Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. soziales Entschädigungsrecht. Gewaltopferentschädigung. sexuell motivierte Bildaufnahmen durch Hausarzt. keine körperliche Gewalt. kein tätlicher Angriff. sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensfehler. Darlegungsanforderungen
Orientierungssatz
1. Opferentschädigung nach § 1 OEG kommt bei sexuell motivierten Bildaufnahmen des Intimbereichs von Erwachsenen nicht in Betracht, wenn keine körperliche Gewalt angewendet wurde (hier: intime Bildaufnahmen durch den Hausarzt).
2. Zu den Anforderungen an die Darlegung des Klärungsbedarfs einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage sowie eines Verfahrensmangels im Rahmen der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde.
Normenkette
OEG § 1 Abs. 1 S. 1; StGB §§ 201a, 174c, 185; SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3 Hs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Januar 2016 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. In der Hauptsache begehrt die Klägerin Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz wegen sexuell motivierter Bildaufnahmen im Vaginalbereich durch ihren Hausarzt im November 2008. Den Antrag lehnte der Beklagte mangels tätlichen Angriffs ab (Bescheid vom 17.8.2009; Widerspruchsbescheid vom 17.3.2010). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16.2.2012), das LSG die Berufung zurückgewiesen. Das LSG hat zur Begründung ua auf die Entscheidung des SG Bezug genommen und ausgeführt, es fehle an einer gewaltsamen körperlichen Einwirkung, psychische Einwirkungen allein reichten nach der maßgeblichen Rechtsprechung des BSG nicht aus (Urteil vom 26.1.2016).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und rügt die grundsätzliche Bedeutung der Sache und eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensfehlers nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin formuliert schon keine präzise Rechtsfrage. Sofern ihren Ausführungen sinngemäß die Rechtsfrage entnommen werden könnte, ob psychische Einwirkungen einem tätlichen Angriff im Sinne des Opferentschädigungsrechts gleichzustellen seien, legt sie jedenfalls den Klärungsbedarf nicht dar. Die Beschwerdebegründung enthält keine Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere auch nicht mit dem vom LSG maßgeblich zitierten Urteil des erkennenden Senats vom 16.12.2014 (B 9 V 1/13 R - BSGE 118, 63 = SozR 4-3800 § 1 Nr 21), wonach Opferentschädigung nicht in Betracht kommt, wenn das Tatmittel keine körperliche Gewalt darstellt. Der Umstand, dass die Klägerin diese Rechtsauffassung für falsch hält, ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auch darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Klägerin bezeichnet keinen Beweisantrag, den das LSG übergangen haben könnte und kann ihn angesichts des Protokolls der mündlichen Verhandlung auch nicht bezeichnen. Die Klägerin trägt insoweit auch nicht vor, dass das Protokoll unrichtig sei.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen