Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. Juli 1999 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen (LSG) vom 13. Juli 1999 mit einem am 20. August 1999 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 26. August 1999 hat er sodann die Berufung gegen das in erster Instanz ergangene Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 31. August 1994 – S 5 U 34/90 – zurückgenommen und sich hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufungsrücknahme auf den Beschluß des BSG vom 27. September 1983 – 8 BK 16/82 – (SozR 1500 § 102 Nr 5) berufen. Er hat beantragt, „über die Angelegenheit aus dem Schriftsatz vom 26. August 1999 mit mündlicher Verhandlung zu entscheiden”. Die Beklagte hält die Rücknahme der Berufung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde für unzulässig.
Die Beschwerde war in entsprechender Anwendung des § 169 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen, weil sie innerhalb der bis zum 29. September 1999 laufenden Frist nicht begründet worden ist.
Die Rücknahme der Berufung war unzulässig. Nach § 156 Abs 1 SGG kann die Berufung bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung zurückgenommen werden. Dieser Zeitpunkt bestimmt sich nach § 153 Abs 1 SGG iVm § 121 Satz 1 SGG (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 156 RdNr 3). Er ist demnach im vorliegenden Verfahren mit der Schließung der mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden des 3. Senats des LSG am 13. Juli 1999 eingetreten.
Der Senat konnte der Auffassung des Klägers, die Berufung könne noch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen werden, nicht folgen. Das BSG hat in dem vom Kläger genannten Beschluß zwar entschieden, eine Klage könne gemäß § 102 SGG auch nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Erklärung gegenüber dem BSG zurückgenommen werden. Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die Berufungsrücknahme jedenfalls dann nicht übertragbar, wenn – wie hier – der andere Hauptbeteiligte im Rechtsstreit eine unselbständige Anschlußberufung (§ 202 SGG iVm den §§ 521 und 522 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫) eingelegt und ein Einverständnis zu der Rücknahme nicht erteilt hat. Den Regelungen in § 102 SGG und in den anderen Verfahrensgesetzen (§ 269 ZPO, § 92 der Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫, § 72 der Finanzgerichtsordnung) liegt nach dem genannten Beschluß des BSG hinsichtlich des Schutzes des Beklagten vor einer willkürlichen Disposition des Klägers über den Streitgegenstand der Rechtsgedanke zugrunde, daß demjenigen, der ein für ihn günstiges Urteil erstritten hat, dieses nicht durch Klagerücknahme mit der Folge aus der Hand geschlagen werden soll, daß eine neue Klage mit demselben Streitgegenstand gegen ihn erhoben werden kann. Da diese Folge wegen der nach § 102 Satz 2 SGG eintretenden Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache in der Sozialgerichtsbarkeit nicht eintreten kann, der Schutz des Beklagten vor willkürlichen Dispositionen des Klägers also bereits auf diese Weise sichergestellt ist, bedarf es – entgegen dem Wortlaut des § 102 Satz 1 SGG – einer Beschränkung der Klagerücknahme auf den Zeitraum bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht.
Grundlegend anders stellt sich die Situation bei der Rücknahme der Berufung dar, wenn der Berufungsbeklagte eine unselbständige Anschlußberufung eingelegt hat. Dann dienen § 156 Abs 1 SGG sowie die entsprechenden Vorschriften in den anderen Verfahrensgesetzen (§ 515 ZPO, § 126 VwGO) ua dem Schutz des Anschlußberufungsklägers (vgl Eyermann/Happ, VwGO, 10. Aufl, § 126 RdNr 5). Denn wegen der in § 202 SGG iVm § 522 Abs 1 ZPO vorgeschriebenen Wirkung einer Berufungsrücknahme auf die Anschließung könnte der Berufungskläger eine für den Anschlußberufungskläger günstige Entscheidung gegen dessen Willen zu Fall bringen, wenn die Berufungsrücknahme über den Schluß der mündlichen Verhandlung hinaus zulässig wäre. Dies würde nicht nur dem Wortlaut des § 156 Abs 1 SGG, sondern auch dem Schutzzweck dieser Vorschrift widersprechen. Ob etwas anderes gilt, wenn keine Anschlußberufung eingelegt worden ist oder der Anschlußberufungskläger der Rücknahme der Berufung zugestimmt hat, brauchte der Senat nicht zu entscheiden.
Entgegen dem Antrag des Klägers bedurfte es für die hier getroffene Entscheidung auch nicht einer mündlichen Verhandlung. Nach § 160a Abs 4 Satz 2 SGG entscheidet das BSG über eine Nichtzulassungsbeschwerde unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß. Nach § 124 Abs 3 SGG, der auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gilt, können Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Da hinsichtlich von Entscheidungen über eine Nichtzulassungsbeschwerde nichts anderes bestimmt ist und der Senat eine Entscheidung durch mündliche Verhandlung nicht für tunlich hält, war ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Einer Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter bedurfte es in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 SGG nicht (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 160a RdNr 21 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen