Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. August 1997 wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die im Dezember 1940 geborene Klägerin, die in der ehemaligen DDR als Diplom-Psychologin beschäftigt war, begehrt die Zulassung der Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin vom 12. August 1997. Im Ausgangsverfahren streiten die Beteiligten darum, ob der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Ansprüche auf zusätzliche Versorgung aufgrund der Anordnung über die freiwillige Versorgung für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und andere Hochschulkader in Einrichtungen des staatlichen Gesundheits- und Sozialwesens vom 20. April 1988 (AO FZV med, abgedruckt in Aichberger II Nr. 181) eine zusätzliche Versorgung bzw eine höhere Rente zusteht.
Der Klägerin war mit Wirkung vom 1. Februar 1975 eine Versorgungszusage in der zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVI) erteilt worden. Später trat sie zusätzlich der mit Wirkung vom 1. Juli 1988 geschaffenen FZV med bei. Ab Juni 1990 wurde ihr eine Invalidenrente aus der Sozialpflichtversicherung (einschließlich Kinderzuschlag 648,00 Mark) sowie eine Zusatzversorgung in Höhe von 927,00 Mark gewährt. Zum 1. Juli 1990 belief sich ihr Gesamtanspruch aus Invalidenrente und Zusatzversorgung auf 1.575,00 DM.
Mit Rentenanpassungsbescheiden aufgrund der 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung (1. und 2. RAV) wurde der Gesamtanspruch (sog Gesamtauszahlbetrag) weiterhin auf 1.575,00 DM festgesetzt. Dabei wurde jeweils der Wert der Invalidenrente auf 695,00 DM bei der 1. bzw. auf 920,00 DM bei der 2. Rentenanpassung angehoben; der Erhöhungsbetrag wurde auf die Zusatzversorgung angerechnet.
Mit sog Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 1993, wurde statt der bisher zustehenden Invalidenrente ab 1. Januar 1992 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) gewährt; der pauschal berechnete monatliche Wert des Rechts der Klägerin auf Rente wegen EU wurde ab 1. Januar 1992 auf 937,73 DM festgesetzt und hierzu ein den Wert des früheren Gesamtanspruchs (bestands-)schützender Rentenzuschlag zuzüglich eines Betrages zum Ausgleich des Eigenanteils am Krankenversicherungsbeitrag gewährt, so daß nach Abzug dieses Krankenversicherungsbeitrages monatlich die Zahlung eines Betrages von 1.515,04 DM (Gesamtanspruch: 1.618,63 DM ./. Eigenanteil aus Krankenversicherungsbeitrag: 103,59 DM) beansprucht werden konnte.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die „Mitteilungen” über die Rentenanpassungen gemäß der 1. und 2. RAV und den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 1991 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 1993 abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Rente der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1991 als Sozialversicherungsrente unter Einschluß der für sonstige Sozialversicherungsrenten geltenden Erhöhungen und Dynamisierungen zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage der Klägerin abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, bei der an die Klägerin gewährten Zusatzversorgung aus der FZV med handele es sich um eine Zusatzrente i.S. der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) und damit um eine Rente aus der Rentenversicherung. Für die Zeit nach dem 31. Dezember 1991 sei die Umwertung zu Recht nach § 307 b SGB VI erfolgt, denn mit Inkrafttreten des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) sei die FZV med eine Zusatzversorgung i.S. des AAÜG geworden (Urteil vom 17. Juni 1994).
Die Beklagte hat gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt und während des Berufungsverfahrens mit Bescheid vom 15. Mai 1996 die EU-Rente der Klägerin unter Berücksichtigung ihres individuellen Versicherungslebens sowie den Nachzahlungsbetrag für die Zeit ab 1. Juli 1990 festgestellt; dieser Bescheid weist einen Wert des Rechts auf monatliche Rente in Höhe von 765,07 DM für die Zeit ab 1. Juli 1990, von 1.207,81 DM ab 1. Januar 1992 und 1.966,73 DM ab 1. Juli 1996 aus. Die Klägerin hat Anschlußberufung eingelegt.
Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, bei der Leistung der Klägerin aus der FZV med handele es sich (ohne Einschränkung) um eine Zusatzversorgung (Urteil vom 12. August 1997).
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 12. August 1997 war abzulehnen.
1. Zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Klägerin folgende Fragen formuliert:
- „Von grundsätzlicher Bedeutung ist die Grundfrage auf diesem Gebiet, ob die sogen. Systementscheidung verfassungswidrig ist, ob sie Auswirkungen hat, die gegen Art. 3, 12 und 14 sowie 20 und Art. 2 GG verstoßen.
- Darf die Beklagte bei der Erteilung des Rentenbescheides die in der DDR rechtmäßig auf vertraglicher und arbeits-/sozialrechtlicher Grundlage erworbenen Ansprüche auf eine den neuen wirtschaftlichen Bedingungen anzupassende Gesamtversorgung negieren – oder darf sie das nicht, weil die Systementscheidung, aus der sich diese Konsequenz ergibt, verfassungswidrig ist?
- Darf die BfA bei der Erteilung eines Rentenbescheides die Verpflichtungen negieren, in die sie gegenüber den Versorgungsberechtigten per Gesetz als Rechtsnachfolger der Staatlichen Versicherung der DDR bzw. der SV für die mit Arbeits-, Dienst- bzw. Einzelvertrag und Versicherungsvertrag bzw. mit Verwaltungsakt dauerhaft zugesicherten Zusatzrentenansprüche gem. FZR bzw. gem. FZV-med in Höhe der Zusatzversorgungsansprüche der Betroffenen eingetreten ist?
- Darf in die Arbeits- bzw. Dienstverträge bzw. Einzelverträge und in die Versicherungsverträge, die rechtmäßig und mit lebenslanger Zusicherung einer Zusatzrente bzw. Zusatzversorgung in der DDR abgeschlossen wurden, in unechter, mehrere Jahrzehnte umfassender Rückwirkung anspruchsliquidierend durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungsakt eingegriffen werden?
- Bestehen die Ansprüche, die von den Betroffenen auf eine Zusatzrente bzw. zusätzliche Versorgung mit dem Charakter einer FZR in der DDR rechtmäßig erworben wurden, über den 2.10.1990 hinaus weiter, und stehen sie ab diesem Zeitpunkt unter dem Schutz des GG – oder darf in diese Ansprüche willkürlich durch Abschmelzung eingegriffen werden oder dürfen sie sogar in unechter Rückwirkung bis in die DDR-Zeit hinein als Zusatzversorgungsansprüche durch die Systementscheidung liquidiert und bei der Neuberechnung insgesamt liquidiert werden?
- Ist die Deklarierung von bestimmten Entgeltpunkten in dem Neuberechnungsbescheid als AAÜG-Entgeltpunkte, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, daß die Zusatzversorgung in die Rentenberechnung eingegangen wäre, rechtmäßig und entspricht sie der Wahrheit, oder verstößt diese Deklarierung von Entgeltpunkten gegen die guten Sitten und den Grundsatz von Treu und Glauben – letztlich gegen das Rechtsstaatsprinzip –, weil sie die Betroffenen darüber täuscht, daß ihnen die in der DDR rechtmäßig erworbenen Ansprüche in der zweiten Säule der Alterssicherung durch die Systementscheidung ersatzlos genommen werden – in Form einer verdeckten entschädigungslosen Enteignung?
- Überschreitet der Gesetzgeber nicht zumindest mit dieser Täuschung und der Systementscheidung den Ermessensspielraum, der ihm im Einigungsvertrag zukommt?
- Gibt es eine Kontinuität des Schutzes, insbesondere des Eigentumsschutzes für die rechtmäßig in der DDR erworbenen Ansprüche auf eine angemessene Alterssicherung oder gibt es eine solche Kontinuität nicht.
Ist es mit den Grundsätzen des Amtsermittlungsprinzips vereinbar, daß das LSG
- versäumt hat, die gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Systementscheidung in der Zeit der Abschmelzung der Zusatzrentenansprüche und nach der Neuberechnung mit einer dem Anliegen der Betroffenen entsprechenden Exaktheit festzustellen und die zu einer genauen Aufklärung dieser die Bf unverhältnismäßig benachteiligenden Auswirkungen notwendigen Maßnahmen einzuleiten?
- die in dem Klagebegehren enthaltenen Fragen nach Gleichbehandlung mit vergleichbaren Berufskollegen aus den alten Ländern nicht berücksichtigt und – vor allem – in der Sachverhaltsaufklärung die wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen der verfassungswidrigen Ungleichbehandlung weder ermittelt noch bewertet hat?
- den Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf diesem Gebiet – die Systementscheidung betreffend – offensichtlich unberücksichtigt gelassen hat, bei der auch ausgehend von den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Entscheidungen zu prüfen ist, ob dem Bf (durch den Gesetzgeber) ein ausreichender Besitzstands- und Vertrauensschutz zugebilligt wird.”
Soweit die Klägerin u.a. darauf hinweist, daß das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 27. Januar 1993 (4 RA 40/92, BSGE 72, 50) die Systementscheidung selbst einschränkend nur als „jedenfalls derzeit noch verfassungsgemäß” bezeichnet habe, kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin hiermit angesichts der von ihr selbst genannten Urteile des BSG zur sog Systementscheidung (u.a. BSGE 72, 60 ff) die (erneute) Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Fragen für die Zeit bis zum 31. Dezember 1996 in der gebotenen Weise dargetan hat. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage ist diesbezüglich jedenfalls für die Zeit bis zum 31. Dezember 1996 als auch für die Zeit ab 1. Januar 1997 nicht – mehr – ersichtlich, so daß die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen war. Mit Urteil vom 31. Juli 1997 (4 RA 35/97 – zur Veröffentlichung bestimmt) hat das BSG nämlich entschieden, daß die sog Systementscheidung jedenfalls in allen Fällen auch über den 31. Dezember 1996 hinaus verfassungsgemäß ist, in denen das seit dem 1. Januar 1992 zuerkannte subjektive Recht auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, das „dynamisierbar” ist, nach Ablauf des Übergangszeitraums einen höheren monatlichen Wert hat als der Gesamtanspruch, den der Zusatzversorgungsberechtigte zum 1. Juli 1990 und – ohne Anwendung des § 10 AAÜG – zum 31. Dezember 1991 aus den sekundär-bundesrechtlichen Vorschriften über die Sozialpflichtversicherung im Beitrittsgebiet hatte. Ein solcher Fall liegt hier vor.
Darüber hinaus hat der 13. Senat des BSG mit Urteil vom 6. Dezember 1996 (BSGE 79, 282) entschieden, daß Zeiten aus der FZV med als Leistungen aus einem Zusatzversorgungssystem vom Überführungsprogramm der Anlage II Kapitel VIII H III Nr. 9 des Einigungsvertrages (EV) erfaßt werden. Insoweit ist in der Beschwerdebegründung eine (erneute) Klärungsbedürftigkeit der vom 13. Senat in diesem Zusammenhang beantworteten Rechtsfragen ebenfalls nicht in der gebotenen Weise dargetan.
2. In der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde hat die Klägerin schließlich auch einen Verfahrensfehler nicht in der gebotenen Weise dargetan. Zum sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgrund des § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG hat sie im wesentlichen vorgetragen, ihre Darlegungen verdeutlichten,
„daß das Berufungsgericht seinen aus dem Amtsermittlungsprinzip resultierenden Pflichten, den Sachverhalt und die Rechtslage umfassend aufzuklären, nicht nachgekommen ist. Es hat sich weder ausreichend mit der Herkunft und dem Charakter der Ansprüche des Bf und den daraus möglicherweise resultierenden Konsequenzen, noch mit den vom Bf vorgetragenen Argumenten zur Verfassungswidrigkeit, für die inzwischen mehrere solide Gutachten stehen, auseinandergesetzt. Höchstrichterlich gibt es zu diesen Problemfragen, von denen der Erfolg der Klage abhängig ist, bislang keine ausreichenden Erörterungen oder Entscheidungen. Auch deshalb ist die Zulassung der Revision unerläßlich”.
Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensfehler auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Hierzu hat die Klägerin in der Beschwerdebegründung nichts dargetan.
Von einer weiteren Begründung dieses Beschlusses sieht der Senat gemäß § 160 a Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen