Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Mai 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger, der sich dagegen wendet, nicht direkt einen zuständigen Sachbearbeiter telefonisch erreichen zu können, sondern nur Call-Center-Mitarbeiter, ist mit seinem Begehren auf Herausgabe der Telefon-Durchwahlnummern der für ihn zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten beim SG erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid vom 21.8.2017). Im Berufungsverfahren hat er sein Begehren umgestellt und beantragt festzustellen, dass die Beklagte sich zu Unrecht geweigert habe, Telefonnummern der für ihn zuständigen Sachbearbeiter herauszugeben. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und unter Bezugnahme auch auf die Gründe des Gerichtsbescheids ausgeführt, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei unzulässig, weil schon die ursprüngliche Klage unzulässig gewesen sei, soweit der Kläger einen Anspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) herleite. Denn es fehle an einem nach dem hier allein in Betracht kommenden IFG erforderlichen Antrag und einem sich anschließenden Verwaltungsverfahren (Urteil vom 2.5.2019).
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG; dazu 1.) und des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG; dazu 2.).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Der Kläger formuliert die Rechtsfrage,
"ob gemäß § 15 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 15 Abs. 2 SGB I ein Auskunftssuchender gegen den Träger seiner gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Mitteilung der Durchwahltelefonnummer seiner Sachbearbeiter hat."
Er legt die Klärungsfähigkeit dieser Frage nicht dar. In Bezug auf die Klärungsfähigkeit wäre darzustellen gewesen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8).
Der Kläger behauptet lediglich, dass es auf die Beantwortung der von ihm formulierten Rechtsfrage für die Entscheidung dieses Rechtsstreits ankomme, ohne dies näher zu begründen. Dazu hätte aber vor allem deshalb Anlass bestanden, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben schon seit Anfang 2015 nicht mehr Mitglied der Beklagten ist und das LSG die von ihm erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage zumindest auch als unzulässig angesehen hat. Insofern hätte für den Kläger besondere Veranlassung bestanden, die Klärungsfähigkeit der formulierten Rechtsfrage zu erläutern. Denn eine aufgeworfene materiell-rechtliche Frage ist nicht klärungsfähig, wenn das Revisionsgericht an einer inhaltlichen Entscheidung prozessrechtlich gehindert wäre, zB wegen bereits anzunehmender Unzulässigkeit der Klage oder der Berufung (vgl BSG vom 17.2.2020 - B 1 KR 21/19 B - juris RdNr 8; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14i mwN). Wird dennoch das Begehren auf Zulassung der Revision auf materielle Rechtsfragen gestützt, erfordert die Zulässigkeit der Beschwerde zunächst die schlüssige Darlegung, dass die Klage entgegen der Ansicht des LSG zulässig war, und darüber hinaus einen substantiierten Vortrag, weshalb das Revisionsgericht sich nicht nur auf die Prüfung der Zulässigkeit der Klage zu beschränken, sondern auch über die als grundsätzlich bezeichneten materiell-rechtlichen Fragen zu entscheiden habe (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16; BSG vom 17.2.2020 - B 1 KR 21/19 B - juris RdNr 8). Nähere Ausführungen hierzu sind der Beschwerdebegründung nur dem Vorbringen im Zusammenhang mit der Verfahrensrüge zu entnehmen.
Soweit der Kläger dort geltend macht, Wiederholungsgefahr drohe deshalb, weil er parallel noch die Korrektur des Krankengeld-Status verfolge, legt er nicht dar, in welchem Stadium sich dieses Verfahren befindet, dh ob insofern noch ein Verwaltungsverfahren offen oder konkret absehbar ist, oder ob nur noch ein Klage- oder Rechtsmittelverfahren anhängig ist, bei dem die Kommunikation über das Gericht erfolgt (vgl im Übrigen zum Zeitpunkt der Beendigung des Verwaltungsverfahrens bei nachfolgendem Widerspruchs- und Klageverfahren Neumann in Hauck/Noftz, SGB X, Stand September 2015, K § 8 RdNr 38 ff mwN).
Soweit die Schriftsätze des Klägers vom 7.10.2020 und 2.11.2020 weitere Ausführungen zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse enthalten, sind diese nach Ablauf der bis zum 15.7.2020 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist (§ 160a Abs 2 Satz 1 und 2 SGG) eingegangen und deshalb grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl BSG vom 26.6.2006 - B 1 KR 19/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG vom 13.8.2018 - B 13 R 393/17 B - juris RdNr 21; BSG vom 19.9.2019 - B 9 SB 63/19 B - RdNr 2; Voelzke in jurisPK-SGG, 2017, § 160a SGG RdNr 67). Im Übrigen findet sich auch dort keine Antwort auf die Frage, ob zwischen den Beteiligten noch ein Verwaltungsverfahren im vorprozessualen Stadium offen ist. Sofern der Kläger in dem Schriftsatz vom 7.10.2020 ein besonderes Feststellungsinteresse erstmals mit Blick auf das Verhältnis zu seiner derzeitigen Krankenkasse zu begründen versucht, legt er weder dar, inwiefern die Herausgabe von Telefonnummern der Sachbearbeiter hier ebenfalls streitig ist und von der neuen Krankenkasse abgelehnt wird, noch woraus sich eine Bindungswirkung in diesem Verfahren gegenüber der neuen Krankenkasse ergeben soll.
2. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG sind die Umstände zu bezeichnen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Für die Darlegung der hier allein gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör iS von § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG müssen dabei im Einzelfall besondere Umstände deutlich gemacht werden, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr; vgl zB BVerfG vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293, 295 f = SozR 1100 Art 103 Nr 5; BSG vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B - juris RdNr 18). Das Gebot der Wahrung des rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht regelmäßig nur dazu, die Ausführungen von Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Ein Gericht muss sich dagegen nicht ausdrücklich mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen, wenn sich aus der Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass es das Vorbringen auch ohne explizite Erwähnung für unerheblich gehalten hat (vgl BSG vom 12.12.2011 - B 13 R 411/10 B - juris RdNr 22; BSG vom 14.7.2017 - B 1 KR 95/16 B - juris RdNr 6).
Der Kläger rügt, das LSG habe seine Hinweise auf die von ihm in dem Schriftsatz vom 17.1.2018 angeführten Kommentierungen zu §§ 14 und 15 SGB I übergangen. Aus dem Beschwerdevorbringen erschließt sich nicht, dass das LSG wesentliches Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis genommen oder in seine rechtlichen Erwägungen einbezogen habe. Der Kläger setzt sich nicht damit auseinander, dass das LSG auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen hat, wonach es außerhalb des IFG keine einfachrechtliche Rechtsgrundlage für die Herausgabe der Telefonnummern der Sachbearbeiter gebe. Inwiefern sich aus den von ihm angeführten Kommentierungen zu § 14 oder § 15 SGB I mit hinreichender Deutlichkeit gewichtige Argumente für einen Anspruch auf Herausgabe der Telefon-Durchwahlnummern der für ihn zuständigen Sachbearbeiter seiner Krankenkasse ergeben könnten und sich deshalb das LSG hiermit näher hätte auseinandersetzen müssen, legt der Kläger auch nicht dadurch hinreichend dar, dass er Kommentarmeinungen zu § 15 SGB I wiedergibt, die sich zu der konkreten Frage nicht äußern, ob Versicherte sich bei der telefonischen Kontaktaufnahme auf Call-Center-Mitarbeiter verweisen lassen müssen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14351487 |