Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschrift der Berufsrichter unter Urteil. Überprüfung des Verhinderungsvermerks. gesetzmäßiges Zustandekommen einer Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Das gesetzesmäßige Zustandekommen einer Entscheidung wird durch die geleistete bzw gemäß § 153 Abs 3 SGG wegen Verhinderung ersetzte Unterschrift der beteiligten Berufsrichter belegt.
2. Eine Überprüfung des Verhinderungsgrundes ist nur möglich, wenn geltend gemacht wird, der Verhinderungsvermerk beruhe auf willkürlichen, sachfremden Erwägungen.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGG § 153 Abs. 3; GVG §§ 194, 196
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 17.06.1997; Aktenzeichen I JBf 45/95) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 13.04.1995; Aktenzeichen 4 J 843/93) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 17. Juni 1997 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann ProzeßkostenhiIfe bewilligt und ein Prozeßbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, denn auch eine formgerechte Beschwerde würde voraussichtlich nicht zur Zulassung der Revision durch das BSG nach § 160a Abs 4 Satz 2, § 160 Abs 2 SGG führen.
Während in den beiden ersten Instanzen (SG und LSG) das Klagebegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen ist, kann das Revisionsgericht (BSG) die Entscheidung der Vorinstanz sowie das zugrundeliegende Verfahren nur auf Rechtsfehler überprüfen. Dazu bedarf es der Zulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG oder durch das BSG. Gründe für eine Zulassung liegen nur vor, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, von einer anderen Entscheidung abgewichen worden ist oder in der Vorinstanz ein die Sachentscheidung beeinflussender Verfahrensfehler unterlaufen ist (§ 160 Abs 2 SGG).
Mit seiner Eingabe macht der Kläger geltend, daß er vermindert erwerbsfähig sei und deshalb einen Rentenanspruch habe.
Dies oder der Akteninhalt rechtfertigen indessen keine Revisionszulassung.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, denn es ist nicht über Rechtsfragen zu entscheiden, die im Interesse der Allgemeinheit der höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Bei den vom Kläger angesprochenen Fragen handelt es sich nicht um Rechtsfragen. Der Kläger meint, daß von ihm konkret bezeichnete Leistungseinschränkungen grundsätzlich Erwerbsunfähigkeit bedingen. Hierbei handelt es sich jedoch um Tatsachenfeststellungen, die nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung getroffen werden (§ 128 SGG).
Das Urteil des LSG weicht auch nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG ab.
Schließlich ist kein Verfahrensmangel erkennbar, der nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Soweit der Kläger rügt, das LSG habe wichtige zusätzliche Gutachten nicht angefordert, macht er sinngemäß geltend, das LSG habe verfahrensfehlerhaft seine Pflicht zur Amtsaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Eine solche Rüge kann einer Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn geltend gemacht wird, daß das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt indessen ein Beweisantrag, der für eine Zulassung der Revision bedeutsam werden kann, nur dann vor, wenn ein derartiger Beweisantrag in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt und in prozeßordnungsgerechter Weise formuliert worden ist; eine bloße Anregung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen reicht nicht aus (vgl BSG, Beschlüsse vom 15. Februar 1988, 9/9a BV 196/87 – SozR 1500 § 160 Nr 64, vom 30. Oktober 1990, 8 BKnU 6/90, und vom 24. Mai 1993, 9 BV 26/93 – SozR 3-1500 § 160 Nr 9, sowie BVerfG, Beschluß vom 19. Februar 1992, 1 BvR 1935/91 – SozR 3-1500 § 160 Nr 6). Gemäß § 118 Abs 1 SGG iVm § 403 ZPO wird der Sachverständigenbeweis durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte angetreten. Notwendig ist dabei, daß der Beteiligte – wenn auch in allgemeiner Form – umreißt, was die Beweisaufnahme ergeben soll (vgl Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 5. Aufl 1993, § 160 RdNr 18 mwN). An einem Beweisantrag in diesem Sinne mangelt es. Der Kläger trägt selbst nicht vor, daß er in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG einen mit seiner Rüge in Zusammenhang stehenden Beweisantrag ausdrücklich oder zumindest sinngemäß gestellt habe. Die Stellung eines solchen Beweisantrages ist auch aus dem Sitzungsprotokoll oder aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich. Soweit sich der Kläger möglicherweise auf seine schriftlich vorgebrachten Beweisanregungen bezieht, hätten diese in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG wiederholt werden müssen. Jedenfalls ist dem Kläger entgegenzuhalten, daß sich das LSG im angefochtenen Urteil gleichwohl mit dem Vorbringen auseinandergesetzt und mit hinreichender Begründung eine weitere Beweisaufnahme abgelehnt hat.
Ebenso greift die Rüge des Klägers nicht durch, die Vorsitzende Richterin am LSG L.-H. habe das schriftliche Urteil zu Unrecht auch für den beisitzenden Richter am LSG V. unterschrieben, weil dieser angeblich wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert gewesen sei; die Verhinderung habe keine drei Monate dauern können; die schriftliche Absetzung des Urteils habe keine solch lange Zeit erfordert; anzunehmen sei deshalb, daß der Richter am LSG V. das Urteil nicht habe mittragen wollen. Bei der auf § 153 Abs 2 SGG beruhenden Verfahrensweise darf das BSG jedoch in der Regel nur prüfen, ob die Tatsache, die als Verhinderungsgrund angegeben wird, einen solchen darstellen kann, nicht aber auch, ob der behauptete Verhinderungsgrund tatsächlich vorlag. Der angegebene Urlaub war ein zulässiger Verhinderungsgrund. Ausnahmsweise ist eine Überprüfung des Verhinderungsgrundes nur möglich, wenn geltend gemacht wird, der Verhinderungsvermerk beruhe auf willkürlichen, sachfremden Erwägungen (vgl Meyer-Ladewig aaO, § 153 RdNr 10; Hennig/Bernsdorff, SGG-Komm, Stand: Mai 1997, § 153 RdNr 52; jeweils mwN). Für einen solchen Ausnahmetatbestand sind Anhaltspunkte weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
Soweit der Kläger in seinem Vorbringen Zweifel anklingen läßt, daß die vom LSG getroffene Entscheidung nicht gemäß § 61 Abs 2 SOG iVm § 196 GVG mit der absoluten Mehrheit der an der Entscheidung beteiligten Richter zustande gekommen sein könnte, fehlt es gleichfalls an der erforderlichen Schlüssigkeit des Vorbringens. Die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung als Ergebnis der Beratung nach der letzten mündlichen Verhandlung wird durch die geleistete bzw gemäß § 153 Abs 2 SGG ersetzte Unterschrift der beteiligten Berufsrichter belegt (vgl Hennig/Bernsdorff, aaO, § 153 RdNr 4O mwN). Eines besonderen Protokolls über Beratung und Abstimmung (§ 194 GVG) bedarf es nicht. Der Urteilstenor war in Gegenwart des Klägers verkündet, die wesentlichen Gründe waren mitgeteilt worden. In Anbetracht dessen besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß das angefochtene Urteil an einer Verletzung des § 196 Abs 1 GVG leiden und darauf beruhen könnte. Insbesondere kann hierfür nicht angeführt werden, daß das Urteil erst drei Monate nach dessen Verkündung unterschrieben und in den Geschäftsgang gegeben worden sei. Sobald ein verkündetes Urteil mit den Gründen schriftlich abgesetzt ist, was durchaus längere Zeit in Anspruch nehmen kann, ist es alsbald in den Geschäftsgang zu geben, auch wenn einer der beteiligten Berufsrichter an der Unterschrift verhindert ist. Dies folgt aus § 153 Abs 2 SGG.
Da dem Kläger keine Prozeßkostenhilfe zusteht, war sein sinngemäß gestellter Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts ebenfalls abzulehnen.
Fundstellen
NZS 1998, 588 |
SozR |
SozSi 1998, 392 |
www.judicialis.de 1997 |