Verfahrensgang
SG Cottbus (Entscheidung vom 18.02.2020; Aktenzeichen S 13 U 21/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. März 2022 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit noch über die Rechtmäßigkeit der Entziehung einer auf unbestimmte Zeit gewährten Verletztenrente.
Die im Anschluss an ein erfolgloses Verwaltungsverfahren erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) insoweit abgewiesen (Urteil vom 18.2.2020). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.3.2022).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG rügt der Kläger insbesondere das Vorliegen von Verfahrensfehlern.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil ein Zulassungsgrund (§ 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG) nicht formgerecht dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Vorrangig rügt der Kläger das Vorliegen von Verfahrensfehlern (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), so müssen die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG, ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht, auf dem Mangel beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie rügt im Wesentlichen eine unzutreffende Würdigung der im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten und beratungsärztlichen Stellungnahmen. Dies betrifft jedoch die Beweiswürdigung iS von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, die einer Rüge als Verfahrensfehler im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vollständig entzogen ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) beinhaltet sowohl die Befugnis als auch die Pflicht des Tatsachengerichts, nachdem der Sachverhalt vollständig und abschließend ermittelt ist, das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der erhobenen Beweise frei nach der inneren Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrages unter Abwägung aller Umstände darauf, ob die maßgebenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw im Falle geringerer Anforderungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen, zu würdigen. Die Würdigung voneinander abweichender Gutachtenergebnisse oder ärztlicher Auffassungen gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse dabei zur Beweiswürdigung (zB BSG Beschluss vom 29.1.2018 - B 9 V 39/17 B - juris RdNr 12 mwN; BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 juris RdNr 10).
Die Beweiswürdigung steht grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts (vgl zB BSG Urteil vom 31.5.2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9 = juris RdNr 18 mwN). Selbst in einem Revisionsverfahren ist sie als Verfahrensfehler (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) nur eingeschränkt und nur in (den hier von der Beschwerde aufgezeigten) Grenzen überprüfbar. Dagegen scheidet sie als Zulassungsgrund ausdrücklich aus. Beteiligten obliegt es vielmehr, vor den Tatsachengerichten insbesondere durch Beweisanträge (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO) und Ausübung des Fragerechts (§ 116 Satz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO) angenommene Mängel in vorhandenen Gutachten und Stellungnahmen aufklären zu lassen und so auf das Verfahren Einfluss zu nehmen. Verletzungen dieser Verfahrensrechte sind als Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG iVm § 103 SGG, Art 103 Abs 1 GG iVm § 62 SGG) rügefähig.
Soweit die Beschwerdebegründung daher auch vorträgt, das LSG hätte weitere Aufklärungsmöglichkeiten ausschöpfen müssen, ggf durch Einholung eines weiteren Gutachtens oder durch Rückfrage bei dem Sachverständigen, legt sie nicht dar, dem LSG weiteren Aufklärungsbedarf rügefähig aufgezeigt zu haben. Um eine Verletzung von § 103 SGG geltend zu machen, hätte es insbesondere der Darlegung eines prozesskonformen Beweisantrags bedurft, der bis zuletzt aufrechterhalten oder im Urteil wiedergegeben worden ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG; vgl zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 13 mwN). Die davon zu unterscheidende Ausübung des Fragerechts als Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) erfordert insbesondere, dem Gericht die nach Ansicht des Beteiligten erläuterungsbedürftigen Punkte rechtzeitig schriftlich mitzuteilen und das Begehren bis zuletzt aufrechtzuerhalten (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 411 Abs 4 ZPO; vgl zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 17 mwN). Daran fehlt es hier. Die Beschwerdebegründung trägt nicht vor, vor dem LSG überhaupt Beweisanträge gestellt oder die Befragung der Sachverständigen beantragt zu haben.
Sollte in diesem Zusammenhang auch der Mangel der Begründung (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG) sinngemäß gerügt worden sein, ist er ebenfalls nicht hinreichend aufgezeigt. Nach § 136 Abs 1 Nr 6 SGG sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Das Gericht muss aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, ausdrücklich abhandeln (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 1.12.2020 - B 12 KR 48/20 B - juris RdNr 9 mwN; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung zu nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt. An Entscheidungsgründen fehlt es auch nicht schon dann, wenn die Gründe sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (BSG Beschluss vom 11.6.2021 - B 13 R 7/21 B - juris RdNr 11 mwN). Soweit also die Beschwerdebegründung rügt, das LSG habe nicht allein anhand der Stellungnahmen des Beratungsarztes ein Sachverständigengutachten als widerlegt ansehen dürfen, ohne weitere Patientenunterlagen einzubeziehen, hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, dass die Befunde aus dem A Krankenhaus und dem U Krankenhaus B ausweislich der Entscheidungsgründe des LSG tragend in die medizinische Beurteilung eingeflossen sind. Dessen unbeschadet lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, warum sich die Vorinstanz nicht auf die beratungsärztlichen Stellungnahmen hätte stützen dürfen (vgl hierzu auch unter 3.).
2. Der Kläger bezeichnet auch nicht hinreichend eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG zu demselben Gegenstand abweicht. Ferner ist näher zu begründen, weshalb diese Aussagen nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (vgl BSG Beschluss vom 28.6.2022 - B 2 U 181/21 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6; jeweils mwN; BSG Beschluss vom 4.5.2022 - B 9 V 30/21 B - juris RdNr 14). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht infrage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird. Denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 159/21 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 4.5.2022 - B 9 V 30/21 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 = juris RdNr 13; jeweils mwN).
Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie gibt bereits aus den Entscheidungsgründen der herangezogenen Urteile des BSG nur vereinzelte und isolierte Passagen zur Wesentlichkeit einer Ursache bei Vorliegen einer inneren Krankheitsanlage sowie zur Beweislast im Zusammenhang mit einer Vorschädigung wieder. Die Begründung versäumt es hierbei, den Kernlebenssachverhalt jedenfalls der herangezogenen Entscheidungen des BSG darzustellen. Denn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung kann nur bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben Rechtsnormen anzuwenden sind (zB BSG Beschluss vom 28.6.2022 - B 2 U 181/21 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 25.10.2019 - B 9 SB 40/19 B - juris RdNr 7 f; BSG Beschluss vom 9.8.2018 - B 5 RE 3/18 B - juris RdNr 14; jeweils mwN). Es genügt nicht, wie vorliegend, isoliert einzelne Passagen der bundesgerichtlichen Entscheidungen zu zitieren und losgelöst von ihrem Bezugsrahmen zu behaupten, es handele sich dabei um einen tragenden höchstrichterlichen Rechtssatz (zB BSG Beschluss vom 28.6.2022 - B 2 U 181/21 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 5.6.2020 - B 9 V 4/20 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 7.2.2007 - B 6 KA 56/06 B - juris RdNr 10 mwN; BSG Beschluss vom 9.1.1976 - 11 BA 90/75 - SozR 1500 § 160a Nr 21 S 28 = juris RdNr 2).
Der Kläger benennt auch keinen abstrakten Rechtssatz aus der Entscheidung des LSG, mit dem es ausdrücklich von der Rechtsprechung des BSG abgewichen sein und diese dadurch infrage gestellt haben soll. Der Kläger selbst rügt lediglich, dass das LSG die in den Entscheidungen des BSG aufgestellten Rechtsgrundsätze trotz Bezugnahme auf diese nicht richtig umgesetzt habe. Damit hat das LSG allerdings aus der Sicht des Klägers allein die Tragweite höchstrichterlicher Rechtsprechung verkannt, nicht hingegen einen divergierenden Rechtssatz aufgestellt.
3. Auch legt die Beschwerdebegründung eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dar (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit, also Entscheidungserheblichkeit, sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, sog Breitenwirkung, darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
welchen Anforderungen muss der Beklagtenvortrag unter Berücksichtigung des Grundsatzes der objektiven Beweislast genügen, um ein die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellendes Zusammenhangsgutachten bzw. eine Aussage des nach § 109 SGG bestellten Sachverständigen, wonach das Unfallereignis zumindest als wesentliche Teilursache für die eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu werten ist, zu entkräften,
inwieweit ist eine von der Beklagten eingereichte beratungsärztliche Stellungnahme als Parteivortrag zu werten bzw. den eingeholten Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der vom BSG entwickelten Beweismaßstäben gleichzusetzen.
Damit hat der Kläger keine hinreichend bestimmte abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, Anwendbarkeit oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) dargelegt. Die Fragen lassen offen, welche Normen zur Überprüfung gestellt werden sollen. Ferner ist eine offene Fragestellung ("welche", "inwieweit") grundsätzlich nicht ausreichend. Denn im Kern zielen Rechtsfragen iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG auf die Entwicklung abstrakter Rechtssätze durch das BSG ab (Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 160 RdNr 28). Erforderlich ist es daher grundsätzlich, dass der Senat die Rechtsfrage mit "ja" oder "nein" beantworten könnte (vgl nur BSG Beschluss vom 31.5.2022 - B 2 U 120/21 B - juris RdNr 10 mwN; BSG Beschluss vom 27.5.2020 - B 1 KR 8/19 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 40 RdNr 5 mwN).
Soweit sich die Beschwerde mit den aufgeworfenen Fragen sinngemäß gegen die Sachaufklärung durch das Gericht (§ 103 SGG) bzw die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) durch das LSG wendet, kann diese Verfahrensrüge nicht in das Gewand einer Grundsatzrüge gekleidet werden, wenn dadurch die Voraussetzungen für einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG) umgangen werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 28.6.2022 - B 2 U 181/21 B - juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 4.1.2022 - B 9 V 22/21 B - juris RdNr 13; jeweils mwN). Die Frage zu den Anforderungen an einen Beteiligtenvortrag bezieht sich auf die im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG), deren Verletzung der Kläger nicht ordnungsgemäß dargetan hat (dazu unter 1.), und auf die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht angreifbare Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Auch die weitere Frage zur Bewertung einer beratungsärztlichen Stellungnahme betrifft die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) im konkreten Verfahren (zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 10 mwN; Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 160 RdNr 64; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 17c).
Unabhängig davon enthält die Beschwerdebegründung keinerlei über die Behauptung hinausgehenden Vortrag zu einer Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der Fragen sowie zur Breitenwirkung. Hier wären insbesondere Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit erforderlich gewesen. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Letzteres bestimmt sich nach dem Gesetzeswortlaut, der Rechtssystematik sowie den Gesetzesmaterialien (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 147/21 B - juris RdNr 9 mwN; s auch BSG Beschluss vom 4.6.1975 - 11 BA 4/75 - BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4 S 5 = juris RdNr 7). Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht sie zwar in der konkreten Fallgestaltung noch nicht ausdrücklich entschieden hat, aber bereits eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 147/21 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 8; BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 = juris RdNr 7). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG sowie ggf der einschlägigen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Entscheidungen die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet sei (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 147/21 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 6.1.2022 - B 5 LW 1/21 B - juris RdNr 10; jeweils mwN).
Die Antwort auf die erste in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage folgt zunächst aus § 103 SGG. Danach erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen (§ 103 Satz 1 SGG). An das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten ist das Gericht nicht gebunden (§ 103 Satz 2 SGG). Ferner entscheidet das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beteiligtenvortrag ist Teil dieser freien Beweiswürdigung. Daher folgt auch die Antwort auf die zweite in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage aus § 128 Abs 1 Satz 1 SGG. In der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass beratungsärztliche Stellungnahmen Beteiligtenvortrag darstellen und bei der Überzeugungsbildung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu berücksichtigen sind. Sie können ggf auch zur alleinigen Entscheidungsgrundlage gemacht werden (zB BSG Beschluss vom 6.10.2020 - B 2 U 94/20 B - juris RdNr 11 mwN). Sofern es sich um Verwaltungsgutachten handelt, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass diese zwar nicht im Wege des Sachverständigenbeweises (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 402 f ZPO), aber unter geklärten Voraussetzungen als Urkundenbeweis verwertet (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 415 ff ZPO) und ggf auch zur alleinigen Entscheidungsgrundlage gemacht werden können (zB BSG Beschluss vom 17.5.2022 - B 2 U 91/21 B - juris RdNr 19 mwN; BSG Beschluss vom 6.10.2020 - B 2 U 94/20 B - juris RdNr 10; BSG Urteil vom 7.5.2019 - B 2 U 25/17 R - BSGE 128, 78 = SozR 4-2700 § 200 Nr 5, RdNr 14). Zu einer hierüber hinausgehenden grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit der benannten Fragen enthält die Beschwerdebegründung keinen Vortrag.
Dass der Kläger die Entscheidung der Vorinstanz für falsch hält, insbesondere weil das LSG gegen die vom BSG aufgestellten Rechtssätze verstoßen habe, geht indes über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers nicht hinaus (vgl BSG Beschluss vom 23.2.2022 - B 2 U 197/21 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 25.5.2020 - B 9 V 3/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10 = juris RdNr 2).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15670394 |