Verfahrensgang
SG Dresden (Entscheidung vom 27.09.2018; Aktenzeichen S 16 AS 2221/16) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 14.03.2019; Aktenzeichen L 7 AS 991/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).
Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig.
Die Voraussetzungen des allein geltend gemachten Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird.
Hierfür ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Macht die Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß geltend, muss sie unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG im Einzelnen darlegen, welchen gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen zukommen und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des Grundgesetzes im Einzelnen dargelegt werden. Dabei ist aufzuzeigen, dass und inwieweit der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten und in unzulässiger Weise verletzt hat (stRspr; vgl nur BSG vom 8.9.2016 - B 9 V 13/16 B - juris RdNr 7 mwN; BSG vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - juris RdNr 6). Welche Auswirkungen dem im konkreten Fall zukommen, ist substantiiert darzutun (vgl zu den Anforderungen an die Darlegungsanforderungen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zuletzt nur BVerfG vom 10.8.2017 - 1 BvR 1412/16 - RdNr 1 sowie insgesamt BSG vom 15.11.2018 - B 14 AS 105/18 B - RdNr 4). Schließlich hat ein Beschwerdeführer zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt darzustellen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet der Kläger die Fragen:
(1) Ist die mit Art 19 Nr 2b HBeglG vom 9.12.2010 (BGBl I 1885, 1897) zum 1.1.2011 aufgehobene Rentenversicherungspflicht von SGB II-Leistungsbeziehern nach § 3 Nr 3a SGB VI (in der Fassung bis 31.12.2010) insbesondere unter Beachtung des (allgemeinen) Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1, 3 GG), der Eigentumsgarantie (Art 14 Abs 1 GG) und der Menschenwürde (Art 1 Abs 1 GG) im Zusammenhang mit dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) verfassungsgemäß?
(2) Sofern Art 19 Nr 2b HBeglG vom 9.12.2010 (BGBl I 1885, 1897) und die zum 1.1.2011 aufgehobene Rentenversicherungspflicht von SGB II-Leistungsbeziehern nach § 3 Nr 3a SGB VI (in der Fassung bis 31.12.2010) verfassungsgemäß sein sollte, haben Bezieher von Alg II (§§ 19 ff SGB II) Anspruch auf Übernahme von freiwillig zu zahlenden Rentenversicherungsbeiträgen nach § 21 Abs 6 SGB II (unabweisbarer, laufender Mehrbedarf)?
Soweit der Kläger wegen der als (1) formulierten Rechtsfrage geltend macht, (a) der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, weil Bezieher von Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld (vgl § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI idF durch das Dritte und Vierte Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. und 24.12.2003, BGBl I 2848, 2954) oder von Pflegeunterstützungsgeld aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung (vgl § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI idF durch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23.12.2014, BGBl I 2462), wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren, in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert seien und demgegenüber auch der Bezug von Alg II faktisch Lohnersatzfunktion habe, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG, die dem Alg II eine solche Funktion gerade nicht beimisst (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 33 mwN), während sie den in § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI genannten Leistungen zukommt.
Wegen der aufgeworfenen Frage der Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der Rentenversicherungspflicht im Hinblick auf (b) die Eigentumsgarantie hat der Kläger nicht dargelegt, weshalb es - weil notwendige versicherungsrechtliche Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht mehr erreicht werden könnten - zu der von ihm behaupteten Entwertung bislang erworbener Anwartschaften kommen können soll, nachdem der Bezug von Alg II grundsätzlich als Anrechnungszeit zu berücksichtigen ist (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB VI) und daher den Betrachtungszeitraum für die sog Drei-Fünftel-Belegung bei einer Rente wegen Erwerbsminderung verlängert (§ 43 Abs 1 bzw Abs 2 Satz 1 Nr 2, Abs 4 Nr 1 SGB VI). Dass Erwerbsminderungsrentenansprüche im konkreten Fall des Klägers (vgl oben) wegen der Verfehlung der allgemeinen Wartezeit (§ 43 Abs 1 bzw Abs 2 Satz 1 Nr 3, § 50 Abs 1 Nr 2 SGB VI) ausscheiden, hat er in der Beschwerdebegründung nicht einmal behauptet.
Zu den klägerischen Bedenken wegen (c) der Sicherung eines sozioökonomischen Existenzminimums, weil es dem menschlichen Grundbedürfnis entspreche, ausreichend Vorsorge zu gewährleisten, unterlässt der Kläger eine Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass das SGB II Vorsorge ermöglicht (vgl § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Halbsatz 1 SGB II iVm § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V; § 11b Abs 1 Satz 4 SGB II) und gesondert schützt (§ 12 Abs 2 Satz 1 Nr 2 und 3 SGB II). Soweit der Kläger geltend macht, er dürfe im Alter und bei Erwerbsminderung nicht auf das Sicherungssystem des SGB XII verwiesen werden, legt er nicht dar, warum, wenn sich wegen der Einstellung der Beitragszahlungen in der Regel eine Minderung der monatlichen Rentenzahlung von 2,09 Euro pro Jahr des Bezugs von Alg II ergibt (vgl die Begründung der Bundesregierung im Gesetzentwurf zum HBeglG 2011, BT-Drucks 17/3030, S 50) angesichts seiner bisherigen Erwerbsbiografie bei einer Fortführung der Beitragszahlungen Hilfebedürftigkeit für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII vermieden hätte werden können.
Wegen der zu (2) formulierten Rechtsfrage hat es der Kläger jedenfalls versäumt, die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage darzulegen. Es mangelt schon an Vorbringen dazu, dass es in seinem Fall auf die Berücksichtigung von Rentenversicherungsbeiträgen als Bedarf ankommen kann, weil er solche Beiträge zu zahlen hat.
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13855500 |