Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Januar 2023 - L 12 AS 573/22 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3).
Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung auf der Grundlage des Inhalts der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar. Ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, was der Kläger bestreitet, ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht zu prüfen und daher auch für die Erfolgsaussicht dieses Rechtsmittels irrelevant.
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit ab Januar 2014. Das LSG hat den angefochtenen Bescheid vom 3.8.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.10.2021 unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls für rechtmäßig gehalten. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich in diesem Zusammenhang nicht. Dass die Mitwirkungspflichten der §§ 60 ff SGB I auch für Verwaltungsverfahren nach dem SGB II gelten, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt (grundlegend BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2). Deren Umfang und Grenzen im Einzelfall hängen von den jeweiligen tatsächlichen Umständen ab und sind nicht von allgemeiner Relevanz. Ebenso wie die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast abgelehnt werden kann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nicht zur Überzeugung der Behörde oder des Gerichts nachgewiesen sind (vgl BVerfG [Kammer] vom 1.2.2010 - 1 BvR 20/10 - juris RdNr 2; BSG vom 29.11.2022 - B 4 AS 64/21 R - juris RdNr 34 mwN - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen), können Grundsicherungsleistungen auch mangels hinreichender Mitwirkung desjenigen, der die Leistungen begehrt, versagt werden (vgl BSG vom 30.5.2022 - B 4 AS 40/22 BH - juris RdNr 3).
Soweit der Kläger rügt, die Verwaltungspraxis der Beklagten entspreche nicht der Weisungslage der Bundesagentur für Arbeit (BA), lässt sich hierauf schon deshalb keine Grundsatzrüge stützen, weil zugelassene kommunale Träger nach § 6a SGB II nicht an die Fachlichen Weisungen der BA gebunden sind (BSG vom 24.6.2020 - B 4 AS 26/20 B - juris RdNr 7).
Eine entscheidungserhebliche Divergenz ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das LSG hat in seinem Urteil keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Dies gilt insbesondere für die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BSG, wonach Kontoauszüge Beweismittel bzw -urkunden darstellen, der das LSG nicht im Grundsätzlichen widersprochen hat (also durch die Annahme, Kontoauszüge seien keine Beweismittel bzw -urkunden). Die aufgeworfene Frage, ob die vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge als einziger Beweis zur Aufklärung des Sachverhalts ausreichen, betrifft allein die Rechtsanwendung im Einzelfall sowie die tatrichterliche Beweiswürdigung, was keinen Revisionszulassungsgrund zu begründen vermag.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ließe sich auch nicht mit Erfolg auf einen Verfahrensmangel stützen. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, wenn der Tatbestand des Berufungsurteils - wie der Kläger vorträgt - nicht dem in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Sachbericht entsprechen sollte. Eine diesbezügliche Vorgabe ist dem Prozessrecht nicht zu entnehmen. Vielmehr ergeben sich Abweichungen notwendigerweise schon aus dem Umstand, dass die Darstellung des Sachverhalts gemäß § 112 Abs 1 Satz 2 SGG zu Beginn der mündlichen Verhandlung erfolgt, während der Tatbestand nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 314 Satz 1 ZPO (auch) das mündliche Beteiligtenvorbringen beurkundet.
Nach § 120 Abs 1 Satz 1 SGG haben die Beteiligten das Recht der Einsicht in die Akten, soweit die übermittelnde Behörde dieses nicht ausschließt. In diesem Rahmen hat das Gericht die Aufgabe, dem Antragsteller die Akten in dem Zustand zur Verfügung zu stellen, in dem sie ihm als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehen (Bieresborn in BeckOGK SGG, § 120 RdNr 14, Stand 1.5.2023). Das ist im Berufungsverfahren geschehen. Mit der Kritik an der Aktenführung der Beklagten bezeichnet der Kläger keinen Mangel des gerichtlichen Verfahrens.
Schließlich lässt sich ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, nicht auf die Tatsache stützen, dass der auf dem schriftlichen Berufungsurteil angebrachte Verkündungsvermerk ein falsches Datum aufweist. Denn dieser Fehler kann sich auf das Ergebnis des in Anwesenheit des Klägers in öffentlicher Sitzung des LSG am 11.1.2023 verkündeten Urteils nicht ausgewirkt haben. Insoweit erbringt das Protokoll über den Termin als öffentliche Urkunde Beweis dafür, dass die dort wiedergegebene Urteilsformel verkündet worden ist (BGH vom 21.4.2015 - VI ZR 132/13 - NJW 2015, 2342).
Söhngen |
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Burkiczak |
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B. Schmidt |
Fundstellen
Dokument-Index HI15858353 |