Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 12.08.2015; Aktenzeichen L 6 R 5/14) |
SG Speyer (Entscheidung vom 25.11.2013; Aktenzeichen S 13 R 576/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. August 2015 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 161 987,16 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Im Streit steht der Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines Belegungsvertrags mit der Beklagten. Ihre hierauf gerichtete Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 25.11.2013). Auch im Berufungsverfahren ist sie erfolglos geblieben (Urteil vom 12.8.2015). Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend. Ferner rügt sie einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, denn die Klägerin bezeichnet weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Divergenz und den Verfahrensfehler formgerecht (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtssicherheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt. Diesen Anforderungen wird die Klägerin mit ihrer Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin bezeichnet als Rechtsfrage zwar: "Ob die Beklagte die Ablehnung eines Belegungsangebots auf die fehlende fachliche Eignung der Klägerin stützen kann, wenn zwischen der Klägerin und den gesetzlichen Krankenkassen ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht und die Einrichtung zertifiziert ist bzw. ob die dahingehende Ablehnung unter Qualitätsgesichtspunkten nicht gegen das im SGB IX normierte Vollständigkeits- und Vereinheitlichungsgebot verstößt"? Sie formuliert damit jedoch bereits keine abstrakte Rechtsfrage, die noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und im Revisionsverfahren einer grundsätzlichen Klärung zugeführt werden könnte und müsste.
Sie zeigt mit ihrer Formulierung bereits keinen abstrakten Klärungsbedarf auf, sondern nur den aus ihrer Sicht konkreten Klärungsbedarf im vorliegenden Einzelfall. Insoweit mangelt es insbesondere an Ausführungen dazu, dass das Vorliegen eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V und die Zertifizierung der Einrichtung die Prüfung weiterer Qualitätsanforderungen überflüssig machen sollen. Der alleinige Hinweis auf das Vollständigkeits- und Vereinheitlichungsgebot des SGB IX macht nicht mit der erforderlichen Klarheit deutlich, warum die offensichtlich von der Beklagten angenommene fehlende fachliche Eignung im konkreten Fall für die Entscheidung nicht so erheblich ist, dass deren Außerachtlassen zu einer abstrakten Klärungsbedürftigkeit iS des Erfordernisses einer höchstrichterlichen Klärung der oben benannten Frage führen könnte.
Selbst wenn man die abstrakte Klärungsbedürftigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Frage annehmen wollte, so mangelt es an hinreichenden Darlegungen zu deren Klärungsfähigkeit im vorliegenden Rechtsstreit. Insoweit hätte die Klägerin aufzeigen müssen, von welchem Sachverhalt das BSG auszugehen hat und dass auf dieser Grundlage im angestrebten Revisionsverfahren notwendig über die aufgeworfene Frage entschieden werden muss. Der Lebenssachverhalt ergibt sich jedoch aus der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde allenfalls fragmentarisch. Benannt werden weder der Verfahrensablauf, die Gründe der Beklagten, den Abschluss eines Belegungsvertrags abzulehnen, noch die, die das LSG dazu bewogen haben, der Entscheidung der Beklagten zu folgen. Unabhängig davon, ob die Klägerin auch hätte darlegen müssen, welche Tatsachen vom LSG festgestellt worden sind, gehört es jedenfalls nicht zu den Aufgaben des Beschwerdegerichts, sich die maßgeblichen Tatsachen aus der angegriffenen Entscheidung selbst herauszusuchen (stRspr, vgl zB Senatsbeschluss vom 14.2.2007 - B 13 R 477/06 B - Juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 7). Vielmehr muss die Beschwerdebegründung den Senat in die Lage versetzen, sich ohne das Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des klägerischen Vortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 26.6.2006 - B 13 R 153/06 B - Juris RdNr 9 mwN). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
2. Auch im Hinblick auf die Divergenzrüge wird die Nichtzulassungsbeschwerde nicht den Formerfordernissen gerecht. Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrundes einer Divergenz ist in der Beschwerdebegründung die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweichen soll, zumindest so zu bezeichnen, dass sie ohne Schwierigkeiten auffindbar ist. Ferner ist deutlich zu machen, worin die Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss einen abstrakten Rechtssatz aus dem vorinstanzlichen Urteil und einen abstrakten Rechtssatz aus der höchstrichterlichen Entscheidung so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Es reicht hingegen nicht aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Selbst wenn man annehmen wollte, die Darlegungen der Klägerin verdeutlichten hinreichend, dass sie eine Divergenz insoweit erkennt, als das LSG ihrer Ansicht nach im Hinblick auf die Bindungswirkung einer vorangegangenen Entscheidung (Urteil des SG Speyer vom 10.9.2008 - S 10 R 85/07) von der Rechtsprechung des BSG abweicht, hat sie keinen abstrakten Rechtssatz aus der angegriffenen Entscheidung des LSG herausgearbeitet, mit dem es einem solchen des BSG entgegen getreten wäre. Sie zitiert aus der Entscheidung des BSG vom 27.6.2007 (B 6 KA 27/06 R - SozR 4-1500 § 141 Nr 1) zwar, dass nach dem Erlass eines Urteils zwischen den Beteiligten im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens eine sachlich abweichende Entscheidung zwischen diesen nicht mehr ergehen dürfe. Die materielle Rechtskraft eines Bescheidungsurteils erstrecke sich auf alle Rechtsauffassungen, die dieses der Behörde bei Erlass des neuen Verwaltungsakts zur Beachtung vorschreibe. Dem stellt sie jedoch lediglich die ihrer Ansicht nach unzutreffende Rechtsanwendung des LSG entgegen, ohne darzulegen, dass diese der Rechtsprechung des BSG abstrakt widerspricht. Letztlich setzt sie der Begründung des Berufungsgerichts nur ihre eigene Rechtsauffassung entgegen, indem sie darbringt, dass das LSG die Entscheidung des SG Speyer inhaltlich verkannt habe. Sie zeigt sodann auf, was das SG Speyer ausgeführt hat und trägt vor, dass das LSG zu Unrecht die Vorgaben des SG Speyer im Ablehnungsschreiben der Beklagten als beachtet erkannt habe.
3. Auch mit der Rüge des Verfahrensfehlers der Verletzung rechtlichen Gehörs vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnet sein. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus dargestellt werden, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).
Die von der Klägerin gerügte Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (Art 103 GG, § 62 SGG) liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BVerfGE 25, 137, 140; 34, 344, 347) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl Senatsbeschlüsse vom 4.8.2004 - B 13 RJ 167/03 B - Juris RdNr 8; vom 20.8.2008 - B 13 R 217/08 B - Juris RdNr 5).
Das Gebot der Wahrung des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht regelmäßig nur dazu, die Ausführungen von Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Es ist erst verletzt, wenn sich klar ergibt, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung gar nicht erwogen worden ist (vgl BVerfGE 65, 293, 295 f mwN = SozR 1100 Art 103 Nr 5 S 3 f; BSG Beschluss vom 16.1.2007 - B 1 KR 133/06 B - Juris RdNr 4 mwN). Andererseits muss sich ein Gericht nicht ausdrücklich mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen, wenn sich aus der Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass es das Vorbringen auch ohne explizite Erwähnung für unerheblich gehalten hat (vgl BSG Beschluss vom 16.1.2007 - B 1 KR 133/06 B - Juris RdNr 4; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 136 RdNr 7a mwN).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat die Klägerin eine Gehörsrüge nicht hinreichend bezeichnet, wenn sie vorträgt, das LSG habe sich nicht mit ihrem Sachvortrag auseinandergesetzt, dass aus dem Abschluss des Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V und dem in § 4 Abs 2 S 2 SGB I formulierten Prinzip, dass die Leistungen aller Rehabilitationsträger von gleicher Qualität und wechselseitig akzeptabel sein sollen, schon ein Anspruch auf Abschluss eines Belegungsvertrags folgen müsse. Gleiches gilt für die Behauptung, das LSG habe ihren Vortrag nicht berücksichtigt, dass sie sowohl ein naturheilkundliches als auch ein schulmedizinisches Therapiespektrum zur Verfügung stelle, sodass seitens der Beklagten nicht der Abschluss eines Belegungsvertrags unter Verneinung der Zweckmäßigkeit der in der Klinik der Klägerin zur Anwendung kommenden medizinischen Maßnahmen versagt werden könne.
Mit diesem Vorbringen rügt die Klägerin im Kern die vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG, die darin liegen soll, dass das Berufungsgericht ihrer Ansicht nach einen verfehlten Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat und nicht ihrer Subsumtion gefolgt ist. Hierauf kann jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Ungeachtet dessen ist dem Senat eine weitere Prüfung, ob das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruht, bereits deshalb nicht möglich, weil die Klägerin - wie oben bereits aufgezeigt - die Tatsachenfeststellungen des LSG nicht in nachvollziehbarer und verständlicher Weise darlegt, sondern allenfalls bruchstückhaft Teile des Sachverhalts und der Begründung des LSG wiedergibt. Die Beschwerdebegründung lässt daher eine Überprüfung der Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Verfahrensfehlers nicht zu.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Hinsichtlich der Höhe des Streitwerts folgt der Senat den Erwägungen des LSG in dem Beschluss vom 20.5.2016 (L 6 R 70/16 B). Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
Fundstellen
Dokument-Index HI11351370 |