Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 16.10.2017; Aktenzeichen L 1 R 481/17)

SG Hannover (Entscheidung vom 12.06.2017; Aktenzeichen S 13 R 784/14)

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. Oktober 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom 16.10.2017 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Hannover vom 12.6.2017 als unzulässig verworfen. Mit diesem Urteil hatte das SG einen Anspruch des Klägers auf eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen verneint. In der Rechtsmittelbelehrung des Urteils wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass das Urteil mit der Berufung innerhalb eines Monats angefochten werden könne. Ferner ist dort ausgeführt:

"Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Hannover, Leonhardtstraße 15, 30175 Hannover, schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. … Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war."

Nach Zustellung des SG-Urteils am 23.6.2007 hat der Kläger am 26.6.2017 beim SG die Zulassung der Revision beantragt und daran ausdrücklich festgehalten. Die Zustimmungserklärung der Beklagten war nicht beigefügt. Nach Verwerfung des Antrags auf Zulassung der Revision als unzulässig (Beschluss des SG vom 9.8.2017, dem Kläger zugestellt am 12.8.2017) hat der Kläger am 15.9.2017 die Durchführung der Berufung beantragt.

Mit seinem am 2.11.2017 beim BSG eingegangenen Schreiben hat der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Verwerfungsbeschluss des LSG beantragt.

II

Der Antrag auf PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 Abs 1 S 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung zulässige und vom Kläger angestrebte Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.

Es ist nicht ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 2 und 4 SGG) geltend machen könnte, dass der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zukommt. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Derartige Rechtsfragen sind im Fall des Klägers nicht ersichtlich. Die Verwerfung der Berufung wegen Fristversäumung nach einem nicht formgerecht gestellten Antrag auf Zulassung der Sprungrevision durch das LSG ist auf gesicherter Rechtsgrundlage erfolgt, ohne das der Fall des Klägers erkennbare Besonderheiten aufweisen würde.

Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) vorliegt. Denn die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Dass das LSG nicht der Rechtsansicht des Klägers gefolgt ist und er den Berufungsbeschluss inhaltlich für unzutreffend hält, eröffnet die Revisionsinstanz nicht. Das LSG konnte die Berufung des Klägers auch ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss und ohne ehrenamtlichen Richter verwerfen, da der Kläger die gesetzliche Berufungsfrist von einem Monat nach Zustellung des Urteils des SG (§ 151 Abs 1 SGG) versäumt hatte. Der Beschluss des SG über die Verwerfung des Antrags auf Zulassung der Sprungrevision ist dem Kläger am 12.8.2017 zugestellt worden. Er hat ausdrücklich erst am 15.9.2017 die Durchführung der Berufung beantragt, also im Übrigen selbst dann zu spät, wenn der Lauf der Berufungsfrist von neuem begonnen hätte. Auch ist nicht zu beanstanden, dass der LSG-Senat angenommen hat, Gründe für eine Wiedereinsetzung in die Frist lägen nicht vor (§ 158 S 1 und S 2 SGG bzw § 67 Abs 1 SGG). Dass der Kläger - wie von ihm vorgetragen - nicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Form eines Antrags auf Zulassung der Sprungrevision hingewiesen worden sein könnte, ist angesichts der deutlichen Formulierung der dem SG-Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung nicht erkennbar. Dort ist wörtlich ausgeführt "Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen". Der Kläger konnte also wissen, dass sein Antrag nur dann der vorgeschriebenen Form entspricht, wenn er zuvor die schriftliche - und nicht nur telefonische - Zustimmung der Beklagten erhält und diese seinem Antrag beifügt. Ebenso deutlich ist der Rechtsmittelbelehrung zu entnehmen, dass bei Ablehnung der Sprungrevision der Lauf der Berufungsfrist nur dann von neuem beginnt, wenn dem Antrag auf Zulassung der Revision "die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war". Dies entspricht § 161 Abs 3 S 1 SGG.

Auch der Vortrag des Klägers, das LSG habe "im Rahmen meiner Beschwerde, gegen die Ablehnung meines Prozesskostenhilfeantrages widerrechtlich in der Sache entschieden" wobei sowohl SG als auch LSG die Anforderungen an die Gewährung von PKH überspannt hätten, weist auf keinen Verfahrensmangel hin, der die Zulassung der Revision begründen könnte. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81, 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Mit seinem Vortrag zur vermeintlich fehlerhaften Ablehnung von PKH bezieht sich der Kläger jedoch nicht - wie danach erforderlich - auf einen möglichen Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens vor dem LSG, sondern auf die Ablehnung von PKH für das Verfahren erster Instanz vor dem SG. Ein statthaftes Rechtsmittel zum BSG gegen den Beschluss, mit dem das LSG die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung der Gewährung von PKH für das Verfahren vor dem SG zurückgewiesen hat, ist nicht gegeben (§ 177 SGG). Ein solcher Beschluss kann insbesondere nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden.

Da dem Kläger PKH nicht zusteht, hat er auch keinen Anspruch auf die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO), die er ohnehin nicht ausdrücklich beantragt hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11576435

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