Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 25.05.2000) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Mai 2000 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin macht die Bemessung ihres Arbeitslosengeldes (Alg) nach der Leistungsgruppe A (Steuerklasse IV) anstelle der Leistungsgruppe D (Steuerklasse V) geltend.
Bis zum 31. Dezember 1996 war die Klägerin mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 3.541,50 DM beschäftigt. Ihr Ehemann erzielte ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 7.995,68 DM. Am 1. Januar 1997 war auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin die Steuerklasse V eingetragen. Nachdem ab 1. Februar 1997 – wie zuvor bis 1996 – in der Lohnsteuerkarte der Kläger wiederum die Lohnsteuerklasse IV eingetragen war, machte die Klägerin ab 1. Februar 1997 die Bemessung ihres Alg nach der Leistungsgruppe A geltend. Das Sozialgericht (SG) hat die beklagte Bundesanstalt (BA) entsprechend verurteilt. Es hat den Steuerklassenwechsel zum 1. Februar 1997 für sinnvoll erachtet, obwohl er für die Eheleute nicht zu dem monatlich geringsten Steuerabzug führe. Die Klägerin habe eine etwaige Steuernachzahlung bei der Jahresabrechnung für den Steuerklassenwechsel berücksichtigen dürfen. Auf die Berufung der BA hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage mit Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 3-4100 § 113 Nr 1) abgewiesen. Der Steuerklassenwechsel entspreche nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte der Eheleute. Die Jahresbetrachtung sei insoweit ohne rechtlichen Belang. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Mit der Beschwerde macht die Klägerin die Zulassungsgründe grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels geltend. Klärungsbedürftig und klärungsfähig sei die Frage, ob nach dem Gesetzeszweck des § 113 Abs 2 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), dem jetzt § 137 Abs 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) entspreche, die Erheblichkeit eines Steuerklassenwechsels allein nach den jeweiligen Steuertabellen zu beurteilen oder auch eine Jahresberechnung heranzuziehen sei. Außerdem sei die Tragweite des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu klären, weil das Arbeitsamt die Klägerin nicht über die Auswirkungen eines Steuerklassenwechsels, insbesondere über das entscheidungserhebliche Datum des 1. Januar jeden Jahres, beraten habe. Ein Verfahrensmangel ergäbe sich aus der Verletzung des § 106 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Hätte der Vorsitzende darauf hingewiesen, daß nach dem Vorbringen der Klägerin ein Beratungsmangel nicht plausibel sei, hätte die Klägerin vorgetragen, daß sie trotz ausdrücklichen Auskunftsersuchens von der Beklagten nicht darauf hingewiesen worden sei, für die Höhe des Alg sei die zu Beginn des Jahres eingetragene Lohnsteuerklasse maßgeblich und ein Steuerklassenwechsel sei nur im Rahmen des § 113 Abs 2 Satz 2 AFG zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde ist nicht zulässig, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargelegt bzw bezeichnet.
1. Zutreffend geht die Beschwerdebegründung davon aus, daß die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache von der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage im Allgemeininteresse abhängig ist. Mit dem Hinweis auf die Jahresabrechnung gelingt es ihr nicht, das Verständnis des § 113 Abs 2 Satz 2 AFG (jetzt: § 137 Abs 4 Nr 1 SGB III) ernsthaft in Frage zu stellen. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerklassenwechsel während eines Kalenderjahres für die Bemessung des Alg nicht maßgebend, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprechen. Bei einem derart klaren Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Regelung stellt sich eine Rechtsfrage nicht ernstlich, weil die Antwort darauf praktisch außer Zweifel steht. Jedenfalls läßt sich die Klärungsbedürftigkeit einer solchen Frage nicht darlegen (BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4). Die Ausführungen der Beschwerde zur Jahresabrechnung über die Steuern und das Ziel, eine Steuernachzahlung zu vermeiden, sind nicht geeignet, eine klärungsbedürftige Rechtsfrage darzulegen. Dabei kann dahinstehen, ob ein Lohnsteuerabzug nach den Lohnsteuerklassen III bzw V bei der Jahresabrechnung tatsächlich zu einer Steuernachzahlung führen würde. Für die Wahl der Steuerklassen kommt es nach § 113 AFG und der vom LSG zutreffend herangezogenen Rechtsprechung des BSG allein auf den geringstmöglichen Lohnsteuerabzug, nicht aber auf das Ergebnis einer gemeinsamen Veranlagung der Eheleute an. Auch mit dem Zweck der Vorschrift – und der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG – setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.
2. Das gleiche gilt für die durch eine Entscheidung des BSG in diesem Falle angeblich klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs. Der Beschwerdebegründung läßt sich nicht entnehmen, welche Voraussetzung dieses Anspruchs durch eine Entscheidung des BSG in diesem Rechtsstreit geklärt werden soll. Nach ihrem vom LSG mitgeteilten eigenen Vorbringen ist die Klägerin im Arbeitsamt bei einem Gespräch im September/Oktober 1996 auf die Abhängigkeit der Höhe des Alg von der Steuerklasse hingewiesen worden. Die Klägerin hatte damit die Möglichkeit, diesen Umstand bei der Wahl der Steuerklasse für die Lohnsteuerkarten 1997 zu berücksichtigen. Bei Leistungsbeginn – wie im Falle der Klägerin – am 1. Januar, ist nicht verständlich, inwiefern die BA Anlaß gehabt haben sollte, die Klägerin auf das „entscheidungserhebliche Datum des 1. Januar” gesondert hinzuweisen. Bei dem Verhältnis des Arbeitsentgelts der Klägerin und ihres Ehemannes war die Wahl der Lohnsteuerklassen III und V geeignet, das um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Arbeitsentgelt (§ 111 Abs 1 AFG) festzustellen. Ausdrücklich hat das BSG hervorgehoben, mit Hilfe des Herstellungsanspruchs sei ein – hier noch nicht einmal feststellbares – Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers nur zu berichtigen, wenn eine solche Korrektur mit dem jeweiligen Gesetzeszweck im Einklang steht (BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4). Eine solche Zweckverfehlung wäre aber zu besorgen, wenn trotz des Verhältnisses der Arbeitsentgelte der Eheleute das Alg der Klägerin nach der Leistungsgruppe A (Steuerklasse IV), statt der Leistungsgruppe D (Steuerklasse V) zu bemessen wäre.
3. Unter diesen Umständen ist auch ein Verstoß gegen die Hinweispflicht des LSG nach § 106 Abs 1 SGG nicht bezeichnet. Ein solcher Verfahrensmangel läßt sich bei der angedeuteten Rechtslage auch nicht bezeichnen, weil auch bei dem von der Klägerin beabsichtigten Sachvortrag ein Herstellungsanspruch nicht begründet wäre. Da ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt, ist die Beschwerde entsprechend § 169 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen