Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 07.02.2020; Aktenzeichen S 2 BA 31/19) |
Bayerisches LSG (Urteil vom 14.03.2023; Aktenzeichen L 16 BA 41/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. März 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um den sozialversicherungsrechtlichen Status der Klägerin in ihrer Tätigkeit als mitarbeitende Kommanditistin der zu 1. beigeladenen GmbH & Co KG (im Folgenden: Beigeladene) seit 15.7.2017.
Die Klägerin ist eine von drei Kommanditisten der Beigeladenen. Sie und ihre Schwester sind mit einer Einlage von je 50 000 Euro und ein weiterer Kommanditist ist mit 100 000 Euro beteiligt. Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Die Komplementär-GmbH (im Folgenden: GmbH) verfügt über kein Stimmrecht. Mit Gesellschafterbeschluss vom 9.7.2019 wurde beschlossen, dass die Klägerin und ihre Schwester nur einheitlich abstimmen könnten und die nicht einheitliche Stimmabgabe als Nein-Stimme gelte.
Die Klägerin ist außerdem seit 15.7.2017 eine von zwei Geschäftsführern der GmbH, an deren Stammkapital von 25 000 Euro sie und ihre Schwester zu je ein Viertel sowie der weitere Kommanditist der Beigeladenen und Geschäftsführer der GmbH zur Hälfte beteiligt sind. Auch der Gesellschaftsvertrag der GmbH sieht vor, dass die Klägerin und ihre Schwester ihre Stimmen in der Gesellschafterversammlung nur einheitlich abgeben können. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst.
Auf Antrag der Klägerin stellte die Beklagte deren Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung fest. In der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bestehe aufgrund des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze keine Versicherungspflicht (Bescheid vom 13.7.2018, Widerspruchsbescheid vom 28.2.2019).
Klage (Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 7.2.2020) und Berufung sind erfolglos geblieben. Ausgangspunkt der Beurteilung sei der Anstellungsvertrag der Klägerin, der zahlreiche arbeitnehmertypische Regelungen enthalte. Ein wesentliches Unternehmensrisiko trage sie nicht. Die Bewertung ihrer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung ändere sich durch die Rechtsmachtverhältnisse in der GmbH oder in der KG nicht. Sie habe weder wesentlichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik noch sei ihr eine echte, qualifizierte Sperrminorität eingeräumt. Weder habe sie in der KG die Stellung einer geschäftsführenden Kommanditistin noch vermittle ihr die Stellung als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der GmbH die Rechtsmacht, die Geschicke der Beigeladenen zu lenken. Sie sei mit einem Kapitalanteil von 25 % nur Minderheitsgesellschafterin der GmbH. Auch der Gesellschafterbeschluss vom 9.7.2019 vermittele ihr nicht die notwendige Rechtsmacht. Die Klägerin habe gegenüber ihrer Schwester keine Stimmführerschaft, sodass sie sich vor der Stimmabgabe zunächst mit dieser auseinandersetzen müsse und von deren Stimmverhalten abhängig sei (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14.3.2023).
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat den geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend bezeichnet.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn die Beschwerdeführerin diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
Die Klägerin rügt das Fehlen von Entscheidungsgründen, weil das LSG nicht begründet habe, wie genau ihre Rechtsmacht beschaffen sein müsse, um maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschafterbeschlüsse der Beigeladenen nehmen zu können. Es sei letztlich nicht hinreichend deutlich geworden, ob die Klägerin ihr nicht genehme Gesellschafterbeschlüsse verhindern können müsse oder die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht ihr erlauben müsse, Gesellschafterbeschlüsse herbeizuführen. Das LSG habe in diesem Zusammenhang die Besonderheiten der Gesellschaftsverträge der KG und der GmbH nicht hinreichend beachtet. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie das LSG zu der Ansicht gelangt sei, dass trotz des Gesellschafterbeschlusses vom 9.7.2019 keine Sperrminorität bestehe. Sie könne Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung der KG und letztlich auch der GmbH verhindern und daher nicht überstimmt werden, selbst wenn ihre Schwester uneinheitlich abstimme. Damit hätte sich das LSG auseinandersetzen müssen. Für diesen Fall wäre es zu dem Ergebnis gelangt, dass sie über eine umfassende Sperrminorität verfüge und jedenfalls seit 9.7.2019 selbstständig tätig sei. Mit diesem Vortrag hat sie einen Verstoß gegen die aus § 128 Abs 1 Satz 2 iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG folgende Begründungspflicht nicht ausreichend bezeichnet.
Nach § 128 Abs 1 Satz 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das bedeutet, aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG Beschluss vom 1.8.1984 - 1 BvR 1387/83 - SozR 1500 § 62 Nr 16 S 14; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung zu nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurzgefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat. Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (BSG Beschluss vom 13.4.2015 - B 12 KR 109/13 B - juris RdNr 19 mwN).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze legt die Klägerin mit ihrem Vorbringen keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht, sondern lediglich eine vom LSG abweichende Rechtsmeinung dar. Sie beanstandet die Annahme des LSG, dass keine qualifizierte Sperrminorität und deshalb auch keine die Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht bestehe. Im Kern rügt sie damit die Unrichtigkeit des Subsumtionsergebnisses des LSG unter § 7 SGB IV. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16180450 |