnarztrechts, so daß in der sog paritätischen Besetzung des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG zu entscheiden war.
In der Sache hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vornahme sachlich-rechnerischer Richtigstellungen wegen der Vergütungen für Wurzelspitzenresektionen gegenüber den zu 1) bis 5) beigeladenen Vertragszahnärzten. Rechtsgrundlage für die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen ist § 12 Abs 1 Satz 1 des Vertrages zwischen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. sowie dem Verband der Arbeiter-Ersatzkassen in seiner Fassung von 1990 (EKV-Z 1990), der auf der Grundlage des § 83 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫ (idF des Gesundheits-Reformgesetzes ≪GRG≫ vom 20. Dezember 1988, BGBl I S 2477) abgeschlossen wurde. Er ist für die hier betroffenen Abrechnungen der Quartale IV/1991 und III/1992 maßgeblich. Nach der genannten Vorschrift hat die KZÄV die Aufgabe, die von den Vertragszahnärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und nötigenfalls richtigzustellen. Gemäß Satz 3 des § 12 Abs 1 EKV-Z können die Vertragskassen entsprechende Prüfungsanträge bei der KZÄV stellen, denen diese bei Vorliegen einer unrichtigen Abrechnung durch Vornahme einer sog sachlich-rechnerischen Richtigstellung zu entsprechen hat. In diesem Sinne hätte die Beklagte auf Antrag der Klägerin sachlich-rechnerische Richtigstellungen gegenüber den zu 1) bis 5) beigeladenen Vertragszahnärzten vornehmen müssen. Denn die Gebühren-Nr 54b der Anlage 1 zum EKV-Z ist bei einer Wurzelspitzenresektion an einem Seitenzahn, auch wenn mehrere Wurzelspitzen reseziert werden, nur einmal abrechenbar.
Dies ergibt sich aus dem Gebührentarif A, auf den § 10 Abs 2 EKV-Z 1990 verweist und der als Anlage 1 des EKV-Z (gemäß § 87 Abs 1 Sätze 1 und 4 SGB V – idF des GRG – entsprechend dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen) von den Vertragspartnern des EKV-Z mitvereinbart wurde. Dessen Gebühren-Nr 54 (identisch mit der für den Primärkassenbereich einschlägigen Nr 54 des Bema) enthält für die „Wurzelspitzenresektion” unterschiedliche Punktzahlen, je nach dem, ob sie „an einem Frontzahn” (Nr 54a = 72 Punkte) oder „an einem Seitenzahn” (Nr 54b = 96 Punkte) erfolgt. Sie sieht eine weitere Vergütung für die Wurzelspitzenresektion „an jedem weiteren benachbarten Zahn in derselben Kieferhälfte und in derselben Sitzung” vor (Nr 54c = 48 Punkte).
Entgegen der Auffassung der Beklagten und der zu 1) und 2) beigeladenen Vertragszahnärzte ist der Wortlaut der Leistungsbeschreibung der Geb-Nr 54b nicht klar in dem Sinne, daß die „Wurzelspitzenresektion … an einem Seitenzahn” die Resektion nur einer Wurzelspitze umfasse. Die Leistungsbeschreibung enthält gerade nicht den von ihnen gedanklich angeführten Zusatz „je Wurzelspitze”. Ihrer Ansicht, daß die Abrechnung je Wurzelspitze sich bereits aus der Verwendung des Singulars bei dem Begriff „Resektion” ergebe, daß nämlich, falls die Resektion mehrerer Wurzelspitzen hätte mitumfaßt werden sollen, der Plural (Resektionen) hätte gewählt werden müssen, kann nicht gefolgt werden. Es kann bei mehreren Wurzelspitzen durchaus von insgesamt einer Resektion gesprochen werden. Daß der Begriff der Resektion ohne weiteres mehrere Resektionseinzelmaßnahmen umfassen kann, findet seine Bestätigung in dem Wortlaut der von den Vertragspartnern des EKV-Z zu Geb-Nr 62 vereinbarten Abrechnungsbestimmungen, in denen von der „Resektion der Alveolarfortsätze” die Rede ist.
Der bei der Wortlautauslegung mitzuberücksichtigende zahnmedizinische Ablauf läßt sich ebenfalls nicht für die Meinung anführen, daß die Resektion mehrerer Wurzelspitzen an einem Seitenzahn in vollem Umfang den Leistungsinhalt der Nr 54b mehrfach erfülle und die Vergütung deshalb je resezierter Wurzelspitze gewährt werden müsse. Denn der Zahnarzt führt nicht zunächst die Resektion einer Wurzelspitze vom Anfang bis zum Ende aus und beginnt erst danach mit der Resektion der nächsten Wurzelspitze. Vielmehr erfolgen – zumal bei Resektion zweier wangenseitiger Wurzelspitzen, ggf aber auch bei zusätzlicher Resektion der gaumenseitigen Wurzelspitze – einige Arbeitsphasen wie das Aufklappen des Zahnfleisches, das Freilegen der Wurzeln, die abschließende Wundreinigung und -versorgung sowie das Glätten der Ränder in einem gemeinsamen Arbeitsgang, so daß die Verwendung des Begriffs „Resektion” wegen dieses Zusammenhangs bei dem Arbeitsablauf vom Wortlaut her auch die Resektion mehrerer Wurzelspitzen umfassen kann.
Die Beklagte und die beigeladenen Zahnärzte leiten demnach ihren Anspruch auf Vergütung der Nr 54b bei der Resektion je Wurzelspitze aus einer über den Wortlaut der Gebühren-Nr hinausgehenden Auslegung ab. Diese ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bei der Interpretation von Vorschriften der Gebührenordnungen nur in engen Grenzen zulässig. Die Zurückhaltung bei der Auslegung der Einheitlichen Bewertungsmaßstäbe bzw der Vertragsgebührenordnungen beruht auf ihrem, dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen (Zahn-)Ärzten einerseits und den Krankenkassen andererseits dienenden, vertraglichen Charakter (vgl zum ganzen BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 5 S 22 f). Es ist deshalb auch in erster Linie Aufgabe der Bewertungsausschüsse bzw der Vertragspartner des EKV-Z, unklare Regelungen der Gebührenordnungen zu präzisieren. Wegen der aus funktionalen Gründen gebotenen Zurückhaltung der Gerichte bei der Auslegung der Gebührenordnungen kann eine systematische Interpretation lediglich im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen erfolgen (vgl BSG SozR 3-5533 Nr 115 Nr 1 S 3; SozR aaO Nr 1460 Nr 1 S 2; vgl auch SozR aaO Nr 2145 Nr 1 S 3), um mit ihrer Hilfe den Wortlaut als eindeutig darzustellen (BSGE 69, 166, 168 = SozR 3-2500 § 87 Nr 2 S 6; vgl auch BSG SozR 3-5535 Nr 119 Nr 1 S 6). Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur insoweit in Betracht, als Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung erläutert haben (BSG SozR 3-5535 Nr 119 Nr 1 S 6). Die Leistungsbeschreibungen dürfen schließlich auch weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (ständige Rechtsprechung, vgl aus jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-5535 Nr 119 Nr 1 S 5 f; SozR 3-5533 Nr 1460 Nr 1 S 2).
Auch eine nach den aufgezeigten Grundsätzen mögliche systematische Interpretation – im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen – ergibt nicht, daß der Tatbestand der Geb-Nr 54b die Resektion nur einer Wurzelspitze an einem Seitenzahn erfaßt und daher die Resektion mehrerer Wurzelspitzen mehrfach abrechenbar ist. Schon die Gebührenregelung der Nr 54c der Anlage 1 zum EKV-Z spricht hiergegen. Danach sind für eine weitere Wurzelspitzenresektion an einem benachbarten Zahn in derselben Kieferhälfte und in derselben Sitzung 48 Punkte abrechenbar. Hiermit im Widerspruch stünde es, wenn man bei der Nr 54b die Resektion einer weiteren Wurzelspitze am selben Zahn doppelt so hoch – nämlich mit nochmals 96 Punkten – bewerten würde. Nichts anderes ergibt der Vergleich mit den anderen Geb-Nrn, die sich ebenfalls auf die Behandlung und Versorgung von Zahnwurzeln beziehen. Die Geb-Nrn 28 (Exstirpation der vitalen Pulpa), 32 (Aufbereiten des Wurzelkanalsystems), 35 (Wurzelkanalfüllung) enthalten alle den Zusatz „je Kanal”. Gerade im Vergleich mit diesen ähnlichen Leistungsbeschreibungen wäre es notwendig gewesen, auch in die Geb-Nr 54 einen entsprechenden Zusatz einzufügen, falls sie je Zahn mehrfach, nämlich je Wurzelspitze, hätte abrechenbar sein sollen. Das Fehlen eines solchen Zusatzes muß als Hinweis auf die nur einmalige Abrechenbarkeit je Zahn, unabhängig von der Zahl der in der Sitzung resezierten Wurzelspitzen, verstanden werden.
Aus dem Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte der Geb-Nr 54b läßt sich ebenfalls nichts Gegenteiliges herleiten. Zwar mag es zutreffen, daß sich die Möglichkeit, mehrere Wurzelspitzen eines Zahnes in einer Sitzung zu resezieren, erst im Zuge des zahnmedizinischen Fortschritts ergeben hat und man bei der Schaffung der Geb-Nr 54 von der Resektion nur einer Wurzelspitze ausgegangen ist. Dies ist aber so nicht im Wortlaut zum Ausdruck gekommen. Die entstehungsgeschichtliche Auslegung gründet sich hier nicht auf Dokumente der Urheber der Bestimmungen, was allein beachtlich sein könnte (vgl obigen Hinweis auf BSG SozR 3-5535 Nr 119 Nr 1 S 6). Im übrigen wurde bis zur Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 2. Juli 1991 – L 6 Ka 2/91 –, in dem die Abrechenbarkeit der Nr 54b je resezierter Wurzelspitze anerkannt worden war, die Abrechenbarkeit der Nr 54a-c nicht auf die zu amputierende Wurzelspitze, sondern nur auf den Zahn bezogen (so ausdrücklich Liebold/Raff/Wissing, BEMA-Z, Kommentar, Teil 1 / Geb-Tarif A, Nr 54 S III / 230(2a)).
Soweit die Beteiligten den EBM-Ä bzw die E-GO oder die GOZÄ zum Vergleich heranziehen, handelt es sich um eine weitergreifende – über die umliegenden Geb-Nrn hinausgehende – systematische Auslegung, die angesichts der anderen Strukturen dieser Bewertungsmaßstäbe bzw Gebührenordnungen ohnehin nicht zulässig ist.
Ebensowenig vermögen die Beklagte und die beigeladenen Zahnärzte mit dem Argument durchzudringen, daß 96 Punkte für die Resektion von bis zu drei Wurzelspitzen – unter Berücksichtigung des damit verbundenen Zeitaufwandes und Risikos – keine angemessene Vergütung im Sinne der § 72 Abs 2, § 85 Abs 3 SGB V ergäben. Im Hinblick auf die vorrangige Funktionszuweisung an den Bewertungsausschuß nach § 87 SGB V, den Inhalt der abrechenbaren Leistungen und ihre Punktzahlen zu bestimmen, sowie an die Vertragsparteien der Gesamtverträge, nach Maßgabe des § 85 Abs 3 SGB V die Gesamtvergütungen zu bemessen, kann die Frage der Angemessenheit von Vergütungen erst dann von den Gerichten beanstandet werden, wenn die Funktionsfähigkeit der Versorgung mangels ausreichenden Anreizes, vertragszahnärztlich tätig zu werden, gefährdet wäre (vgl BSGE 75, 187, 189 ff = SozR 3-2500 § 72 Nr 5 S 6 ff; BSGE 78, 191, 199 = SozR 3-2200 § 368i Nr 1 S 10). Da die Vergütung ohnehin nicht für jede Leistung kostendeckend sein muß und sich die Frage der Kostendeckung auch nicht auf die bei einem einzelnen Arzt anfallenden Kosten beziehen kann, ergibt sich selbst aus einer etwaigen Kostenunterdeckung bei einzelnen Leistungen kein zwingender Grund für eine bestimmte Auslegung des Gebührentatbestandes. Demgemäß liegen die Ausführungen des Schleswig-Holsteinischen LSG, das in seinem Urteil vom 2. Juli 1991 vor allem auf den Gesichtspunkt angemessener Vergütung abstellt, neben der Sache.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG. Ein Anlaß, der Beklagten die Übernahme der Kosten auch eines der zu 1) bis 5) Beigeladenen aufzuerlegen, besteht nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 1207456 |
ArztR 1999, 49 |
SGb 1998, 309 |
SozR 3-5555 § 10, Nr. 1 |
ZAuR 2000, 75 |
ZauR 1999, 8 |