Verfahrensgang
SG Bremen (Entscheidung vom 28.08.2017; Aktenzeichen S 11 R 398/13) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 30.01.2020; Aktenzeichen L 12 R 165/17) |
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 30. Januar 2020 werden als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In den den Nichtzulassungsbeschwerden zugrunde liegenden Rechtsstreitigkeiten streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger zu 2. (künftig: Kläger) und die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der zu 1. klagenden GmbH (künftig: Klägerin) in der Zeit von 2010 bis 23.3.2011 (Kläger) bzw bis 31.5.2012 (Beigeladene zu 1.) aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung unterlagen und die beklagte Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen von der Klägerin ua Sozialversicherungsbeiträge nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 50 833,26 Euro fordern durfte.
Die Klägerin ist eine 2002 gegründete GmbH. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass Gesellschafterbeschlüsse der einfachen Mehrheit bedürfen. Einstimmigkeit war für Beschlüsse über eine Änderung des Gesellschaftsvertrags und die Auflösung der Gesellschaft erforderlich. Bestimmte Rechtsgeschäfte und Handlungen, ua über Erwerb, Gründung und Veräußerung von anderen Unternehmen, Errichtung oder Auflösung von Zweigniederlassungen oder Betriebsstätten, Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und Prokuristen, Investitionsentscheidungen mit einer Belastung von mehr als 100 000 Euro, Einstellung von Mitarbeitern mit einem Jahresgehalt von über 60 000 Euro brutto, Abschluss oder Änderung betrieblicher Versorgungsregelungen etc, bedurften einer Mehrheit von mehr als 75 vH.
Der Kläger und die Beigeladene zu 1. waren seit 17.6.2009 Geschäftsführer der Klägerin. Sie hielten zunächst jeweils 25 vH der Gesellschaftsanteile. Durch notariellen Kaufvertrag vom 24.3.2011 hielten rückwirkend ab 1.1.2011 der Kläger 33,4 vH und die Beigeladene zu 1. 33,3 vH der Gesellschaftsanteile. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 27.10.2011 stellte die zu 4. beigeladene Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Klägerin ab 24.3.2011 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht unterliegt. Zum 1.6.2012 schied der Kläger aus dem Unternehmen aus. Die Beigeladene zu 1. hielt seither 50 vH der Gesellschaftsanteile.
Vom 16.4.2012 bis 11.2.2013 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Sie stellte Versicherungspflicht des Klägers und der Beigeladenen zu 1. aufgrund Beschäftigung fest und forderte Beiträge nebst Säumniszuschlägen nach (Bescheide vom 11.2.2013; Widerspruchsbescheide vom 25.9. und 25.10.2013).
Die zu einem gemeinsamen Verfahren verbundenen Klagen hat das SG Bremen abgewiesen (Urteil vom 28.8.2017). Das LSG hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 30.1.2020). Als Minderheitengesellschafter ohne umfassende Sperrminorität hätten sie nicht über die eine abhängige Beschäftigung entscheidende Rechtsmacht verfügt. Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden.
II
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.1.2020 sind gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Kläger haben in der Begründung ihrer Rechtsmittel entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Kläger machen in ihren Beschwerdebegründungen vom 20.5.2020 alle drei Zulassungsgründe geltend. Sie bezeichnen aber weder eine Divergenz sowie Verfahrensfehler noch legen sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar.
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Die Kläger behaupten eine Divergenz zu fünf Urteilen des BSG (Urteile vom 11.11.2015 - B 12 R 2/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 27; B 12 KR 10/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 28; Urteil vom 29.6.2016 - B 12 R 5/14 R - juris; Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 13/17 R - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35; Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43). Zusammenfassend könne den Urteilen des BSG entnommen werden, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer über eine umfassende also "echte" oder "qualifizierte" Sperrminorität verfügen müsse. Das LSG habe "fälschlich" entschieden, dass keine umfassende Sperrminorität vorgelegen habe. Es habe zwar die aktuelle Rechtsprechung des BSG nicht verkannt, widerspreche ihr aber dennoch. Das LSG weiche von den höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen ab, indem es annehme, die "umfassende" Sperrminorität müsse sich auf alle Einzelgeschäfte beziehen. In der bisherigen Rechtsprechung des BSG werde verlangt, dass sich die Sperrminorität allumfassend auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstrecken müsse. Nicht vom Wortlaut erfasst sei dabei, dass jegliche unbedeutenden Einzelgeschäfte verhindert werden können müssen. Tätigkeiten des "alltäglichen Geschäfts" könnten schwerlich unter den Wortlaut der Weisung subsumiert werden. Dies wäre praktisch in einem Unternehmen, geführt von mehreren Geschäftsführern, auch nicht handhabbar, wenn alle Geschäftsführer in ihrem speziellen Bereich besondere Fähigkeiten ausüben würden. Das LSG habe somit verkannt, dass sich die Sperrminorität auf alle Unternehmenstätigkeiten erstrecke, ausgeschlossen sollten zum Schutz der Handlungsfähigkeit des Unternehmens nur solche des "täglichen Geschäftes" sein.
Hierdurch legen die Kläger den Zulassungsgrund der Divergenz nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar. Die Kläger entnehmen weder den in Bezug genommenen Urteilen des BSG noch dem angefochtenen Urteil abstrakte, entscheidungsrelevante Rechtssätze, die zum Nachweis der behaupteten Divergenz gegenüberzustellen wären. Es fehlt darüber hinaus an der Darlegung einer Abweichung im Grundsätzlichen. Die Kläger behaupten lediglich, das LSG habe "fälschlich" entschieden, indem es das Vorliegen einer echten und umfassenden Sperrminorität verneint habe. Dieses Ergebnis begründen sie damit, dass die Rechtsprechung des BSG dahingehend zu verstehen sei, dass sich eine umfassende Sperrminorität aus Gründen der praktischen Handhabung nicht auf Gegenstände des alltäglichen Geschäfts beziehen könne. Unabhängig davon, ob die Kläger diesen Schluss zu Recht ziehen, fehlt es jedenfalls an der Darlegung einer Divergenz. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. An einer entsprechenden Darlegung fehlt es. Im Gegenteil erkennen die Kläger vielmehr an, dass das LSG die aktuelle Rechtsprechung des BSG nicht verkannt habe. Soweit sie ergänzend vortragen, das LSG widerspreche ihr aber dennoch und weiche von den höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen ab, wird dadurch eine Abweichung im Grundsätzlichen nicht bezeichnet, sondern im Kern lediglich eine falsche Rechtsanwendung behauptet. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
2. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
Die Klägerin macht einen Verstoß gegen den Grundsatz fairen Verfahrens und den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG geltend. Die Einwendungen der Kläger seien nicht ausreichend gewichtet worden. Auch seien die Kläger nicht ordentlich gehört worden. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen § 103 SGG vor.
Der Kläger behauptet einen Verstoß gegen den Grundsatz fairen Verfahrens und den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG. Im Kern sei die Frage aufgeworfen worden, "ob seitens des Gerichtes die Motive für die Entscheidung eines Selbstständigen hinsichtlich der Frage der umfassenden Sperrminorität, die ausschließlich vertraglich geregelt werden darf, überprüfen kann". Die notwendige Rechtssicherheit könne nicht darin liegen, die Motivlage für eine gesellschaftsrechtliche Regelung zu erforschen. Augenmerk könne ausschließlich darauf gerichtet sein, dass eine wie immer geartete Einflussnahme möglich ist, dh dass eine Sperrminorität vorliege.
a) Den an die Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu stellenden Anforderungen genügen die Kläger mit diesen Ausführungen nicht, weil sie nicht - wie aber erforderlich - detailliert darlegen, welches konkrete Vorbringen vom LSG übergangen worden sein soll, und dass sich das vorinstanzliche Gericht auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung mit dem Vorbringen hätte auseinandersetzen müssen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 697 mwN). Darüber hinaus gebietet das Recht auf rechtliches Gehör nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.4.2014, NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).
b) Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, im Verfahren vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - juris RdNr 10 mwN).
c) Soweit der Kläger geltend macht, das LSG sei zu einer Erforschung der Motivlage bezüglich einer gesellschaftsrechtlichen Rechtslage nicht berechtigt, zeigt er nicht auf, wo vom LSG eine Erforschung der Motivlage vorgenommen worden ist und inwieweit diese ggf entscheidungserheblich gewesen wäre.
3. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin führt aus, interessant sei vor allem die Klärung der Frage, wann eine "echte" oder "qualifizierte" Sperrminorität vorliege und welche Anforderungen genau an die umfassenden Weisungsrechte, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben müssten, gestellt werden müssten. Bisher sei der Begriff der "umfassenden" Sperrminorität noch nicht zufriedenstellend definiert. In einer nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Duplik vom 16.7.2020 führt die Klägerin aus, die in einem Urteil des BSG genannten Kriterien zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit würden von der Klägerin erbracht. Berücksichtige man darüber hinaus die im Gesellschaftsvertrag aufgenommene Regelung, wonach jeder Vertrag, und zwar uneingeschränkt, der Sperrminorität unterliege, seien praktisch keine Geschäftshandlungen und Entscheidungen möglich, ohne dass diese Entscheidungen unter dem Vorbehalt der Sperrminorität stünden.
Der Kläger trägt vor, die Klärung der Frage danach, ab wann eine "echte" oder "qualifizierte" bzw umfassende Sperrminorität vorliege und welche Anforderungen hieran gestellt werden dürften, stelle sich mithin als grundlegend für eine Vielzahl von Fällen dar. Der Begriff der "umfassenden" Sperrminorität sei noch nicht hinreichend definiert. Unter dem Gesichtspunkt der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und im Sinne der Rechtssicherheit sei dieser Begriff nicht ausreichend und abschließend geklärt worden. Es stelle einen Verstoß gegen Art 14, 12 und 2 GG dar, wenn das LSG gleichsam in die Entscheidung eines Unternehmens hineinregiere. Es sei gerade Ausdruck der unternehmerischen Freiheit, selbst zu bestimmen, welche einzelnen Angelegenheiten mit einer Sperrminorität versehen werden sollen. Es bleibe weiterhin fraglich, welche Gestaltung ein Gesellschaftsvertrag aufweisen müsse, um daraus eine "echte" Sperrminorität ableiten zu können. Darüber hinaus sei ebenfalls noch ungeklärt, wie bestimmt der Gesellschaftsvertrag dahingehend gestaltet sein müsse, also wie offensichtlich sich eine Selbstständigkeit der Geschäftsführer aus ihm ergeben müsse. Die aufgeworfene Rechtsfrage sei somit höchstrichterlich bisher nicht geklärt. In einer nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangenen Duplik vom 29.6.2020 führt der Kläger aus, von grundlegender Bedeutung sei es indessen, ob ein Bedeutungsgrad hinsichtlich der Frage, ob eine umfassende Sperrminorität vorliege oder nicht, zulässigerweise von der Rechtsprechung beurteilt werden dürfe und wenn ja, auf welche Weise. Die Frage der Gewichtung obliege einzig und allein der Entscheidung des jeweiligen Unternehmens. Abgesehen von Art 12 GG sei in diesem Zusammenhang auch auf die in Artikel 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu verweisen.
a) Die Beschwerdebegründungen erfüllen die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil die Kläger keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formulieren. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
b) Unabhängig hiervon legen die Kläger die Klärungsbedürftigkeit ihrer in den Raum gestellten Fragen nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar. Sie setzen sich nicht mit der hierzu ergangenen, umfangreichen Rechtsprechung des BSG auseinander. Hierzu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil der Senat bereits entschieden hat, dass ein Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen ist, wenn er exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln (vgl zuletzt BSG Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - BSGE 129, 95 = SozR 4-2400 § 7 Nr 43, RdNr 15 mwN). Die Kläger zeigen nicht auf, inwieweit die Frage des Vorliegens einer "umfassenden" Sperrminorität erneut klärungsbedürftig geworden sein könnte. Sie stellen im Zusammenhang mit den Ausführungen zur vermeintlichen Divergenz der vom BSG verwandten Begrifflichkeit der umfassenden, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassenden Sperrminorität ihre eigene Deutung gegenüber, wonach sich die Sperrminorität aus Gründen der praktischen Handhabung nicht auf Gegenstände des alltäglichen Geschäfts beziehen müsse. Hierdurch wird aber eine (erneute) Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt.
Schließlich ist auch die notwendige Klärungsbedürftigkeit hinsichtlich des vom Kläger gerügten Verstoßes gegen Grundrechte nicht hinreichend dargelegt worden. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14434307 |