Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Fehler in der Beweiswürdigung als Zulassungsgrund
Orientierungssatz
Fehler in der Beweiswürdigung führen nicht zur Zulassung der Revision (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG). Ebenso wenig kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass der Kläger die Entscheidung des LSG insgesamt für falsch hält (vgl. BSG, 26. Juni 1975, 12 BJ 12/75).
Normenkette
SGG § 128 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juni 2016 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu gewähren, wird abgelehnt.
Gründe
I
In den verbundenen Hauptsachen begehrt die Klägerin Opferentschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz wegen einer von ihr angegebenen Vergewaltigung im Januar 1995 mit anschließender medizinischer Fehlbehandlung in den Jahren 1999 und 2004 bzw 2005. Der wiederholte (Überprüfungs-)Antrag wegen der Vergewaltigung blieb bei dem Beklagten ebenso ohne Erfolg wie der erstmals gestellte Antrag auf Entschädigungsleistungen wegen der anschließenden Fehlbehandlung (Bescheide vom 20. und 21.8.2014; Widerspruchsbescheide vom 6. und 9.2.2015). Das SG hat die Klagen abgewiesen (Urteile vom 22.9.2015), das LSG die verbundenen Berufungen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, in Bezug auf die Vergewaltigung bestehe kein Rücknahmeanspruch, weil auch unter Berücksichtigung des abgesenkten Beweismaßstabs der Glaubhaftmachung ein tätlicher Angriff nicht nachgewiesen sei. In Bezug auf die geltend gemachte medizinische Fehlbehandlung fehle es bereits nach den Angaben der Klägerin an einer feindlichen Willensrichtung als Voraussetzung eines tätlichen Angriffs (Beschluss vom 30.6.2016).
Mit ihrem Antrag begehrt die Klägerin PKH für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG.
II
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn - ua - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es.
Die Klägerin kann aller Voraussicht nach mit ihrem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens der Klägerin - Anhaltspunkte dafür, dass sie einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte. Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Der Sachverhalt wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Glaubhaftmachung iS des § 15 S 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung auf (vgl hierzu BSG Beschluss vom 12.5.2016 - B 9 V 11/16 B). Insbesondere resultiert aus dem Umstand, dass es an einigen Landessozialgerichten eine entsprechende Praxis gibt, die - wie die Klägerin meint - in dieser Form in den Rechtsnormen des Gesetzgebers nicht wiederzufinden ist, kein grundsätzlicher Klärungsbedarf für die hier im Kern beanstandete Widerspruchsfreiheit der Angaben des Betroffenen als Voraussetzung der Überzeugungsbildung des Tatsachenrichters. Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass die Klägerin einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Insbesondere ist angesichts fehlender Anhaltspunkte für eine Gewalttat nichts dafür ersichtlich, dass das LSG zu den von der Klägerin angegebenen Traumata verfahrensfehlerhaft nicht weiter ermittelt hat (vgl § 103 SGG). Auch begründet es keinen Verfahrensmangel, wenn sich das LSG im Rahmen der Beweiswürdigung ua von dem Kriterium der Widerspruchsfreiheit der Angaben des Opfers hat leiten lassen. Fehler in der Beweiswürdigung führen ohnehin nicht zur Zulassung der Revision (§ 128 Abs 1 S 1 SGG). Ebenso wenig könnte die Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass die Klägerin die Entscheidung des LSG insgesamt für falsch hält (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Fundstellen
Dokument-Index HI10448807 |