Verfahrensgang
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 11.01.2018; Aktenzeichen L 1 KR 45/17) |
SG Berlin (Entscheidung vom 11.01.2017; Aktenzeichen S 76 KR 1786/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) unter Einbeziehung einer Einmalzahlung aus einer Kapitallebensversicherung, insbesondere gegen deren Qualifizierung als Leistung der betrieblichen Altersversorgung.
Der 1943 geborene Kläger ist seit 1970 freiwilliges Mitglied der GKV. Sein früherer Arbeitgeber hatte für ihn 1984 einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen, den der Kläger ab 1.4.1990 weitergeführt hatte. Das Lebensversicherungsunternehmen teilte der beklagten Krankenkasse am 15.2.2008 mit, dass zum 1.3.2008 aus einer ehemaligen betrieblichen Altersversorgung ein Betrag iHv 54 147,45 Euro ausgezahlt werde. Die Versicherung sei nur vom 1.12.1984 bis 31.3.1990 als Direktversicherung geführt worden. Wie angekündigt erfolgte am 1.3.2008 die Auszahlung an den Kläger. Die Beklagte legte die Kapitalleistung anteilig der Beitragserhebung zugrunde. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (SG-Urteil vom 26.10.2011; LSG-Urteil vom 31.1.2014). Der Senat verwarf eine gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde als unzulässig (BSG Beschluss vom 19.5.2015 - B 12 KR 20/14 B). Das BVerfG nahm die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an (BVerfG Kammerbeschluss vom 6.3.2017 - 1 BvR 1687/15).
Im August 2016 nahm die Beklagte eine Beitragsneufestsetzung - erneut unter Zugrundelegung der Kapitalleistung - zum 1.7.2016 vor. Klage und Berufung sind wiederum ohne Erfolg geblieben (SG-Gerichtsbescheid vom 11.1.2017; LSG-Urteil vom 11.1.2018). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 11.1.2018 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).
1. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 26.3.2018 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Unter der Überschrift "Fragenkomplex 1" formuliert der Kläger folgende Fragen:
"Ist es wirklich rechtmäßig, dass eine Kapitalleistung aus einer privaten Kapitallebensversicherung nicht nur mit den Kapitalerträgen, sondern mit dem gesamten Zahlbetrag, also einschließlich der darin enthaltenen eingezahlten Sparraten aus Eigenmitteln, auf 10 Jahre verteilt, verbeitragt wird?
Konnte der GKV-Spitzenverband dies ohne gesetzliche Grundlage, ohne Verletzung des Parlamentsvorbehalts und sogar entgegen dem Leitbild der §§ 229, 238a, 240 SGB V regeln?
Konnte er eine Spezialregelung für Versorgungsbezüge auf 'sonstige Einnahmen' ausdehnen, ohne damit die Grenze der ihm eingeräumten Regelungsbefugnis zu überschreiten?
Hätten bei dieser die Vermögenssubstanz aufzehrenden Handhabung nicht wenigstens die Altverträge, die vor dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz abgeschlossen wurden und bereits den Anspruch auf eine Kapitalleistung begründet hatten, im Wege einer Übergangsregelung verschont bleiben müssen?
…
Handelt es sich bei der Auszahlung der Kapitallebensversicherung überhaupt vollumfänglich um 'eine die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmende Einnahme' oder hinsichtlich der eigenen Ansparleistungen vielmehr nur um eine Vermögensumschichtung durch neutrale Umbuchung von dem Lebensversicherungskonto auf das Girokonto?
…
Kann der Kläger, nur weil er schon als angestellter Arzt Mitglied im ärztlichen Versorgungswerk war, wirklich ohne Verstoß gegen Art. 3 GG so erheblich schlechter gestellt werden als ein gesetzlicher Mini-Rentner?
Dürfen - wie bei den anderen Formen der Vermögensbildung - hier nicht auch nur die Kapitalerträge verbeitragt werden?
…
Kann es ohne Verstoß gegen Art. 3 GG sein, dass sich der Kläger bei einer Kündigung seiner Kapitallebensversicherung kurz vor Vertragsablauf hinsichtlich der Beitragsbemessung besser stünde als bei Einhalten der vereinbarten Laufzeit?
…
Kann es sein, dass die Kassen bei einer Kapitallebensversicherung mit betrieblichen Wurzeln besonders zulangen, weil sie davon zuverlässig erfahren?
Gibt es andere sonstige einmalige Einnahmen, die wie der Zahlbetrag bei der Kapitallebensversicherung verbeitragt werden?
…
Wie wird es künftig gehandhabt, wenn Kapitallebensversicherungen nicht länger steuerfrei sind?
Kann es wirklich ohne Gesetz und ohne Verstoß gegen Art. 2, 3, 14, 20 GG sein, dass beim Kläger, wenn er als freiwilliges Mitglied anders als der gesetzliche Rentner ohnehin schon keinen 50%-igen Zuschuss aus Steuermitteln bekommt und überhaupt schon außer seiner Versorgung sonstige Einnahmen verbeitragen muß, sogar seine Vermögenssubstanz in Form seiner Ersparnisse durch die Verbeitragung über 10 Jahre angegriffen wird?"
Unter der Überschrift "Frage 2" fragt der Kläger,
"mit welchem Beitragssatz die Versorgungsbezüge des Klägers aus der ärztlichen Versorgung und aus der Direktversicherung von der Krankenkasse verbeitragt werden dürfen".
Eine Klärung der aufgeworfenen Fragen würde dem Rechtsfrieden sowie der Einheit des Rechts dienen und die Gerichte entlasten oder den Gesetzgeber zu einer Gesetzesreform veranlassen. Es begegne verfassungsrechtlichen Zweifeln, wenn Fälle der Auszahlung einer Kapitallebensversicherung, die keine Versorgung darstellen würden, von den Kassen und den Gerichten noch immer wie Versorgungen verbeitragt würden. Ungleiches dürfe nicht gleich behandelt werden. Es sei auch verfassungsrechtlich zweifelhaft, wenn der unbestimmte Rechtsbegriff der "wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit", die nach § 240 Abs 1 S 2 SGB V bei der Beitragsbelastung berücksichtigt werden müsse, ohne konkretisierende Bestimmungen durch das Parlament von den Kassen und Gerichten so weit ausgelegt würde, dass auch Vermögensbestandteile und Ersparnisse darunter fielen. Es bestünden "ernste Zweifel an der Rechtslage". Zwar habe das BSG (Hinweis auf BSG Urteil vom 27.1.2010 - B 12 KR 28/08 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 13) zur damaligen Satzung einer Krankenkasse deren generalklauselartige Bestimmungen für ausreichend erachtet, um die Kapitalzahlung aus einer privaten Versicherung mit einem monatlichen Betrag von 1/120 des Gesamtbetrages der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Dies sei aber nur apodiktisch - ohne jede Begründung und Auseinandersetzung mit Gegenargumenten - unter Verweis auf ständige Rechtsprechung erfolgt. Nun müsse aber das BSG "endlich Farbe bekennen" und seine Rechtsprechung im Lichte der grundlegenden Entscheidung des BVerfG vom 28.9.2010 (BVerfG Kammerbeschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11) überprüfen und ggf korrigieren. Hierdurch sei die ständige Rechtsprechung des BSG "überholt, Makulatur".
a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht erfüllt, weil der Kläger keine abstraktgenerelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
b) Jedenfalls legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der von ihm in den Raum gestellten Fragen nicht hinreichend dar. Er setzt sich nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen (vgl BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 5; BSG Urteil vom 25.4.2007 - B 12 KR 25/05 R - Juris; BSG Urteil vom 12.12.2007 - B 12 KR 6/06 R - Juris; BSG Urteil vom 25.4.2012 - SozR 4-2500 § 229 Nr 16) auseinander. Insbesondere berücksichtigt er nicht, dass das BSG bereits konkret zur Heranziehung von Lebensversicherungsverträgen, die vor 2004 abgeschlossen wurden, mehrere Entscheidungen getroffen hat (vgl zB BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 12 KR 5/06 R - SozR 4-2400 § 229 Nr 4 RdNr 14; BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 10/08 R - SozR 4-2400 § 229 Nr 6 RdNr 18 mwN). Die beitragsrechtliche Berücksichtigung von laufenden Versorgungsbezügen - auch aus Direktversicherungen - als solche verstößt nicht gegen das GG (stRspr des BSG und des BVerfG, vgl zB BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 22 mwN). Ebenso wenig bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung von Versorgungsbezügen in der Form einer nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistung. Das BVerfG hat die in der Rechtsprechung des BSG entwickelte institutionelle Unterscheidung grundsätzlich gebilligt (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10) und nur für Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat, eine Ausnahme gemacht (BVerfG Kammerbeschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15). Dieser Entscheidung hat das BSG in seiner Rechtsprechung bereits Rechnung getragen (BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12). Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, inwieweit der vorliegende Sachverhalt (erneut) klärungsbedürftige Rechtsfragen aufwirft. Im Kern rügt der Kläger eine vermeintliche materiell-rechtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie dargelegt - nicht gestützt werden.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11903156 |