Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 25.10.2019; Aktenzeichen S 3 R 4119/17) |
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 30.09.2020; Aktenzeichen L 2 R 3984/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. September 2020 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Beschluss vom 30.9.2020 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 7.1.2021 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat darin weder den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch denjenigen der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt.
a) Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und der Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; aus jüngerer Zeit BSG Beschluss vom 8.8.2019 - B 13 R 289/18 B - juris RdNr 9; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14 ff mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 7.1.2021 nicht.
Der Kläger formuliert darin als Rechtsfragen:
1) "Kann/darf die Beurteilung der Minderung der Erwerbsminderung von einem vom erkennenden Gericht relativ willkürlich aufgestellten abschließenden Faktorenkatalog abhängig gemacht werden?"
2) "Auf welche und wie viele von einem Sozialgericht vorgegebene Faktoren darf von diesem erkennenden Gericht zurückgegriffen werden, um die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente zu bejahen?"
Es sei dahingestellt, ob der Kläger damit trotz des starken Einzelfallbezugs hinreichend bestimmte und aus sich heraus verständliche abstrakte Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit von § 43 SGB VI oder einer anderen Vorschrift des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht formuliert. Er stellt jedenfalls den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht genügend dar. Zwar lässt sich seinem Gesamtvorbringen noch entnehmen, dass die Beteiligten um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente streiten, beim Kläger eine Erkrankung aus dem depressiven Formenkreis vorliege, das LSG die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und sich bei Beurteilung des dem Kläger verbliebenen Leistungsvermögens an verschiedenen Faktoren wie ua der Ausprägung der depressiven Symptomatik orientiert habe. Darüber hinaus fehlt es jedoch an einer zumindest gedrängten Darstellung von Inhalt und Verlauf des Verfahrens. Der Kläger teilt auch nicht mit, welche Feststellungen das LSG zu seinem qualitativen und quantitativen Leistungsvermögen und etwaigen Leistungseinschränkungen getroffen habe. Die Wiedergabe des der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ist jedoch Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde, weil es dem Revisionsgericht andernfalls unmöglich ist, sich - wie erforderlich - ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Vortrags des Beschwerdeführers ein Bild über den Streitgegenstand und rechtliche wie tatsächliche Streitpunkte zu machen (zuletzt etwa BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 13 R 3/20 B - juris RdNr 6 mwN).
Darüber hinaus legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht anforderungsgerecht dar. Ihm hätte es oblegen, die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den medizinischen Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung zu untersuchen (vor Eingang der Beschwerdebegründung zuletzt etwa BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 274 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22) und darzulegen, warum sich seiner Meinung nach die unterstellten Rechtsfragen damit nicht genügend beantworten lassen. Denn als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 450/14 B - juris RdNr 9). Daran fehlt es. Der Kläger setzt sich in keiner Weise mit der zu § 43 SGB VI ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander.
Soweit der Kläger ausführlich darstellt, warum er nach seinem Dafürhalten erwerbsgemindert sei, wendet er sich im Kern gegen die Würdigung der Ermittlungsergebnisse durch das LSG und die inhaltliche Richtigkeit der Berufungsentscheidung. Dass ein Beteiligter das angegriffene Urteil für inhaltlich falsch hält, kann indes nicht zur Revisionszulassung führen (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 21.4.2020 - B 13 R 44/19 B - juris RdNr 8; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
b) Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nicht-Übereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein entscheidungstragender Rechtssatz oder mehrere derartige Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 15 ff mwN). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6). Diesen Darlegungsanforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger macht darin eine Abweichung von Entscheidungen des LSG Baden-Württemberg vom 14.3.2018 (L 5 R 1863/17) und 27.4.2016 (L 5 R 459/15) sowie des Bayerischen LSG vom 18.1.2017 (L 9 R 755/11) geltend. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG kann eine Divergenz im sozialgerichtlichen Verfahren aber lediglich auf die Abweichung von einer Entscheidung der in dieser Vorschrift abschließend genannten Gerichte gestützt werden (BSG Beschluss vom 22.4.2013 - B 13 R 21/13 B - juris RdNr 10).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14668813 |