Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache. kein Anspruch eines einzelnen Bürgers auf Unterlassung einer bestimmten Verwendung öffentlicher Mittel. Verfahrensfehler. Verletzung rechtlichen Gehörs
Orientierungssatz
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dann iS von SGG § 160a Abs 2 S 3 dargelegt, wenn der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung und dabei insbesondere den Schritt darstellt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 = SozR 1500 § 160a Nr 31; BSG vom 12.10.2017 - B 10 ÜG 13/17 B = juris RdNr 5; BSG vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B = juris RdNr 6).
2. Der einzelne Bürger, der eine bestimmte Verwendung öffentlicher Abgaben für rechtswidrig hält, kann aus seinen Grundrechten wie zB Art 2 Abs 1 GG regelmäßig keinen Anspruch auf Unterlassung einer solchen Verwendung herleiten (vgl zB BSG vom 24.9.1986 - 8 RK 8/85 = BSGE 60, 248 = SozR 1500 § 54 Nr 67; BSG vom 21.10.1985 - 3 BK 37/85; BVerfG vom 7.4.2010 - 1 BvR 810/08; BVerfG vom 18.4.1984 - 1 BvL 43/81 = BVerfGE 67, 26 = SozR 1500 § 54 Nr 60).
3. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nur, die Darlegungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl BVerfG vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 = juris RdNr 11mwN; BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 = BVerfGE 96, 205).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 160a Abs. 2 S. 3, § 62; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Heilbronn (Entscheidung vom 03.12.2015; Aktenzeichen S 9 KR 2978/15) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.07.2020; Aktenzeichen L 4 KR 638/18) |
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Beiträge der Kläger zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für ihre Kinder zu reduzieren sind.
Die Kläger sind Eltern von drei in den Jahren 1998, 2002 und 2003 geborenen Kindern. Ihr Antrag, die Sozialversicherungsbeiträge wegen ihrer Erziehungsleistungen zu reduzieren, wurde abgelehnt. Die Klage ist vor dem SG erfolglos geblieben. Das LSG hat die Auferlegung der Missbrauchsgebühr durch das SG und die angegriffenen Bescheide aufgehoben, weil dadurch nur über die Pflicht zur Beitragstragung und die fehlende Möglichkeit einer Beitragsreduzierung, aber nicht über die konkrete Beitragshöhe entschieden worden sei. Die Verpflichtungsklage führe auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zum Erfolg. Den Beweisanträgen sei nicht stattzugeben, da sie in materieller Hinsicht als nicht wesentlich oder als unsubstantiierte Beweisausforschungsanträge unzulässig seien (Urteil vom 20.7.2020). Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision.
II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Kläger haben die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Unterstellt die Kläger hätten die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfragen hinreichend dargelegt, mangelt es jedenfalls an jedweder Darlegung zu deren Klärungsfähigkeit, dh Entscheidungserheblichkeit. Entscheidungserheblichkeit bedeutet, dass es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfragen ankommt und die Entscheidung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers in seinem Sinn hätte ausfallen müssen. Ein Beschwerdeführer muss daher den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung und dabei insbesondere den Schritt darstellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31; BSG Beschluss vom 12.10.2017 - B 10 ÜG 13/17 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung aber keine Ausführungen.
Anlass zu näheren Darlegungen insbesondere zur Klagebefugnis hätte aber deshalb bestanden, weil sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aus dem Mitgliedschaftsverhältnis in der Sozialversicherung grundsätzlich kein Anspruch des Versicherten auf Unterlassung einer bestimmten Mittelverwendung ergibt. Der einzelne Bürger, der eine bestimmte Verwendung öffentlicher Abgaben für rechtswidrig hält, kann aus seinen Grundrechten wie zB Art 2 Abs 1 GG regelmäßig keinen Anspruch auf Unterlassung einer solchen Verwendung herleiten (vgl BSG Urteil vom 24.9.1986 - 8 RK 8/85 - BSGE 60, 248 = SozR 1500 § 54 Nr 67; BSG Beschluss vom 21.10.1985 - 3 BK 37/85 - juris; BVerfG Beschluss vom 7.4.2010 - 1 BvR 810/08 - juris; BVerfG Beschluss vom 18.4.1984 - 1 BvL 43/81 - BVerfGE 67, 26; vgl auch zum Steuerrecht zB BVerfG Beschluss vom 2.6.2003 - 2 BvR 1775/02 - juris).
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b) Außerdem werfen die Kläger die Fragen auf (S 56 f der Beschwerdebegründung): |
"1. Sind die die Beitragspflicht und die -höhe der Beiträge zur sozialen Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs. 1, 162 Nr. 1 SGB VI, 223 Abs. 2, 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sowie § 241 SGB V) mit Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar, soweit Mitglieder dieser Sozialversicherungen, die Kinder betreuen und erziehen, nicht entsprechend der Gleichwertigkeit ihres (generativen) Erziehungsbeitrags bei den Geldbeiträgen entlastet, sondern mit einem gleich hohen Geldbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden? |
2. Sind die die Beitragspflicht und -höhe zur sozialen Pflegeversicherung regelnden Vorschriften (§§ 54 Abs. 2 S. 1, 55 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. 226 SGB V) mit Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar, soweit die Mitglieder dieser Sozialversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, nicht entsprechend der Gleichwertigkeit ihres (generativen) Erziehungsbeitrags und der Zahl ihrer Kinder bei den Geldbeiträgen entlastet und dabei im Übrigen noch in gleicher Weise wie Versicherte zu monetären Beitragsleistungen zum Pflegevorsorgefonds (§ 131 ff. SGB XI) herangezogen werden?" |
Insoweit ist die Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die bereits ergangenen Senatsurteile vom 30.9.2015 (B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77; B 12 KR 13/13 R - juris) und vom 20.7.2017 (B 12 KR 14/15 R - BSGE 124, 26 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 84) nicht hinreichend dargelegt. Höchstrichterlich entschiedene Fragen können zwar erneut klärungsbedürftig werden, doch ist hierfür darzulegen, dass sich völlig neue, nicht erwogene Gesichtspunkte ergeben haben, die eine andere Beurteilung nahelegen könnten (stRspr; zB BSG Beschluss vom 3.8.2016 - B 12 P 4/15 B - juris RdNr 5 mwN).
Die Kläger begründen die ihrer Ansicht nach fortbestehende bzw erneute Klärungsbedürftigkeit ihrer Fragen insbesondere mit der Verfügung des BVerfG vom 18.12.2019. Allein aus der darin enthaltenen Aufforderung an sachkundige Dritte, zu bestimmten Aspekten Stellung zu nehmen, lässt sich aber keine erneute Klärungsbedürftigkeit durch das BSG herleiten, zumal daraus gerade noch keine eigene sachliche Entscheidung des BVerfG hervorgeht. Auch die Tatsache, dass gegen die genannten Senatsentscheidungen aufgrund der abweichenden Ansicht der Betroffenen Verfassungsbeschwerden eingelegt worden sind, begründet keine erneute Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage durch die Revisionsinstanz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72; BSG Beschluss vom 28.10.2010 - B 13 R 229/10 B - SozR 4-1500 § 192 Nr 1 = juris RdNr 11). Soweit sich die Kläger auf Stellungnahmen von W beziehen, legen sie nicht nachvollziehbar dar, ob und inwieweit sich daraus neue Gesichtspunkte ergeben, die dem BSG noch nicht vorgelegen haben. Denn insbesondere dessen Stellungnahmen vom 9.3.2016 und vom 9.1.2017 waren - wie sich aus den dortigen Urteilsgründen ergibt - bereits Gegenstand des Revisionsverfahrens B 12 KR 14/15 R.
Stützt sich die Beschwerde - wie hier - auf einen Grundrechtsverstoß, hat sie darüber hinaus unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (vgl zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - juris RdNr 7, jeweils mwN).
Die Kläger machen jedoch einen Verstoß gegen Art 2 Abs 1 GG (vgl dazu bereits oben 1a) und den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG geltend, ohne sich mit dem Inhalt dieser Grundrechtsnormen sowie ihrer Ausprägung durch das BVerfG und des BSG auseinanderzusetzen. Das Beschwerdevorbringen enthält dazu keine stringente Begründung, sondern nimmt in weiten Teilen Bezug auf zum Teil komplett zitierte Schriftsätze, Stellungnahmen oder Anlagen; es ist aber nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Darlegungen selbst herauszusuchen.
Insbesondere ist die Klärungsbedürftigkeit der zusätzlich aufgeworfenen Problematik, ob die Beitragspflicht zur sPV mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vereinbar sei, weil die Mitglieder dabei "in gleicher Weise wie Versicherte zu monetären Beitragsleistungen zum Pflegevorsorgefonds (§ 131 ff. SGB XI) herangezogen werden", nicht hinreichend dargelegt. Soweit die Kläger durch die "Beitragspflicht zum Pflegevorsorgefonds" eine Verletzung ihres Grundrechts auf "intragenerationelle Gleichbehandlung" (Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG) sehen, finden sich zur Begründung dieses Fazits (S 50 der Beschwerdebegründung) lediglich Ausführungen zur "Mackenroth-These" (S 48 bis 50 der Beschwerdebegründung). Eine substantiierte Befassung mit dem Inhalt des gerügten Grundrechts, die ua eine nachvollziehbare Vergleichsgruppenbildung erfordert, fehlt ebenso wie eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Beschluss des BSG vom 10.10.2017 (B 12 KR 119/16 B - juris RdNr 19 ff), wonach zwischen der Errichtung des Pflegevorsorgefonds und der Beitragserhebung kein unmittelbarer Bezug besteht. Laut Darstellung der Kläger habe das BSG in dem Beschluss behauptet, "der Pflegevorsorgefonds diene zur Abfederung der Beitragssteigerungen aus Mortalitätsveränderungen" (S 56 der Beschwerdebegründung) bzw der Pflegevorsorgefonds sei eine "Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken" (S 42 der Beschwerdebegründung) werde. Derartige Äußerungen sind in dem Beschluss, der sich auf die gesetzlichen Grundlagen und die Gesetzesbegründung zum Pflegevorsorgefonds bezieht, jedoch nicht zu finden. Soweit sich die Kläger die Ausführungen des SG Freiburg in seinem Vorlagebeschluss (S 6 KR 448/18 - juris; S 41 ff der Beschwerdebegründung) zum Zusammenhang zwischen dem Pflegevorsorgefonds und der Beitragszahlung der dortigen Kläger zu eigen machen, beziehen sie diese (anders als das SG Freiburg) in erster Linie auf den Schutzbereich des Art 2 Abs 1 GG. Davon abgesehen fehlen Ausführungen zur Klärungsfähigkeit, die auch ein Eingehen auf den konkret vorliegenden Sachverhalt erfordern.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe zu demselben Gegenstand bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschlüsse vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
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Die von den Klägern gerügte Divergenz des angefochtenen Urteils zum "Kindergeldbeschluss" des BVerfG vom 29.5.1990 (1 BvL 20/84 ua - BVerfGE 82, 60) ist nicht hinreichend dargetan. Zwar führen die Kläger aus, der besagte Beschluss des BVerfG enthalte den Rechtssatz: |
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"Das Kindergeld als Sozialleistung ist ≪aber≫ nicht dazu bestimmt, diesen strukturellen Mangel des Rentenversicherungssystems wenigstens teilweise auszugleichen." |
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Demgegenüber stünden die Ausführungen im Urteil des BSG vom 20.7.2017 (B 12 KR 14/15 R - BSGE 124, 26 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 84 = juris RdNr 56): |
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"Im Übrigen ist festzustellen, dass das Gesetz zahlreiche derartige Leistungen vorsieht. Zu nennen sind ua familienfördernde und familienentlastende Leistungen in anderen Bereichen des Sozialversicherungsrechts, des Sozialrechts und in anderen Rechtsbereichen zB die Gewährung von Versicherungspflichtzeiten im Arbeitsförderungsrecht für die Zeit der Kindererziehung (§ 26 Abs 2a SGB III), die Gewährung von Elterngeld und zuvor Erziehungsgeld (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, zuvor Bundeserziehungsgeldgesetz) oder die Gewährung von Kindergeld (Bundeskindergeldgesetz) oder bzw Kinderfreibeträgen im Steuerrecht (Einkommensteuergesetz)." |
Da das LSG sich trotz deutlichen Hinweises der Kläger auf diese Divergenz im Schriftsatz vom 7.7.2020 vollinhaltlich auf das BSG-Urteil stütze, übernehme es denknotwendig die Aussage des BSG und müsse sich die Divergenz zum BVerfG zurechnen lassen.
Aus den beiden Zitaten lassen sich aber schon deshalb keine divergierenden Rechtssätze zu demselben Gegenstand ableiten, weil die Kläger versäumt haben, den jeweiligen sachlichen und rechtlichen Zusammenhang der jeweiligen Ausführungen mitzuteilen. So könnte es einen erheblichen Unterschied bedeuten, ob das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Benachteiligungsverbot oder die Reichweite der in Art 6 Abs 1 GG enthaltenen Förderungspflicht betroffen und welche künftigen oder gegenwärtigen Belastungen (zB rentenrechtliche Einbußen durch das familienbedingte Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und/oder die gegenwärtige wirtschaftliche Belastung durch die Betreuung von Kindern) jeweils konkret geltend gemacht worden sind.
3. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a) Die Kläger rügen einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG habe sich nicht mit den Ermittlungen seitens des BVerfG und ihrem tatsachenbasierten Vortrag zu den Fehlern der Rechtsprechung des Revisionsgerichts auseinandergesetzt. Die Kläger hätten die aus der maßgebenden Sicht des BVerfG aufzuklärenden Tatsachen vorgetragen und ihre Beweisanträge darauf bezogen. Entgegen der Behauptung des LSG handele es sich nicht um Beweisausforschungsanträge, weil sie sich auf die beigebrachten sozialökonomischen Gutachten und Stellungnahmen bezogen hätten, welche substantiiert nachweisen würden, dass die Tatsachenfeststellungen des BSG der Substanz entbehrten; gleichzeitig seien die zutreffenden Tatsachenfeststellungen vorgetragen und angeregt worden, der Beurteilung zugrunde zu legen. Durch die Kurzgutachten W und die Bezugnahme auf die Stellungnahme des Deutschen Familienverbands (DFV) und des Familienbunds der Katholiken (FdK) sei unterstrichen worden, welches Ergebnis die Sachaufklärung haben werde.
Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann eine Beschwerde nur gestützt werden, wenn sich der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das Übergehen eines Beweisantrags ist aber nur dann ein Verfahrensfehler, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts noch nicht als erfüllt ansieht. Insoweit ist darzulegen, dass ein prozessordnungsgemäßer Beweisantrag, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte, in der abschließenden mündlichen Verhandlung oder bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt, in dem feststand, dass das LSG von sich aus Ermittlungen nicht mehr durchführen würde, bis zuletzt aufrechterhalten oder gestellt worden ist (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.7.2019 - B 12 KR 5/19 B - juris RdNr 12 mwN). Vermeintlich beweisbedürftige konkrete Tatsachen haben die Kläger durch ihre zahlreichen Bezugnahmen nicht substantiiert dargelegt. Die gegenteilige Behauptung ändert daran nichts.
Die Kläger geben ihre Anträge in der Beschwerdebegründung bereits nicht alle wörtlich wieder, sondern beziehen sich insoweit nur auf den Schriftsatz vom 7.7.2020 und - bei wohlwollender sinngemäßer Auslegung ihres Beschwerdevorbringens - auf die im Berufungsurteil wiedergegebenen Anträge. Nur insoweit ist jedenfalls belegt, dass die Anträge bis zuletzt aufrechterhalten worden sind. Auf den jeweiligen Wortlaut der Anträge bezogene Darlegungen zu ihrer Prozessordnungsmäßigkeit fehlen (zu den Merkmalen eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, vgl zB BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6). Aus dem Berufungsurteil ergeben sich im Wesentlichen in Form von Fragen gekleidete Anträge, denen keine bestimmte zu beweisende Tatsachenbehauptungen zu entnehmen sind. Vielmehr handelt es sich im Kern um Fragen nach der "richtigen" rechtlichen Bewertung komplexer gesellschaftlicher Zusammenhänge (vgl zB Nr 6 des Antrags aus dem Schriftsatz vom 14.12.2016, S 11 des LSG-Urteils: "ob die Grundsätze des 'Beitragskinderurteils' entsprechend dem Parallelurteil des BVerfG vom 3. April 2001 zur Beitragsgestaltung bei der Kindererziehung in der privaten Pflegeversicherung (1 BvR 1681/94) nunmehr auch auf den Pflegevorsorgefonds (§ 131 ff. SGB XI) und/oder nur auf die privaten Pflegekassen anwendbar sind"; zB auch Anträge aus dem Schriftsatz vom 7.7.2020, S 12 des LSG-Urteils: "ob die Behauptung des BSG in den beiden genannten Urteilen zutreffe, dass die elterlichen Nachteile, die durch die Verteilungswirkungen der intragenerationell verteilenden Systeme GRV, GKV und sPV entstehen, systemintern und/oder extern ausgeglichen werden und, ob sich das Ausmaß etwa verbleibender Nachteile oder ggfls. Vorteile beziffern lasse."). Dass es sich dabei um prozessordnungsgemäße Beweisanträge handele, lässt sich weder durch den klägerischen Hinweis auf die im Schriftsatz des BVerfG vom 18.12.2019 aufgeworfenen Aspekte (vgl dazu auch bereits oben unter 1a) noch durch die daraufhin ergangenen, von den Klägern in Bezug genommenen Stellungnahmen des DFV und FdK oder - die Auffassung der Kläger stützende - Gutachten belegen. Mit derartigen Ausführungen gelingt den Klägern auch nicht die erforderliche Darlegung, dass es sich um Fragen gehandelt hat, die aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben und entscheidungserheblich waren (vgl BSG Beschluss vom 15.7.2019 - B 12 KR 5/19 B - juris RdNr 13; BSG Beschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 19.6.2008 - B 2 U 76/08 B - BeckRS 2008, 54504 mwN). Ob die Ausführungen der Kläger nach ihrer eigenen oder der Auffassung anderer entscheidungserheblich waren, kommt es nicht an. Mit dem Vortrag machen die Kläger vielmehr im Wesentlichen geltend, das Urteil des LSG sei inhaltlich unrichtig; damit kann die Zulassung der Revision aber nicht herbeigeführt werden (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
b) Die Kläger rügen darüber hinaus einen Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG), weil sich das LSG auf die og Rechtsprechung des BSG bezogen und dennoch weitere Sachaufklärung verweigert habe. Damit enthalte das LSG den Klägern die Berufungsinstanz als Tatsacheninstanz vor. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können aber nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer anderen Verfahrensrüge geltend gemacht wird (stRspr; zB BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 12 mwN). Andernfalls liefen die Beschränkungen, die § 160 Abs 2 Nr 3 SGG für die Sachaufklärung oder die Beweiswürdigung normiert, im Ergebnis leer (vgl BSG Beschluss vom 13.10.2020 - B 12 KR 8/20 B - juris RdNr 25 mwN).
c) Auch die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, § 62 SGG) ist nicht hinreichend bezeichnet. Dieser Anspruch soll zwar ua sicherstellen, dass die Ausführungen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen werden. Wie die Kläger selbst darauf hinweisen, hat das Prozessgericht jedoch nicht ausdrücklich jedes Vorbringen der Beteiligten zu bescheiden. Es ist auch nicht gehalten, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN), ihn also zu "erhören". Vielmehr verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs nur, deren Darlegungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216).
Solche Umstände gehen aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Denn die Kläger teilen selbst mit, dass das LSG hinsichtlich der Errichtung des Vorsorgefonds keinen unmittelbaren Bezug zur angegriffenen Beitragserhebung in der sPV erkennen konnte (S 51 der Beschwerdebegründung oben); zu einem Vortrag, der nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist (vgl BVerfG Beschluss vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133), müssen jedoch grundsätzlich keine weitergehenden Ausführungen erfolgen. Insoweit ist auch nicht erkennbar, wieso sich das LSG von seinem Rechtsstandpunkt aus zu dem von den Klägern behaupteten Antrag (vgl Beschwerdebegründung S 55), das Bundesversicherungsamt und die Deutsche Bundesbank hinsichtlich der Anlagemodalitäten des Pflegevorsorgefonds zu befragen bzw hilfsweise den Bericht gemäß § 138 SGB XI betreffend die Jahre 2015 bis 2019 beizuziehen, zu weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen.
Im Übrigen ist auch das Beruhen des LSG-Urteils auf der Gehörsverletzung nicht hinreichend dargelegt. Insoweit wäre aufzuzeigen gewesen, dass das LSG bei Gewährung rechtlichen Gehörs (oder weiterer Aufklärung zum Pflegevorsorgefonds) zu einem für die Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Soweit die Kläger eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs 1 GG durch die Finanzierung des Pflegevorsorgefonds aus ihren "Zwangsbeiträgen" (ua wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz, fehlender Transparenz etc) geltend machen, befassen sie sich nicht mit der Klagebefugnis (vgl oben 1a). Sie erläutern auch nicht den konkreten Zusammenhang des angeblich unberücksichtigten Vortrags mit ihrem Klageantrag, "bei der Beitragserhebung zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung - auch hinsichtlich des sogenannten Arbeitgeberanteils - für jedes Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage einen Freibetrag abzuziehen, der sich in der Höhe an den im Einkommenssteuerrecht (§ 32 Abs. 6 Einkommenssteuergesetz) festgelegten Freibeträgen für Kinder orientiert". Die Darlegung, dass das Urteil auf der Gehörsverletzung beruhe, erweise sich "aufgrund der Tatsache, dass die überzeugende Widerlegung der Grundannahme des BSG im Freiburger Vorlagebeschluss jenem die Grundlage entzieht und die Argumentation des BSG unweigerlich vollständig zum Einsturz bringt", reicht insoweit nicht.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14755216 |