Verfahrensgang
SG Speyer (Entscheidung vom 30.11.2017; Aktenzeichen S 17 KR 377/17) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20.02.2020; Aktenzeichen L 5 KR 22/18) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Februar 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und eine Rechtsanwältin beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger begehrt die Anerkennung eines von ihm entwickelten "Selbstmanagement seines Diabetes Typ 2" als Bestandteil seiner Therapie und die Übernahme der Kosten für das Training an Geräten nach seinem Therapiekonzept. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.11.2017). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 20.2.2020).
Der Kläger hat Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde unter Beiordnung einer Rechtsanwältin gestellt.
II
Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall. Aus diesem Grund kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Betracht (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Dagegen ist die bloße Behauptung der Unrichtigkeit einer Berufungsentscheidung kein Revisionszulassungsgrund.
Die Durchsicht der Akten und das Vorbringen des Klägers in seinen beim BSG eingegangenen Schreiben vom 22.2., 12.3. und 12.6.2020 (nebst Anlagen) haben keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der oben genannten Revisionszulassungsgründe ergeben.
1. Es ist nicht ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben könnte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich eine nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantwortende Rechtsfrage stellen würde, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 f mwN).
Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht erkennbar. Das LSG hat seine Entscheidung im Ergebnis auf die fehlende Zertifizierung des vom Kläger selbst entwickelten Therapiekonzepts gestützt. Grundsätzliche Fragen dazu sind nicht ersichtlich. Die Zertifizierung ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 20 Abs 5 Satz 1 SGB V Voraussetzung dafür, dass Versicherte die Leistung beanspruchen können, und ergibt sich damit ohne Weiteres aus dem Gesetz. Auch der Kläger selbst beruft sich im Übrigen nicht auf das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung. Auch soweit das LSG einen Anspruch nach § 13 Abs 3a SGB V verneint hat, ergeben sich nach der grundlegenden Entscheidung des Senats vom 26.5.2020 (B 1 KR 9/18 R) keine Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Bedeutung.
2. Es ist überdies nicht ersichtlich, dass das Urteil des LSG von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichen könnte und darauf beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Sofern der Kläger ua auf die Entscheidungen des BSG vom 17.6.2008 - B 1 KR 31/07 R -, 2.11.2010 - B 1 KR 8/10 R -, 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R sowie 7.11.2017 - B 1 KR 15/17 R und B 1 KR 24/17 R - verweist, sind entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in dem Urteil des LSG und dem darin in Bezug genommenen Urteil des SG, die von denjenigen in den genannten Entscheidungen des BSG abweichen, nicht erkennbar.
3. Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Danach ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a) Der Kläger beruft sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht stützt, muss ua darlegen, wieso das LSG sich nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl BSG vom 8.5.2018 - B 1 KR 3/18 B - juris RdNr 7 mwN). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Die von dem Kläger (in den Schriftsätzen vom 28.8.2017, 28.3.2018, 2.7.2018, 20.11.2018, 28.12.2018, 29.4.2019, 28.9.2019 und 4.2.2020) gestellten Beweisanträge beziehen sich auf den Nachweis der "Funktionsfähigkeit" bzw die Effektivität des von ihm entwickelten Trainingskonzepts und die ärztliche Überwachung des Probetrainings. Darauf kam es aber nach der Entscheidung des LSG nicht an. Entscheidend für die Verneinung der Ansprüche auf Anerkennung des Trainingskonzepts und auf Übernahme der Kosten für das Training an Geräten war, dass eine Zertifizierung nach den Kriterien des Leitfadens Prävention des GKV-Spitzenverbandes nicht vorlag.
b) Soweit der Kläger seine Beweisanträge ausdrücklich auf § 109 SGG gestützt hat, rechtfertigt eine Verletzung dieser Vorschrift nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Zulassung der Revision von vornherein nicht (vgl dazu BSG vom 21.1.2020 - B 13 R 190/19 B - juris RdNr 7 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit vgl BVerfG vom 12.4.1989 - 1 BvR 1425/88 - SozR 1500 § 160 Nr 69 S 76 = juris RdNr 4).
c) Auch für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG liegen keine Anhaltspunkte vor. Das Gebot der Wahrung des rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht regelmäßig nur dazu, die Ausführungen von Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Es beinhaltet indes keinen Anspruch auf Übernahme des von einem Beteiligten vertretenen Rechtsstandpunkts (vgl BSG vom 31.8.2012 - B 1 KR 32/12 B - RdNr 7 mwN; BSG vom 29.5.2018 - B 1 KR 99/17 B - juris RdNr 6). Wer die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, muss daher ausführen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen oder in seine Erwägungen einbezogen hat, welches Vorbringen des Rechtsuchenden dadurch verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruht (vgl BSG vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - juris RdNr 6 mwN; BSG vom 29.5.2018 - B 1 KR 99/17 B - juris RdNr 6).
Dass der Kläger eine entsprechende Rüge geltend machen kann, ergibt sich vorliegend nicht. Welchen entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers das LSG vorliegend nicht zur Kenntnis genommen oder in seine Erwägung gezogen haben sollte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere auf das umfangreiche Vorbringen des Klägers zur Funktionsweise und Effektivität des "Selbstmanagements seines Diabetes Typ 2" kam es für die Entscheidung des LSG nicht an (vgl oben a). Dasselbe gilt auch für seine aktuelle soziale und gesundheitliche Situation, seine sportliche Vergangenheit und seine individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie für die Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 1.1.2011.
d) Eine Verletzung der Vorschrift des § 123 SGG, wonach das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein, ist ebenfalls nicht ersichtlich (zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen vgl BSG vom 21.4.2020 - B 1 KR 73/19 B - juris RdNr 9). Das LSG ist davon ausgegangen, dass es dem Kläger um die Anerkennung des von ihm entwickelten "Selbstmanagement seines Diabetes Typ 2" als Präventionsmaßnahme und um die Übernahme der Kosten hierfür bzw für das "Training an technischen Geräten" geht. Das entspricht letztlich auch dem vom LSG wörtlich wiedergegebenen Klageantrag des Klägers. Ein Verstoß gegen § 123 SGG ist insofern nicht erkennbar.
e) Soweit der Kläger eine überlange Dauer des Berufungsverfahrens moniert, kann eine darauf gestützte Rüge zumindest seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 (BGBl I 2302) eine Revisionszulassung von vornherein nicht rechtfertigen (vgl BSG vom 21.5.2013 - B 14 AS 315/12 B - juris RdNr 6; BSG vom 12.3.2020 - B 2 U 1/20 BH - juris RdNr 5; BVerwG vom 26.11.2014 - 3 B 23/14 - juris RdNr 10).
f) Die unterlassene "Verbindung der Beweisanträge" der Verfahren L 4 SO 104/18 und L 5 KR 22/18 scheidet als - mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügbarer - Verfahrensmangel ebenfalls von vornherein aus. Die Entscheidung über eine Verbindung oder Trennung gemäß § 113 SGG kann nur dann als Verfahrensmangel gerügt werden, wenn sie willkürlich erfolgte und weitere Voraussetzungen erfüllt sind (vgl BSG vom 25.2.2010 - B 11 AL 114/09 B - juris RdNr 4 mwN). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Das LSG hat seine Entscheidung über die Verbindung der genannten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung nachvollziehbar begründet. Die vom Kläger gewünschte Verbindung (nur) der Beweisanträge ist bereits gesetzlich nicht vorgesehen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 113 RdNr. 2c).
g) Auch mit der Begründung, das LSG habe den PKH-Antrag des Klägers zu Unrecht abgelehnt, lässt sich eine Nichtzulassungsbeschwerde voraussichtlich nicht erfolgreich begründen. Grundsätzlich ist eine Rüge, die sich gegen unanfechtbare Vorentscheidungen wie hier die Ablehnung von PKH (vgl § 177 SGG) richtet, ausgeschlossen (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Daher kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensmangel nicht die rechtswidrige Ablehnung von PKH als solche geltend gemacht werden, sondern nur eine Ablehnung, die verfassungsrechtlich fundierte prozessuale Gewährleistungen verletzt, weil sie auf Willkür beruht und damit gegen Art 3 Abs 1 GG und das Gebot der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten verstößt (BSG vom 27.1.2020 - B 5 RE 3/19 B - juris RdNr 15 mwN). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.
4. Im Ergebnis wendet der Kläger gegen die Entscheidung des LSG letztlich nur deren materiellrechtliche Unrichtigkeit ein. Die Behauptung, die angefochtene Entscheidung sei inhaltlich unrichtig, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
Fundstellen
Dokument-Index HI14069894 |