Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 09.07.2019; Aktenzeichen S 18 R 5494/17) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 10.11.2020; Aktenzeichen L 13 R 2567/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. November 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit steht der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Ihre Bewilligung hat der beklagte RV-Träger abgelehnt. Das SG hat die Klage hiergegen abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 9.7.2019). Das LSG hat die Entscheidung des SG bestätigt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision zum BSG hat es nicht zugelassen (Urteil vom 10.11.2020).
Gegen Letzteres wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde an das BSG. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
II
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung vom 18.1.2021 genügt nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.
Zur Darlegung der vom Kläger hier einzig geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7; jüngst BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 5).
Diese Voraussetzungen werden in der Beschwerdebegründung schon deswegen nicht erfüllt, weil darin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert wird (vgl allgemein BSG Beschluss vom 24.10.2018 - B 13 R 239/17 B - juris RdNr 8 mwN). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (stRspr; zB BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 12 R 24/19 B - juris RdNr 8; Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).
Selbst wenn man annehmen wollte, mit den Ausführungen, "die Frage, ob eine Person, die einen erlernten Beruf hat und nur vor Eintritt der Erkrankung nicht in dem erlernten Beruf tätig war, gleichgestellt werden kann, mit einer Person, die überhaupt keinen Beruf erlernt hat … " habe der Kläger seine klärungsbedürftige Frage formuliert, erfüllt er die benannten Voraussetzungen unter mehreren Gesichtspunkten nicht.
Zum einen ist in der Beschwerdebegründung der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht genügend dargestellt. Die Angaben dazu beschränken sich auf die Wiedergabe des Antrags, der der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt, dem Kläger sei eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit ab dem 1.8.2017 zu gewähren. Ferner macht er die Angaben, er habe den Beruf des Holzmechanikers erlernt, diesen jedoch aufgrund seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit wegen seiner Erkrankung nicht mehr ausüben können. Damit zeigt der Kläger nicht auf, welche Tatsachen das LSG insbesondere zum - anscheinend streitigen - Ausgangsberuf festgestellt hat. Ebenso wenig stellt der Kläger zumindest in gedrängter Form dar, welche Feststellungen das LSG zu den gesundheitlichen Voraussetzungen im konkreten Fall getroffen hat. Die Wiedergabe des der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ist jedoch Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde, weil es dem Revisionsgericht andernfalls unmöglich ist, sich - wie erforderlich - ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Vortrags des Beschwerdeführers ein Bild über den Streitgegenstand und rechtliche wie tatsächliche Streitpunkte zu machen (BSG Beschluss vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - juris RdNr 7 ff; BSG Beschluss vom 3.11.1999 - B 7 AL 152/99 B - juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 29.8.2003 - B 8 KN 7/03 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 26.6.2006 - B 13 R 153/06 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - juris RdNr 7). Gerade der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung verlangt die Wiedergabe des streiterheblichen Sachverhalts, weil insbesondere die Klärungsfähigkeit einer aufgeworfenen Rechtsfrage ohne Umschreibung des Streitgegenstands und des Sachverhalts nicht beurteilt werden kann (BSG Beschluss vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - juris RdNr 10 f mwN; BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - juris RdNr 8).
Der Kläger kann die ihm obliegende Sachverhaltsdarstellung auch nicht durch eine pauschale Bezugnahme auf seine Schriftsätze aus dem erst- und zweitinstanzlichen Verfahren ersetzen. Das gesetzliche Erfordernis, bereits die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BSG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 Satz 1 SGG) begründen zu lassen, soll das Revisionsgericht entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller die sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens gewährleisten (BSG Beschluss vom 24.2.1992 - 7 BAr 86/91 - SozR 3-1500 § 166 Nr 4 - juris RdNr 3 f; jüngst etwa BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 4). Diesem Ziel wird mit der bloßen Wiederholung des Vortrags aus den instanzgerichtlichen Verfahren ebenso wenig genügt wie mit einer - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen - Bezugnahme auf Schriftsätze, die in den Vorinstanzen eingereicht worden sind (hierzu zB BSG Beschluss vom 21.8.2009 - B 11 AL 21/09 B - RdNr 8; BSG Beschluss vom 15.3.1991 - 2 BU 20/91 - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13a; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung herauszusuchen (BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 3 f).
Vor allem versäumt es der Kläger, anders als nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage erforderlich, die einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung der unterstellten Rechtsfrage enthält. Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, so ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - juris RdNr 19). Entgegen diesen Anforderungen fehlen in der Beschwerdebegründung jegliche Ausführungen zur einschlägigen Rechtsprechung des BSG. Allein die pauschale Aussage, das Vordergericht habe sich mit der benannten Frage nicht hinreichend auseinandergesetzt, sondern ohne Weiteres die Rechtsbeschwerde (gemeint ist wohl die Revision) nicht zugelassen, vermag die Klärungsbedürftigkeit nicht zu begründen. Anlass zu der beschriebenen Auseinandersetzung hätte bereits deswegen bestanden, weil das BSG in einer umfangreichen Rechtsprechung zur "Lösung vom Hauptberuf" geurteilt hat. So hat es befunden, der "bisherige Beruf" (vgl zB BSG Urteil vom 30.10.1985 - 4a RJ 53/84 - SozR 2200 § 1246 Nr 130; BSG Urteil vom 27.4.1989 - 5/5b RJ 78/87 - SozR 2200 § 1246 Nr 164) sei in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dies gelte jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste gewesen sei (vgl BSG Urteil vom 29.11.1979 - 4 RJ 111/78 - SozR 2200 § 1246 Nr 53; BSG Urteil vom 11.9.1980 - 1 RJ 94/79 - SozR 2200 § 1246 Nr 66). Bei anderen Fallgestaltungen hat das BSG darauf abgehoben, dass als Hauptberuf nicht unbedingt die letzte, sondern diejenige Berufstätigkeit zugrunde zu legen sei, die der Versicherte bei im wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft eine nennenswerte Zeit ausgeübt habe (vgl BSG Urteil vom 30.10.1985 - 4a RJ 53/84 - SozR 2200 § 1246 Nr 130 mwN). Insbesondere zu den Schwierigkeiten, die sich für die Feststellung des bisherigen Berufs bei einem Wechsel von einer qualitativ höherwertigen zu einer geringerwertigen Tätigkeit ergeben, hat das BSG in einer Vielzahl von Entscheidungen Stellung genommen (vgl zB BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 9/86 - SozR 2200 § 1246 Nr 158 mwN; s auch zusammenfassend BSG Urteil vom 8.10.1992 - 13 RJ 41/91 - juris RdNr 26). Darüber hinaus fehlen in der Beschwerdebegründung des Klägers - anders als erforderlich - jegliche Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der unterstellten Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14375295 |