Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Bestimmung des zuständigen Gerichts. örtliche Zuständigkeit. Leistungserbringung. gesetzliche Krankenversicherung. Nichtvorliegen der in § 57a Abs 1 S 1 SGG genannten Sonderzuständigkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 58 Abs 1 Nr 5 SGG, „wenn eine örtliche Zuständigkeit nach § 57 nicht gegeben ist”, setzt voraus, dass das bereits mit der Sache befasste Gericht weder nach § 57, § 57a, § 57b SGG zuständig ist noch von sich aus das zuständige Gericht zum Zwecke der Verweisung bestimmen kann (Fortführung von BSG vom 1.8.1958 – 1 S 3/58 = SozR Nr 3 zu § 58 SGG).

2. Wenn in einer Angelegenheit des Leistungserbringerrechts keine der in § 57a Abs 1 S 1 SGG geregelten Sonderzuständigkeiten eingreift, bleibt es bei der Grundregel des § 57 SGG.

Stand: 18. September 2003

 

Normenkette

SGG § 57 Abs. 1 S. 1, § 57a Abs. 1 S. 1 Fassung: 2002-04-27, § 58 Abs. 1 Nr. 5, § 57b

 

Verfahrensgang

SG Düsseldorf (Aktenzeichen S 34 KR 121/03)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

 

Tatbestand

I

Die klagende Aktiengesellschaft mit Sitz in Köln bzw Troisdorf (die Angaben sind nicht einheitlich) ist nach eigenen Angaben zugelassener Leistungserbringer von Hilfsmitteln (§ 126 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫) und versorgt als solcher auch Versicherte der beklagten AOK. Mit ihrer am 10. Juni 2003 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf eingegangenen Klage begehrt sie die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, enterale Ernährung iS des § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V nach den für Arzneimittel geltenden Abrechnungsverfahren gemäß § 300 SGB V abzurechnen; ferner sei der Beklagten zu untersagen, eingereichte Rechnungen der Klägerin unbeglichen zurückzusenden, wenn die entsprechenden Abrechnungsverfahren nicht eingehalten sind. Mit Schreiben vom 23. Juli 2003 wies das SG Düsseldorf die Beteiligten darauf hin, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit an das SG Köln zu verweisen, dessen örtliche Zuständigkeit gemäß § 57 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben sein dürfte. Ein Fall der Sonderzuständigkeit gemäß § 57a Abs 1 Satz 1 SGG liege nicht vor.

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2003, beim Bundessozialgericht eingegangen am 28. Juli 2003, beantragt die Beklagte gemäß § 58 Abs 1 Nr 5 SGG, das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit zu bestimmen. Sie trägt vor, die örtliche Zuständigkeit für den vorliegenden Streitgegenstand ergebe sich weder aus § 57 noch aus § 57a oder § 57b SGG. Kraft Sachzusammenhang liege es nahe, für den vorliegenden Rechtsstreit das SG Hannover als örtlich zuständig zu bestimmen.

Mit Beschluss vom 28. Juli 2003 hat das SG Düsseldorf das gleichzeitig mit dem vorliegenden Hauptsacheverfahren anhängig gemachte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an das SG Köln verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II

Dem Ersuchen der Beklagten, das für die gemeinsame Klage zuständige Gericht zu bestimmen, kann nicht entsprochen werden, weil die sachlichen Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 SGG nicht erfüllt sind.

Die bei der vorliegenden Konstellation allein in Betracht kommende Regelung des § 58 Abs 1 Nr 5 SGG sieht die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das gemeinsam nächsthöhere Gericht für den Fall vor, dass eine örtliche Zuständigkeit nach § 57 SGG nicht gegeben ist. Eine solche prozessuale Situation liegt hier nicht vor. Denn die örtliche Zuständigkeit ergibt sich entweder aus § 57 oder aus § 57a SGG. Für die Anwendung des § 58 Abs 1 Nr 5 SGG ist kein Raum, da das SG Düsseldorf entweder selbst nach § 57 bzw §§ 57a, 57b örtlich zuständig ist oder das zuständige Gericht zum Zwecke der Verweisung von sich aus bestimmen kann (s BSG vom 1. August 1958, SozR Nr 3 zu § 58 SGG).

Sofern § 57 Abs 1 Satz 1 SGG einschlägig wäre, ist örtlich zuständig das Gericht, in dessen Bezirk die Klägerin zur Zeit der Klageerhebung ihren Sitz hatte, also das für Köln bzw Troisdorf zuständige SG. Von den Sonderzuständigkeiten nach § 57a bzw § 57b SGG käme allenfalls eine Zuständigkeit nach § 57a Abs 1 Satz 1 SGG in Betracht, der in der hier anzuwendenden Fassung (nach Änderung durch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze vom 27. April 2002, BGBl I 1467) folgenden Wortlaut hat:

„In Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung ist, wenn es sich um Fragen der Zulassungen nach Vertragsarztrecht handelt, das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk der Vertragsarztsitz, der Vertragszahnarztsitz oder Psychotherapeutensitz liegt ≪Alternative 1≫, in den anderen Angelegenheiten des Vertragsarztrechts das Sozialgericht, in dessen Bezirk die Kassenärztliche (Kassenzahnärztliche) Vereinigung ihren Sitz hat ≪Alternative 2≫, jedoch in Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Bundesebene betreffen, das Sozialgericht, in dessen Bezirk die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihren Sitz hat ≪Alternative 3≫, und in Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene betreffen, soweit durch Landesrecht nichts Abweichendes bestimmt ist, das Sozialgericht, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat ≪Alternative 4≫.”

Der Senat kann offen lassen, ob eine der vorgenannten Alternativen auf den vorliegenden Fall anwendbar sein kann. Jedenfalls ist hier keine Fallgestaltung denkbar, in der keine der aufgezeigten gesetzlich geregelten örtlichen Zuständigkeiten eingreift. Denn wenn keine der Sonderregelungen des § 57a SGG einschlägig ist, verbleibt es bei der Grundregel des § 57 Abs 1 Satz 1 SGG.

Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten kann § 57a Abs 1 Satz 1 SGG nicht in dem Sinne als abschließende Regelung der örtlichen Zuständigkeit bei Rechtsstreitigkeiten im Rahmen des Leistungserbringerrechts verstanden werden, dass sie die subsidiäre Geltung des § 57 SGG für den Fall ausschließt, dass keine der in § 57a SGG geregelten Alternativen vorliegt. Die Alternative 4 der Vorschrift ist keine Auffangklausel für sämtliche in den Alternativen 1 bis 3 nicht geregelten Fälle. Dies stellt die oben zitierte Neufassung des § 57a Abs 1 Satz 1 SGG klar, die die Wörter „im übrigen” ersetzt hat durch „in Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene betreffen”.

 

Fundstellen

FA 2004, 32

SozR 4-1500 § 58, Nr. 1

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