Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 09.01.2018; Aktenzeichen L 16 KR 113/17)

SG Hannover (Entscheidung vom 16.02.2017; Aktenzeichen S 9 KR 216/14)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 9. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 9.1.2018 einen Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung für ein Fußhebersystem - Bioness Typ Ness L 300 - iHv 5500 Euro verneint: Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für das selbstbeschaffte Hilfsmittel scheitere daran, dass der Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten habe und die Voraussetzungen für die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB V nicht vorgelegen hätten. Auch soweit sich der Kläger auf die Verletzung von Aufklärungs- oder Beratungspflichten durch die beklagte Krankenkasse berufe, ergebe sich daraus kein für ihn günstigeres Ergebnis. § 13 Abs 3 SGB V iVm § 15 Abs 1 SGB IX aF seien abschließende gesetzliche Regelungen, so dass für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kein Raum bleibe (Hinweis auf BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler geltend macht (§ 160a Abs 2 Nr 1 und 3 SGG) geltend macht.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger - trotz seines umfänglichen Vorbringens - die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels nicht formgerecht dargetan hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage,

"inwieweit sich eine gesetzliche Krankenkasse das Fehlverhalten eines Leistungserbringers nach §§ 126, 127 SGB V zurechnen lassen muss". (Seite 2 Beschwerdebegründung)

Bislang sei höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob ein Sanitätshaus dazu verpflichtet sei, einen Versicherten darüber aufzuklären, dass er sich ein verordnetes und gewünschtes Hilfsmittel, das zum Leistungskatalog der GKV zähle, nicht unmittelbar selbst beschaffen könne und ob sich die GKV diesen Aufklärungsfehler zurechnen lassen müsse. Es sei die Frage zu beantworten, ob von einem Versicherten die Kenntnis des Beschaffungswegs erwartet werden könne sowie die Kenntnis über die Rechtsfolgen bei voreiliger Selbstbeschaffung des Hilfsmittels. Zu klären sei auch, ob die gesetzlich normierte Beratungspflicht der Beklagten insbesondere nach §§ 14, 15 Abs 2 SGB I auch für den Leistungserbringer nach §§ 126, 127 SGB V gelte und die Beklagte sich den Verstoß gegen die Beratungspflicht durch ihren Leistungserbringer zurechnen lassen müsse. Die vom LSG zitierte Entscheidung des BSG sei im Hinblick auf die aufgeworfenen Fragen unmaßgeblich.

Diese Ausführungen genügen nicht den Anforderungen an die formgerechte Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

Es fehlt bereits an hinreichender Darlegung und Auseinandersetzung mit der vorhandenen Rechtsprechung des BSG, ob und inwieweit ein auf Kostenerstattung gerichteter Herstellungsanspruch aufgrund eines Aufklärungs- oder Beratungsfehlers außerhalb von § 13 Abs 3 SGB V oder § 15 SGB IX aF vorgesehen ist (dies klar verneinend zB BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 20; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15 RdNr 17, beide mwN). Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers ergibt sich auch kein neuer Klärungsbedarf. Überdies fehlt es aber auch an der Darlegung der Klärungsfähigkeit der Frage. Denn ob sich eine Krankenkasse das Fehlverhalten eines Leistungserbringers zurechnen lassen muss, ist im vorliegenden Rechtstreit nicht erkennbar entscheidungserheblich. Es ist daher auch nicht zu erwarten, dass der Senat zu dieser Frage im angestrebten Revisionsverfahren Stellung nehmen müsste.

Nach den im Beschwerdeverfahren nicht mit substantiierten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) liegen nämlich keine Tatsachen zum "Fehlverhalten eines Leistungserbringers" vor. Das LSG hat sein Urteil nicht auf solche festgestellten Tatsachen tragend gestützt, sondern auf den Umstand, dass der Kläger den Beschaffungsweg für das Hilfsmittel nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V nicht eingehalten habe, weil er die Beklagte nicht vor der Selbsterstattung informiert habe.

An der Darlegung neuen Klärungsbedarfs fehlt es aber auch, weil nach der Rechtsprechung des BSG hinlänglich entschieden ist, dass für einen Kosterstattungsanspruch des Versicherten nach § 13 Abs 3 Alt 2 SGB V die Kostenbelastung des Versicherten wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen muss (stRspr vgl nur BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Daran fehlt es, wenn die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl nur BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10) oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (vgl nur BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29 und BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 33 Nr 28, RdNr 11 mwN). Nichts anderes gilt für den parallelen rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Alt 2 SGB IX aF (idF bis 31.12.2017, vgl BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 42).

2. Soweit der Kläger schließlich die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) rügt, werden auch die Voraussetzungen für die Darlegung des Verfahrensmangels ebenfalls nicht hinreichend aufgezeigt. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann eine Verfahrensrüge auf die Verletzung von § 103 nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Kläger hat in seiner Beschwerdebegründung aber nicht einmal behauptet, im Berufungsverfahren einen (prozessgerechten) Beweisantrag gestellt zu haben. Es ist daher nicht ausreichend, erst in der Beschwerdebegründung zu bemängeln, dass die Instanzgerichte nicht aufgeklärt hätten, "ob eine Beratung des Sanitätshauses stattgefunden" habe.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12076525

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