Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 24.03.1998)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. März 1998 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht in der durch die §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten Form begründet worden. Sie ist deshalb entsprechend § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

1) Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sich der Kläger darauf beruft, das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) weiche von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) ab (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Der Zulassungsgrund ist nicht so dargelegt, wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt.

Der Zulassungsgrund der Abweichung ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, das LSG habe einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem Rechtssatz aufgestellt, den das BSG, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes entwickelt und angewendet hat. Dazu ist es notwendig, den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz des LSG herauszuarbeiten und die Unvereinbarkeit aufzuzeigen. Eine Divergenz liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG einen Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht beachtet hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz entwickelt hat. Eine Divergenz liegt ferner nicht vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig auslegt oder angewendet hat; auch dann fehlt es an der Entwicklung eines eigenen abweichenden Rechtssatzes.

Nach diesem Maßstab enthält das Vorbringen des Klägers keine hinreichende Darlegung der behaupteten Abweichungen. Der Kläger bezieht sich auf die Urteile des BSG vom 25. Oktober 1994 – 3 RK 6/94 – (SozR 3-2500 § 54 Nr 1) sowie vom 14. Dezember 1994 – 3 RK 9/94 und 3 RK 14/94 – (SozR 3-2500 § 53 Nrn 7 und 8) und vertritt die Ansicht, „nach den Feststellungen des medizinischen Sachverständigen in der Sitzung vom 24. März 1998 und seinen eigenen Feststellungen hätte das LSG unter Berücksichtigung dieser Entscheidungen” die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Sozialgerichts (SG) Hamburg vom 4. April 1996 zurückweisen müssen. Damit wird – allenfalls – eine unzureichende Berücksichtigung und Umsetzung dieser Entscheidungen des BSG dargelegt, was für eine Divergenzrüge nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht ausreicht. Es fehlt an der Darstellung der aus diesen Urteilen zu entnehmenden Rechtssätze des BSG einerseits und des demgegenüber vom LSG aufgestellten Rechtssatzes andererseits sowie an der Darlegung, worin die Abweichung zu sehen ist. Der Konkretisierung der Abweichung bedurfte es hier insbesondere auch deshalb, weil das SG in seinem zusprechenden Urteil (dort S 6) ausdrücklich betont hat, seine Ansicht weiche von der bisherigen Rechtsprechung des BSG ab, und das LSG gerade unter Hinweis auf die genannten Urteile des BSG vom 14. Dezember 1994 sowie weiterer höchstrichterlicher Rechtsprechung zu den §§ 53 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in ihrer bis zum 31. März 1995 geltenden Fassung (aF) die Entscheidung des SG geändert und die Klage abgewiesen hat.

2) Der zusätzlich erhobene Vorwurf des Klägers, das LSG habe „die Ausführungen des Sachverständigen unzutreffend rechtlich gewürdigt”, enthält ebenfalls keine substantiierte Darlegung eines Zulassungsgrundes. In Betracht kommt lediglich die konkludente Rüge eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) bei der Beweiswürdigung. Eine solche Rüge ist jedoch unzulässig, weil das Gesetz ausdrücklich anordnet, daß eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht zur Zulassung der Revision führen kann.

3) Die Beschwerde ist auch unzulässig, soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend macht. Der Kläger hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob ein täglicher Pflegemehrbedarf von mehr als drei Stunden bei Kindern zwischen drei und zwölf Jahren auch dann zur Schwerpflegebedürftigkeit nach § 53 SGB V aF führen kann, wenn der Hilfebedarf bei weniger als sieben Verrichtungen besteht, also insoweit eine Angleichung an die Rechtslage bei Säuglingen und Kleinkindern (BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 7) zu erfolgen hat. Mit der Formulierung dieser Rechtsfrage allein ist der Zulassungsgrund aber nicht hinreichend dargelegt worden. Es geht um abgelaufenes Recht. Die Regelungen der §§ 14 ff Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) haben zum 1. April 1995 die §§ 53 ff SGB V aF abgelöst. Die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit haben sich geändert (§ 15 SGB XI). Die formulierte Rechtsfrage ist für das neue Recht ersichtlich ohne Bedeutung. Wenn aber eine als grundlegend angesehene Rechtsfrage abgelaufenes Recht betrifft, kann ihr in aller Regel keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG mehr zukommen, es sei denn, der Beschwerdeführer legt genau und im einzelnen dar, daß sie noch für eine erhebliche Anzahl von Fällen weiterhin von Bedeutung ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Hierzu hat sich der Kläger nicht geäußert. Ein solcher Vortrag war auch nicht ausnahmsweise als selbstverständlich entbehrlich; denn bei einer Regelung, die seit nunmehr dreieinhalb Jahren außer Kraft ist, kann ein nennenswerter Bestand unerledigter Fälle nicht ohne weiteres unterstellt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175550

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