Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von Zuzahlungspflichten. Gleichheitsgrundsatz. Prozesskostenhilfe. Mangelnde Erfolgsaussicht. Belastungsgrenze
Leitsatz (redaktionell)
Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde wird nicht gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist auch dann der Fall, wenn klar auf der Hand liegt, dass der Antragsteller letztlich nicht dasjenige erreichen kann, was er mit dem Prozess anstrebt. Decken sich die Entscheidungsgründe des LSG zu Zuzahlungen nach § 61 SGB V mit höchstrichterlicher Rechtsprechung, wird der Antragsteller in einem Revisionsverfahren aller Voraussicht nach nicht obsiegen, Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, sämtliche mit der Zuzahlungspflicht verbundenen Belastungen vollständig auszugleichen.
Normenkette
SGG § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 114 S. 1; SGB V §§ 61-62
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Kläger, ihnen für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. April 2003 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Tatbestand
I
Das bei der Beklagten krankenversicherte klagende Ehepaar begehrt – bisher erfolglos – die Befreiung von Zuzahlungspflichten nach § 61 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Zeit ab 2001. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Kläger gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen: Ihre zusammenzurechnenden monatlichen Einnahmen lägen 2001, 2002 und 2003 jeweils oberhalb des Grenzwertes von 55 vH der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch. Während diese Grenze zB für 2003 1.309 EUR betrage, ergäben sich bei den Klägern (bis Ende Juni) 1.414,26 EUR an berücksichtigungsfähigen monatlichen Einnahmen zum Lebensunterhalt. Der dadurch bedingte Ausschluss von der Befreiung sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht verfassungswidrig. Eigenbeteiligungen seien ua bewusste Hemmschwellen gegen die unbedachte Inanspruchnahme von Leistungen und trügen zur Sicherung der finanziellen Grundlagen der Krankenversicherung bei. Die haushaltsbezogene Betrachtungsweise verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Den chronischen Leiden beider Ehepartner werde durch §§ 61, 62 SGB V hinreichend Rechnung getragen, zumal die Belastungsgrenze des § 62 Abs 1 Satz 2 SGB V nur 2 vH der um 15 vH der Bezugsgröße zu vermindernden Haushaltsbruttoeinnahmen betrage. Für chronisch Kranke werde zudem seit 1999 schon bei einer im Vorjahr überschrittenen 1 vH-Grenze vollständige Befreiung für die weitere Dauerbehandlung gewährt; über diesen Anspruch habe die Beklagte allerdings noch nicht entschieden, was im Berufungsverfahren nicht nachgeholt werden könne (Urteil vom 15. April 2003).
Entscheidungsgründe
II
Der nunmehr gestellte Antrag der Kläger, ihnen Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren, muss ohne Erfolg bleiben.
Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe setzt nach § 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung neben der Bedürftigkeit des Antragstellers voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Erfolgsaussicht ist bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht nur danach zu beurteilen, ob die Beschwerde Erfolgsaussicht hat. Vielmehr ist Prozesskostenhilfe auch dann zu versagen, wenn klar auf der Hand liegt, dass der Antragsteller letztlich nicht dasjenige erreichen kann, was er mit dem Prozess in der Hauptsache anstrebt; denn Prozesskostenhilfe soll es einem Bedürftigen nicht ermöglichen, Verfahren durchzuführen, welche im Ergebnis nicht zu seinen Gunsten ausgehen können, die also ein verständiger Rechtsuchender nicht auch auf eigene Kosten führen würde (vgl BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr 1 S 2 mwN). So verhält es sich hier.
Die Kläger könnten in einem Revisionsverfahren aller Voraussicht nach nicht obsiegen, weil das angefochtene Urteil des LSG bei summarischer Prüfung unter Einbeziehung des klägerischen Vorbringens Rechtsfehler nicht erkennen lässt. Dass dem LSG in seinem in den Entscheidungsgründen dargelegten Rechenwerk Fehler unterlaufen wären, ist nicht ersichtlich und machen auch die Kläger nicht geltend. Die Grundsätze, von denen das LSG bei seiner Annahme ausgegangen ist, die rechtliche Ausgestaltung des § 61 SGB V verstoße nicht gegen das Grundgesetz, decken sich zudem mit bereits ergangener, vom LSG zitierter höchstrichterlicher Rechtsprechung. Auch wenn die Kläger – wie sie geltend machen – angesichts ihrer Leiden und ihrer notwendigen Ausgaben für den Lebensunterhalt mit Aufwendungen für Zuzahlungen zu medizinisch notwendigen Leistungen nicht unerheblich belastet sind, lässt sich aus ihrer individuellen Lage nicht folgern, dass § 61 SGB V deshalb als grundgesetzwidrig angesehen werden müsste. Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass das mit den Zuzahlungsregelungen verbundene Motiv, das Verhalten der Versicherten beim Zugriff auf die gesetzlichen Leistungen steuern zu wollen (vgl Regierungsentwurf zum GRG, Bundestags-Drucks 11/2237 S 149 unter b), vom weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt ist; er ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, sämtliche mit der Zuzahlungspflicht verbundenen Belastungen vollständig auszugleichen (vgl zB schon BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 3 S 17 ff, Nr 5 S 23, Nr 7 S 33 ff, Nr 8 S 41 ff sowie SozR 3-2500 § 62 Nr 1 S 5 ff). Schließlich hat das LSG aufgezeigt, dass die Rechte der Kläger mit Rücksicht auf eine mögliche Kostenbegrenzung bzw -befreiung nach § 62 SGB V, über welche die Beklagte erst noch eine Verwaltungsentscheidung treffen muss, gewahrt sind. Danach dürften die Kläger nach den im LSG-Urteil mitgeteilten Zahlen (Stand Ende Juni 2003) selbst bei Anwendung der 2 vH-Belastungsgrenze wohl nur mit 253,74 EUR jährlich = 21,15 EUR monatlich für Zu-zahlungen belastet werden (1.414,26 × 12 = 16.971,12 EUR abzüglich 15% der Bezugsgröße 2003 = 4.284 EUR; von den verbleibenden 12.687,12 EUR dann 2%).
Fundstellen