Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2015 - B 6 KA 10/15 R - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.
Gründe
I
Der Kläger ist Facharzt für Laboratoriumsmedizin und wendet sich gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung seiner Abrechnung in den Quartalen II/2009 bis IV/2009 betreffend die Kostenpauschale für Versandmaterial, Versandgefäße usw sowie für die Versendung bzw den Transport von Untersuchungsmaterial, Gebührenordnungsposition (GOP) 4100 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen. Klage und Berufung des Klägers waren ebenso erfolglos wie die Revision, die der Senat mit Urteil vom 16.12.2015 zurückgewiesen hat. Gegen das ihm am 14.4.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.4.2016 erhobene Anhörungsrüge des Klägers.
II
Die Anhörungsrüge des Klägers, über die der Senat ohne mündliche Verhandlung und dementsprechend ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter entscheiden kann (§ 12 Abs 1 Satz 2 iVm § 124 Abs 3 SGG; s dazu BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5 RdNr 16 f; BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 6 RdNr 7 f), hat keinen Erfolg, denn sie ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet.
Für die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge ist erforderlich, dass ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die angegriffene Entscheidung nicht gegeben ist (§ 178a Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), dass die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben (§ 178a Abs 2 Satz 1 SGG) und dass eine entscheidungserhebliche Gehörsverletzung dargelegt wird (§ 178a Abs 2 Satz 5 SGG). Die ersten beiden Voraussetzungen sind erfüllt. Anders verhält es sich mit der dritten Voraussetzung. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger mit seinem Vorbringen die Möglichkeit einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) durch das Urteil des Senats vom 16.12.2015 schlüssig dargetan hat. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet.
Art 103 Abs 1 GG verpflichtet ebenso wie § 62 SGG die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl BVerfGE 11, 218 ≪220≫; 72, 119 ≪121≫; 86, 133 ≪145≫; 96, 205 ≪216≫; BVerfGK 10, 41 ≪45≫; stRspr)(vgl BVerfGE 11, 218 ≪220≫; 72, 119 ≪121≫; 86, 133 ≪145≫; 96, 205 ≪216≫; BVerfGK 10, 41 ≪45≫; stRspr)(vgl BVerfGE 11, 218 ≪220≫; 72, 119 ≪121≫; 86, 133 ≪145≫; 96, 205 ≪216≫; BVerfGK 10, 41 ≪45≫; stRspr). Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Fehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben könnten. Dieses Gebot verpflichtet die Gerichte hingegen nicht, der Rechtsansicht eines der Beteiligten zu folgen (vgl BVerfG ≪Kammer≫ vom 4.9.2008 - 2 BvR 2162/07, 2 BvR 2271/07 - BVerfGK 14, 238, 241 f, unter Hinweis auf BVerfGE 64, 1, 12 und BVerfGE 87, 1, 33 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 4; ebenso BVerfG ≪Kammer≫ vom 20.7.2011 - 1 BvR 3269/10 - Juris RdNr 3 am Ende). Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; sie müssen nur das wesentliche, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeiten (stRspr des BVerfG, s zB BVerfG ≪Kammer≫ vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - BVerfGK 13, 303, 304 = Juris, dort RdNr 9 ff mwN; BVerfGK 7, 485, 488).Art 103 Abs 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl BVerfGE 21, 191 ≪194≫; 70, 288 ≪294≫; 96, 205 ≪216≫; stRspr)(vgl BVerfGE 21, 191 ≪194≫; 70, 288 ≪294≫; 96, 205 ≪216≫; stRspr). Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f), zB wenn ein Gericht - ohne entsprechende Beweisaufnahme - das Gegenteil des Vorgebrachten annimmt, den Vortrag eines Beteiligten als nicht existent behandelt (vgl BVerfGE 22, 267, 274) oder wenn es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, es sei denn, der Tatsachenvortrag ist nach der materiellen Rechtsauffassung des Gerichts unerheblich (BVerfGE 86, 133, 146). Nach diesen Maßstäben liegt ein Gehörsverstoß nicht vor.
Der Kläger macht geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei dadurch verletzt worden, dass er keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu Schriftsätzen der in einem Parallelverfahren beigeladenen Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und des GKV-Spitzenverbandes gehabt habe. Diese Schriftsätze waren, da die Streitsachen gemeinsam verhandelt wurden, dem Kläger zur Kenntnis übersandt worden. Bereits der Umstand, dass eine Stellungnahme nicht erwartet wurde, verdeutlicht, dass der Senat den dortigen Ausführungen keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat. Gelegenheit zur Stellungnahme bestand sodann in der mündlichen Verhandlung. Einen Vertagungsantrag hat der Kläger nicht gestellt. Ebenso wenig hat er eine entsprechende Rüge zu Protokoll erklärt. Soweit er geltend macht, entgegen der Mitteilung des Senats sei Tatsachenvortrag aus diesen Schriftsätzen verwertet worden, zeigt er solche Tatsachen nicht auf. Dass der Gesichtspunkt der Mengenausweitung entscheidungserheblich war, ergab sich bereits aus den vorinstanzlichen Entscheidungen, die ebenfalls wesentlich hierauf gestützt wurden. Der Kläger legt nicht dar, zu welchem konkreten neuen Sachvortrag er keine Stellung nehmen konnte. Wenn er es für widersprüchlich hält, dass der Senat einerseits eine vermehrte Abrechnung der GOP 4100 infolge der Direktabrechnung für auf der Hand liegend und andererseits die Gründe hierfür für aufklärungsbedürftig hält, betrifft dies Aktivitäten der die Sitzungsleitung wahrnehmenden stellvertretenden Vorsitzenden vor der mündlichen Verhandlung. Ein Gehörsverstoß wird damit nicht begründet. Der Vortrag des Klägers, die Entscheidung lege nahe, dass die "effektvolle" Behauptung der KÄBV, eine Nachvergütung für Mischfälle würde 260 Millionen Euro kosten, indirekt relevant gewesen sei, ist bereits nicht schlüssig. Der Kläger sieht einen Beleg für eine unbewusste Beeinflussung darin, dass der Senat mit der Sicherung der Wirtschaftlichkeit und Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung argumentiert. Hierzu bedarf es nicht der Feststellung konkreter Größen, solange davon auszugehen ist, dass ein nennenswertes finanzielles Volumen betroffen ist. Zum anderen trägt der Kläger selbst vor, der Senat habe "diese pauschale Floskel" nicht substantiiert, mithin auch nicht an den von der KÄBV genannten Betrag angeknüpft.
Aus dem Umstand, dass der Senat sich nicht ausdrücklich zu jedem Aspekt des Vorbringens des Klägers geäußert hat, kann nicht geschlossen werden, dass er das Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis genommen hat. Er hat sich vielmehr in zulässiger Weise auf die aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Gesichtspunkte beschränkt. Dies gilt sowohl für die vom Kläger geltend gemachten formellen Mängel der Beschlussfassung, zu denen der Senat sich in seinem Urteil unter RdNr 15 und 16 verhalten hat als auch für die vorgebrachten inhaltlichen Aspekte der wirtschaftlichen Leistungserbringung (s RdNr 26 des Urteils) und der fehlenden Steuerungsmöglichkeiten der Laborärzte (s RdNr 22 des Urteils). Auch der Vortrag des Klägers zu Art 12 GG und Art 3 GG ist vom Senat beschieden worden. Dass die Ausführungen in RdNr 27 ff vom Kläger für unzureichend gehalten werden, weil sie seiner Rechtsauffassung widersprechen, begründet einen Gehörsverstoß nicht. Das Vorbringen des Klägers, es werde ihm Sachvortrag unterstellt, ist nicht nachvollziehbar. Dass das Niveau der laborärztlichen Vergütung nach Auffassung des Klägers keine Rolle spielt und Ausführungen dazu aus seiner Sicht neben der Sache liegen, zeigt keinen Gehörsverstoß auf. Der Kläger greift hier, wie auch bei den übrigen von ihm gerügten Gesichtspunkten den Inhalt der Entscheidung an. Hiermit kann eine Anhörungsrüge indes nicht begründet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos eingelegten Rechtsbehelfs (§ 154 Abs 2 VwGO). Die Festsetzung eines gesonderten Streitwerts für das Anhörungsrügeverfahren ist entbehrlich, da als Gerichtsgebühr ein fester Betrag anfällt, der nicht nach dem Streitwert bemessen wird (Nr 7400 des Kostenverzeichnisses - Anlage 1 - zum GKG).
Fundstellen
Dokument-Index HI11536975 |