Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 24.06.1998)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Juni 1998 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) auf Verfahrensmängel und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordern diese Vorschriften, daß der Zulassungsgrund schlüssig dargetan wird (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Diesen Anforderungen an die Begründung hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur dann gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Hierzu ist erforderlich, daß die entscheidende Rechtsfrage klar bezeichnet und ausgeführt wird, ob die Klärung dieser Rechtsfrage grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Insbesondere hat der Beschwerdeführer darzulegen, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig, also zweifelhaft, und klärungsfähig, mithin rechtserheblich ist, so daß hierzu eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu erwarten ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 1; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16).

Die Klägerin trägt vor, die Vorsitzende Richterin am LSG M … habe an dem angefochtenen Urteil des LSG vom 24. Juni 1998 mitgewirkt und sei auch bereits in dem Verfahren L 3 U 439/87 bei gleichem Sachverhalt beratend und entscheidend beteiligt gewesen. Darin liege ein erheblicher Verfahrensmangel. Dieser sei auch von grundsätzlicher Bedeutung, so daß es der Klärung bedürfe, ob hier eine Mitwirkung eines bereits mit der Sache befaßten Richters bei einer weiteren Entscheidung erfolgen durfte. Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin weder den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels noch den der grundsätzlichen Bedeutung dargelegt. Nach § 60 Abs 1 SGG iVm § 41 Nr 6 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist ein Richter von der Ausübung seines Richteramtes kraft Gesetzes nur bei einer Mitwirkung in der Vorinstanz ausgeschlossen. Solches war hier nicht der Fall, weil die genannte Richterin mit der Sache in einem früheren Verfahren in der Berufungsinstanz befaßt war. Daß die mehrfache Beteiligung eines Richters in der Berufungsinstanz nicht unter § 41 Nr 6 ZPO fällt, ist auch höchstrichterlich geklärt (BSG SozR Nr 1 zu § 41 ZPO; BSG Beschluß vom 20. Oktober 1998 – B 9 SB 58/98 B). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß die von ihr aufgestellte Rechtsfrage gleichwohl klärungsbedürftig ist.

Weiterhin rügt die Klägerin als Verfahrensmangel, im Urteil des LSG werde ihr aufgrund einer gutachtlichen Aussage des Sachverständigen Prof. Dr. R … eine unsachgemäße eigenmächtig vorgenommene Bandagierung des rechten Beines zur Last gelegt. Bei dieser Aussage des Prof. Dr. R … sei übersehen und nicht rechtlich gewürdigt worden, daß ein Vertragsarzt der Beklagten die Bandagierung verordnet habe, ohne daß sie über die Vor- und Nachteile dieser Behandlung aufgeklärt worden sei. Die Beantwortung der Frage, ob der aus der Verordnung entstandene Schaden ihr angelastet werden könne, habe über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung. Auch mit diesem Vortrag hat die Klägerin die Zulassungsgründe des Verfahrensfehlers und der grundsätzlichen Bedeutung nicht schlüssig dargelegt. Als Verfahrensmangel rügt die Klägerin damit die Beweiswürdigung durch das LSG. Dies kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen, weil § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG es ausdrücklich ausschließt, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen. Soweit die in diesem Zusammenhang erhobene Grundsatzrüge betroffen ist, hat die Klägerin weder schlüssig dargelegt, inwiefern die von ihr aufgeworfene Frage über den Einzelfall hinausgeht, noch, inwiefern diese noch klärungsbedürftig ist. Zur Darlegung dieser Voraussetzungen reicht der Hinweis der Klägerin nicht aus, die Beklagte schulde eine sachgemäße Heilbehandlung und sie, die Klägerin, habe nach dem Grundgesetz einen Anspruch auf Unversehrtheit ihres Körpers auch im Rahmen einer Heilbehandlung.

Die weiterhin von der Klägerin als Verfahrensfehler gerügte Verwertung der Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. R … vom 11. März 1975 durch das LSG betrifft ebenfalls die Beweiswürdigung und kann daher wegen § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen. Das gleiche gilt für die Rüge, das LSG habe sich nicht auf die Stellungnahme des Prof. Dr. R … stützen dürfen, weil diese nach den neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen unrichtig seien, sowie für die Rüge, das LSG hätte sich angesichts widersprechender Gutachten mit dem Unfallhergang auseinandersetzen müssen.

Ferner rügt die Klägerin als Verfahrensfehler eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht). Das LSG sei ihrem Beweisantrag, eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. W … zur Begründung seiner Auffassung einzuholen, daß das Lymphödem Folge des Arbeitsunfalls vom 22. Oktober 1969 sei, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Auch diesen behaupteten Verfahrensmangel hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Wie bereits erwähnt, kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ohne hinreichende Begründung bedeutet hier, daß die Revision zuzulassen ist, wenn das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den beantragten Beweis zu erheben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5; BSG Beschluß vom 8. Dezember 1998 – B 2 U 262/98 B). Zur Begründung eines solchen Verfahrensfehlers muß der Beschwerdeführer darlegen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln, insbesondere den im Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten, Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat (st Rspr des Senats s ua Beschluß vom 8. Juli 1999 – B 2 U 32/99 B). Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat nicht hinreichend dargetan, aus welchen Gründen sich das LSG von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus zu der von ihr für notwendig gehaltenen Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. W … hätte gedrängt fühlen müssen. Das Gericht ist grundsätzlich in der Würdigung der Sachverständigengutachten frei und kann zB auch ohne Einholung weiterer Gutachten von einem bereits eingeholten Gutachten abweichen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 244o II mwN). Zur Freiheit der Beweiswürdigung gehört die Entscheidung über den Umfang und die Art der Ermittlungen. Eine verfahrensrechtliche Pflicht zur Einholung weiterer Sachverständigengutachten oder zur zusätzlichen Befragung bereits gehörter Sachverständiger besteht nur dann, wenn die vorliegenden Gutachten schwere Mängel aufweisen, in sich widersprüchlich sind, von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehen oder Zweifel an der Sachkunde oder Sachlichkeit des Sachverständigen erwecken (BSG Beschluß vom 11. Mai 1999 – B 2 U 60/99 B). Diese Voraussetzungen sind dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Insbesondere hat sie keine für das Ergebnis erheblichen groben Mängel oder Widersprüchlichkeiten der Gutachten, auf die sich das LSG stützt, dargetan. Wenn die Klägerin die Begründung des Gerichts, der genannte Sachverständige habe sich der Auffassung der Sachverständigen Frau Dr. F … angeschlossen, deshalb nicht für ausreichend hält, weil sie, die Klägerin, Kenntnis von der eigenen Auffassung dieses Sachverständigen habe erlangen wollen, hat sie damit nicht die Erforderlichkeit der Einholung einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme schlüssig dargetan. Gleiches gilt für ihren Vortrag, das LSG hätte darauf hinwirken müssen, daß das Gutachten des Prof. Dr. W … dem erteilten Auftrag entspreche, zumal das LSG im angefochtenen Urteil ausgeführt hat, Prof. Dr. W … habe seine Auffassung begründet, und zwar indem er sich der Auffassung der Frau Dr. … angeschlossen habe. Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 103 SGG darin sieht, daß das LSG dem Sachverständigen Prof. Dr. R … und nicht den beiden andern Sachverständigen gefolgt sei, betreffen diese Darlegungen wiederum im Kern die Beweiswürdigung durch das LSG. Dies kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen, weil § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG es ausdrücklich ausschließt, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen. Dieser Hinweis soll keinesfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beweiswürdigung durch das LSG andeuten. Soweit die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung darin sieht, daß sich das Gericht dem Gutachten des Prof. Dr. R … und nicht den Gutachten der beiden anderen Sachverständigen angeschlossen hat, fehlt es schon an der Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage.

Schließlich macht die Klägerin als Verfahrensfehler geltend, das LSG habe im angegebenen Urteil weder erwähnt noch begründet, daß die Beklagte ihr mit Schreiben vom 23. Juli 1985 eine Zusage für die Behandlungskosten hinsichtlich der Schwellneigung am rechten Unterschenkel gegeben habe. Mit diesem Vorbringen hat sie keinen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, insbesondere nicht gegen § 136 Abs 1 Nrn 5 und 6 SGG iVm § 153 SGG, schlüssig dargelegt. Nach den genannten Vorschriften hat das Urteil des Berufungsgerichts die gedrängte Darstellung des Tatbestandes (Nr 5) und die Entscheidungsgründe (Nr 6) zu enthalten, dh eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (§ 313 Abs 3 ZPO iVm § 202 SGG). Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist auf Seite 4 (2. Absatz) ausgeführt, daß die Beklagte der Klägerin über Jahre hinweg zur Behandlung des Lymphödems Maßnahmen – vor allem in Form von Lymphdrainagen – gewährt hat. In den Entscheidungsgründen des Urteils ist auf den Seiten 8 (oben) und 9 (oben) näher begründet, warum die Klägerin aus dem Umstand, daß die Beklagte jahrelang die Kosten für Behandlungsmaßnahmen wie Lymphdrainagen getragen hat, keinen Anspruch auf Weitergewährung dieser Leistungen ableiten kann. Die Klägerin hat nicht dargelegt, inwiefern das LSG angesichts dieser Ausführungen im angefochtenen Urteil gegen § 136 Abs 1 Nrn 5 und 6 SGG iVm § 153 SGG verstoßen haben könnte.

Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175441

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