Verfahrensgang
SG Konstanz (Entscheidung vom 30.07.2015; Aktenzeichen S 5 AS 1348/14) |
SG Konstanz (Entscheidung vom 30.07.2015; Aktenzeichen S 5 AS 393/15) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.07.2020; Aktenzeichen L 9 AS 3179/19 ZVW) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.07.2020; Aktenzeichen L 9 AS 3178/19 ZVW) |
Tenor
Die Verfahren des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juli 2020 - L 9 AS 3179/19 ZVW(B 14 AS 95/20 BH) und L 9 AS 3178/19 ZVW(B 14 AS 96/20 BH) - sowie gegen die Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juli 2020 - L 9 AS 2302/20 RG, L 9 AS 2256/20 WA, L 9 AS 2303/20 RG und L 9 AS 2321/20 RG - werden zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden. Es führt das Verfahren mit dem Aktenzeichen B 14 AS 95/20 BH.
Die Anträge des Klägers, ihm für die Verfahren der Beschwerde gegen diese Entscheidungen Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, werden abgelehnt.
Gründe
Den Anträgen des Klägers auf Bewilligung von PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die vom Kläger angestrebten Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision in den genannten Entscheidungen des LSG erfolgreich zu begründen.
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (Nr 3). Keiner der vorgenannten Zulassungsgründe ist nach dem Vorbringen des Klägers und nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakten ersichtlich.
Vorrangig behauptet der Kläger Verfahrensmängel, weil das LSG bei seinen Entscheidungen nicht vorschriftsmäßig besetzt (dazu 1.) und er selbst in den mündlichen Verhandlungen nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten (dazu 2.) gewesen sei. Außerdem seien mehrere den Urteilen vom 21.7.2020 vorangegangene Entscheidungen nicht mit Gründen versehen gewesen und ohne die Vorentscheidungen wären diese Urteile nicht ergangen (dazu 3.). Soweit der Kläger darüber hinaus im Zusammenhang mit weiteren von ihm am 21.7.2020 zu den Aktenzeichen L 9 AS 3178/19 ZVW und L 9 AS 3179/19 ZVW eingereichten Schriftsätzen die Verletzung von Verfahrensrecht geltend macht, weil das LSG wegen seiner darin erhobenen Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit von Entscheidungen sowohl über weitere Ablehnungsanträge als auch über einen Antrag auf Terminverlegung entschieden habe, dass diese verspätet seien, ergibt sich dies schon aus den Ausführungen in den Urteilen vom 21.7.2020 nicht.
1. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das LSG bei seinen Urteilen vom 21.7.2020, gegen deren Nichtzulassungsentscheidungen sich zwei der vom Kläger beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerden richten sollen, nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen ist (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG), weshalb hierauf bezogene Nichtzulassungsbeschwerden keine hinreichende Aussicht auf Erfolg versprechen.
Insoweit bringt der Kläger vor, der erkennende Senat habe in seinen Beschlüssen vom 29.8.2019, die den Zurückverweisungen an das LSG zugrunde liegen, bindend entschieden, dass das LSG im Zusammenhang mit seinen vorangegangenen Endurteilen vom 17.4.2018 (L 9 AS 3758/15 und L 9 AS 214/18) die Ablehnungsanträge des Klägers willkürlich behandelt habe. Das wirke sich auf die Besetzung der Richterbank in den weiteren Verfahren L 9 AS 3178/19 ZVW und L 9 AS 3179/19 ZWV sowie die zu diesen Aktenzeichen am 21.7.2020 getroffenen Endentscheidungen aus.
Bindende (§ 160a Abs 5 iVm § 170 Abs 5 SGG) Ausführungen zu einer Willkür bei der Behandlung der Ablehnungsanträge vom 17.4.2018 finden sich in den Beschlüssen des erkennenden Senats vom 29.8.2019 indes nicht. Vielmehr hat der Senat ausgeführt, das LSG habe wegen der nicht in einer Sitzungsniederschrift dokumentierten oder in einem Urteil niedergelegten Begründung der die Ablehnungsanträge zurückweisenden Entscheidungen Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG im Hinblick auf die Überprüfbarkeit seiner Entscheidungen vom 17.4.2018 verkannt. Anders als der Kläger meint, ist diese Begründung nicht gleichzusetzen mit der Bewertung einer Verfahrensweise des LSG als willkürlich. Im Übrigen haftete ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundsätzlich nur den darauf ergangenen Endurteilen des LSG vom 17.4.2018 an, die mit den Beschlüssen des BSG vom 29.8.2019 aufgehoben worden sind, während sich die vom Kläger beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerden gegen die Endurteile des LSG vom 21.7.2020 richten würden.
2. Zu seinem Vorbringen, er sei in den Terminen nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten gewesen (§ 547 Nr 4 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG) behauptet der Kläger, ihm wären gemäß den Terminbestimmungen vom 1.7.2020 für die Anreise zur mündlichen Verhandlung am 21.7.2020 keine Reisekosten erstattet worden. Es spricht nichts dafür, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter diesen Punkt erfolgreich im Rahmen eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens geltend machen könnte.
Die Nichtentscheidung über einen rechtzeitigen Antrag auf Reisekostenübernahme zur Teilnahme eines mittellosen Klägers an der mündlichen Verhandlung ist ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) und damit ein nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG rügefähiger Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision eröffnen kann (vgl zuletzt BSG vom 4.3.2021 - B 4 AS 308/20 B). Indes enthalten die Terminbestimmung den vom Kläger behaupteten Inhalt nicht; lediglich das persönliche Erscheinen des Klägers zu den Terminen ist nicht angeordnet worden. Im Übrigen ist nichts für rechtzeitige Anträge des Klägers auf Reisekostenerstattung ersichtlich; vielmehr hat er noch am 20.7.2020 mitgeteilt, nicht zu den Terminen erscheinen zu wollen. Soweit er ebenfalls durch Schreiben vom 20.7.2020, eingegangen beim LSG am Terminstag, den 21.7.2020, die Erschwerung seiner Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen beklagt, weil Reisekosten nicht erstattet würden, handelt es sich zumindest nicht um einen "rechtzeitigen" Antrag auf Reisekostenerstattung. Nicht nur, dass der Antrag für die Verfahren L 9 AS 3178/19 ZVW und L 9 AS 3179/19 ZVW am Terminstag erst rund zwei Stunden vor den angesetzten Terminsstunden beim LSG eingegangen ist (frühestens 11:05 Uhr). Den Kläger begünstigende Entscheidungen, die ihm eine Teilnahme an den Terminen ermöglicht hätten, waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Der Kläger hätte spätestens gegen kurz vor 10 Uhr einen Zug von K1 nach Stuttgart nehmen müssen, um beim LSG zum angesetzten Beginn der mündlichen Verhandlung um 13:00 Uhr (L 9 AS 3178/19 ZVW) bzw 13:30 Uhr (L 9 AS 3179/19 ZVW) eingetroffen sein zu können.
3. Soweit der Kläger vorträgt, über seine neuerlichen Ablehnungsanträge gegen den Vorsitzenden Richter am LSG S sowie den Richter am LSG K2 und die Richterin am LSG D (L 9 SF 1510/20 AB) hätten diese nicht am 30.6.2020 selbst entscheiden und die Anträge als unzulässig verwerfen dürfen, ist nicht ersichtlich, dass in einer Nichtzulassungsbeschwerde der absolute Revisionsgrund der unvorschriftsmäßigen Besetzung der Richterbank erfolgreich bezeichnet werden könnte.
Dies wäre nach dem aktenkundigen Verfahrensablauf und den in der Folge der Beschlüsse des erkennenden Senats vom 29.8.2019 im Zusammenhang mit den Sachen L 9 AS 3178/19 ZVW und L 9 AS 3179/19 ZVW geführten Verfahren L 9 SF 385/20 AB (Ablehnungsanträge gegen den Vorsitzenden Richter am LSG S, den Richter am LSG K2 und die Richterin am LSG D, entschieden durch die Richterin am LSG H1, den Richter am LSG M und die Richterin am LSG F), L 9 SF 455/20 AB (Ablehnungsanträge gegen die Richterin am LSG H1, die Richterin am LSG N und den Richter am LSG P, entschieden durch den Vorsitzenden Richter am LSG L, den Richter am LSG M und die Richterin am LSG H2), der nachfolgenden weiteren Ablehnungsanträge gegen den Vorsitzenden Richter am LSG L, die Richterinnen H1, H2 und F und den Richter am LSG M (L 9 SF 1511/20 AB und L 9 SF 1512/20 AB) sowie der erneuten Ablehnungsanträge gegen den Vorsitzenden Richter am LSG S, den Richter am LSG K2 und die Richterin am LSG D vom 22.4.2020 (L 9 SF 1510/20 AB) und 15.7.2020 (nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 21.7.2020 sowie der Mitteilung, zum Termin nicht erscheinen zu wollen), nur dann der Fall, wenn es gelänge, darzubringen, warum die Ablehnung von dem Kläger nicht als Instrument der Verfahrens- oder Fehlerkontrolle eingesetzt worden ist und dass die Selbstentscheidung einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt oder offensichtlich so grob fehlerhaft beziehungsweise unhaltbar ist, dass sie als willkürlich erscheint (diese Vorgaben zu ungeeigneten Ablehnungsgesuchen zusammenfassend BVerfG vom 20.8.2020 - 1 BvR 793/19 - RdNr 16; vgl auch BSG vom 16.12.2015 - B 14 AS 191/15 B - RdNr 4 ff; BSG vom 23.5.2018 - B 8 SO 1/18 BH - RdNr 8). Dass dies gelingen könnte, ist nach dem Akteninhalt nicht erkennbar. Die Beschlüsse des LSG zu den Anträgen vom 22.4. und 15.7.2020 sind - anders als der Kläger meint - auch begründet. Wenn er sich der Begründung nicht anzuschließen vermag, beruht das nicht auf einer Verkennung von Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG durch das LSG.
Auch ausstehende Entscheidungen des LSG über die vom Kläger behaupteten Anhörungsrügen können keinen Verfahrensmangel begründen, der den Nichtzulassungsbeschwerden zum Erfolg verhelfen könnte. Dass die offene Frist für die Erhebung einer Anhörungsrüge der Erledigung des Ablehnungsgesuchs nicht entgegensteht, ist höchstrichterlich entschieden. Eine mögliche Verletzung einer Wartepflicht wird durch die (wirksame) Zurückweisung des Ablehnungsantrags geheilt (BSG vom 3.2.2020 - B 14 AS 302/19 B - RdNr 3, 5 mwN).
Sofern der Kläger unter dem Stichwort der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) verschiedene Ausführungen zur Verfahrensführung des LSG macht und daran die Formulierung: "Der Kläger bezweifelt das." anschließt, ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter erfolgreich hierauf bezogene Nichtzulassungsbeschwerden wegen grundsätzlicher Bedeutung begründen könnte. Denn der Kläger behauptet Verfahrensmängel, für deren Vorliegen es nach seiner Schilderung in Zusammenschau mit den Verfahrensakten keine Hinweise gibt. Ob, wie der Kläger geklärt wissen will, Richterablehnungen durch Nichtigkeitsklagen nach § 579 Nr 1 ZPO anfechtbar sind, ist der zulässigen Begründung von Nichtzulassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des LSG vom 21.7.2020, die sich nur auf die Zulassung der Revision gegen die Endurteile von diesem Tag in den Sachen L 9 AS 3178/19 ZVW und L 9 AS 3179/19 ZWV richten könnten, nicht zugänglich.
Anhaltspunkte für einen vom LSG in seinem Urteil vom 21.7.2020 aufgestellten entscheidungserheblichen Rechtssatz, der im Widerspruch zu entscheidungserheblichen - dieselbe Rechtsfrage betreffenden - Rechtssätzen aus Entscheidungen des BVerfG vom 20.7.2007 (1 BvR 2228/06), 23.10.2007 (1 BvR 782/07 - BVerfGE 119, 292) und 21.11.2018 (1 BvR 436/17) bzw des BSG vom 23.3.1965 (11 RA 304/64 - BSGE 23, 30 = SozR Nr 1 zu § 579 ZPO), 24.11.2011 (B 14 AS 151/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 54), 9.4.2014 (B 14 AS 363/13 B) oder 16.12.2015 (B 14 AS 191/15 B) steht und damit Ausgangspunkt für die Formulierung einer zulässigen Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sein könnte, ergeben sich nicht.
Anderweitige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes aus § 160 Abs 2 SGG liegen nach Durchsicht der Akten nicht vor.
Eine Bewilligung von PKH für die Durchführung von Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidungen des LSG vom 30.7.2020 - L 9 AS 2302/20 RG, L 9 AS 2256/20 WA, L 9 AS 2303/20 RG und L 9 AS 2321/20 RG - wird abgelehnt. Den Beschwerden wäre der Erfolg bereits deswegen versagt, weil die Entscheidungen unanfechtbar sind (§ 177 SGG).
Da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, sind auch seine Anträge auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI14693322 |