Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1. gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. Juni 2023 wird als unzulässig verworfen.
Die Beigeladene zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 4.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit für die zu 1. beigeladene Stadt (im Folgenden: Beigeladene) in der Fahrradstation am Hauptbahnhof sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.
Die Beigeladene ist Pächterin verschiedener Gebäudeteile des Hauptbahnhofs D und richtete dort Ende der 1990er Jahre eine Fahrradstation mit Fahrrad-Parkhaus ein. Diese wurde zunächst von der I gGmbH verbunden mit einem geförderten Beschäftigungsprojekt betrieben, in dessen Rahmen ua der Kläger in der Zeit vom 1.5.2003 bis zum 31.12.2004 mit der Betreuung des Fahrradparkhauses betraut war. Ab 1.1.2005 betrieb der Kläger die Fahrradstation mit einem Kollegen auf Grundlage eines mit der Beigeladenen vereinbarten "Auftrags".
Die Beklagte stellte auf Antrag des Klägers fest, dass er die Tätigkeit für die Beigeladene vom 1.1.2005 bis zum 31.8.2005 und vom 1.9.2008 bis zum 5.8.2016 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe(Bescheide vom 8.1.2018, Widerspruchsbescheid vom 13.11.2018) . In der Zeit vom 1.9.2005 bis zum 31.8.2008 habe der Kläger einen Existenzgründungszuschuss erhalten, sodass kein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen sei(Bescheide vom 5.1. und 15.5.2017, Widerspruchsbescheid vom 19.7.2017) .
Das SG hat die Klage auf Feststellung eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen in der Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.8.2005 und vom 1.9.2008 bis zum 31.12.2018 abgewiesen. Der Kläger habe mit seinem Kollegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet und sei selbstständig tätig gewesen(Urteil vom 29.11.2021) . Nachdem die Beklagte den angefochtenen Bescheid in der mündlichen Verhandlung abgeändert und auf die Zeit bis zum 31.12.2018 erstreckt hatte, hat das LSG der Berufung des Klägers stattgegeben und ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis in der Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.8.2005 und vom 1.9.2008 bis zum 31.12.2018 festgestellt. Der Kläger sei entgegen der anderslautenden vertraglichen Vereinbarung in einer seine Tätigkeit als Fahrradparkhauspförtner und -hausmeister prägenden Weise tatsächlich den Weisungen der Beigeladenen unterworfen und in deren Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen. Zudem fehle ein unternehmerisches Risiko auf Seiten des Klägers vollständig. Auch sei von Belang, wie sich das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen angebahnt habe. Der Kläger habe die identische Tätigkeit zuvor im Rahmen eines geförderten Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Die Konstruktion eines Auftragsverhältnisses mit dem Kläger und seinem Kollegen habe zum Ziel gehabt, keine Fördergelder für den Betrieb der Fahrradstation an das Land zurückzahlen zu müssen und den Betrieb möglichst kostengünstig und aufgrund eines Einstellungstopps der Stadt gerade nicht mit abhängig Beschäftigten fortzuführen. Der Kläger und sein Kollege hätten jedoch bereits keine GbR zum Betrieb der Fahrradstation gegründet. Es lägen keine ausreichenden Umstände vor, aus denen auf die konkludente Gründung einer GbR geschlossen werden könne(Urteil vom 22.6.2023) .
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beigeladene gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG. Der Kläger hat beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Die Beigeladene meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist(stRspr; vgl nurBSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17;BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN) . Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beigeladene trägt vor, der Rechtsstreit werfe folgende Rechtsfrage auf:
"Ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber auch dann ausgeschlossen, wenn es sich bei dem Auftragnehmer um eine rechtsfähige Personengesellschaft wie z.B. eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) handelt und wenn die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung mit entsprechender Weisungsgebundenheit gegenüber den Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit überwiegen?"
Das BSG habe in seinem Urteil vom 24.11.2005( B 12 RA 1/04 R - BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7) festgestellt, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber grundsätzlich ausgeschlossen sei, wenn es sich bei dem Auftragnehmer um eine rechtsfähige Personengesellschaft handele, denn die Rechtspersönlichkeit der am Vertragsschluss Beteiligten dürfe nicht hinwegfingiert werden. Das LSG habe mit dem angegriffenen Urteil hingegen festgestellt, dass bei Überwiegen der für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Anhaltspunkte auch dann ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegen könne, wenn es sich beim Auftragnehmer um eine rechtsfähige Personengesellschaft handele. Die Frage sei klärungsbedürftig, weil bisher eine Entscheidung des BSG für den Fall einer Gesellschaft als Auftragnehmerin bei Überwiegen der Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung fehle und divergierende Entscheidungen des LSG zu der Frage existierten. Die Frage habe über den Einzelfall hinaus Bedeutung. Jährlich vergebe die öffentliche Hand in Deutschland Aufträge in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrags an private Unternehmen. Die Frage sei auch entscheidungserheblich. Sei ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis immer ausgeschlossen, wenn Auftragnehmer eine rechtsfähige Personengesellschaft sei, dann erfolge die Prüfung einer abhängigen Beschäftigung grundsätzlich nicht.
Die Beigeladene versäumt es, die von ihr selbst zitierte einschlägige Rechtsprechung des BSG darauf zu untersuchen, ob diese ggf ausreichende Hinweise für die Beantwortung der von ihr formulierten und als klärungsbedürftig angesehenen Fragen enthält. Denn auch wenn das BSG eine Frage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, ist eine Rechtsfrage doch auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben(vglBSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowieBSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6) .
Jedenfalls wird die Beschwerdebegründung auch den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht gerecht. Wird ein Urteil auf mehrere Begründungen gestützt, die jede für sich den Urteilsausspruch tragen, muss mit der Beschwerdebegründung für jede dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund formgerecht dargelegt oder bezeichnet werden(vglBSG Beschluss vom 12.3.2024 - B 9 V 23/23 B - juris RdNr 9 ;BSG Beschluss vom 29.9.2016 - B 12 KR 26/16 B - juris RdNr 15 ) . Daran fehlt es hier. Das LSG hat seine Entscheidung - worauf der Kläger zutreffend hinweist - neben dem Überwiegen der Merkmale einer abhängigen Beschäftigung auch darauf gestützt, dass es bereits an einer am Markt aufgetretenen GbR fehle. Diese Begründung hat die Beschwerde nicht mit Revisionszulassungsgründen angegriffen.
2. Der außerdem geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung muss auf einem abstrakten Rechtssatz beruhen, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht(vglBSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 undBSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN) . Hinreichend bezeichnet ist eine solche Abweichung nur dann, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat(vglBSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 undBSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN) .
Die Beigeladene trägt insoweit vor, das LSG habe folgenden allgemeinen Rechtssatz aufgestellt:
"Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn es sich bei dem Auftragnehmer um eine rechtsfähige Personengesellschaft wie z.B. eine OHG, KG, GmbH & Co. KG, Partnergesellschaft oder auch eine GbR handelt, denn die Rechtspersönlichkeit, der am Vertragsschluss Beteiligten darf grundsätzlich nicht 'hinwegfingiert' werden.Dies gilt nicht, wenn im Einzelfall - wie vorliegend - die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung mit entsprechender Weisungsgebundenheit gegenüber den Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit deutlich überwiegen würden. "
Das LSG habe trotz Vorliegens einer GbR die Prüfung der Voraussetzungen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zugelassen. Demgegenüber habe das BSG in seinem Urteil vom 24.11.2005( B 12 RA 1/04R - BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7) ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber ausgeschlossen, wenn Auftragnehmer eine rechtsfähige Personengesellschaft sei. Eine Prüfung der Merkmale einer abhängigen Beschäftigung erfolge nicht mehr. Die Entscheidung beruhe auch auf der Abweichung. Hätte das LSG festgestellt, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis immer ausgeschlossen sei, wenn es sich bei dem Auftragnehmer um eine rechtsfähige Personengesellschaft handele, dann hätte ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht festgestellt werden können.
Auch insoweit legt die Beschwerde jedenfalls nicht hinreichend dar, dass die angefochtene Entscheidung auf der geltend gemachten Divergenz beruht, die behauptete Divergenz also für das BSG in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich sein wird(zum Beruhen vgl nur Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 395 mwN) . Das LSG hat sich auch tragend darauf gestützt, es lägen keine ausreichenden Umstände für die (konkludente) Gründung einer GbR vor. Hierauf geht die Beschwerde nicht ein.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm§ 154 Abs 2 ,§ 162 Abs 3 VwGO . Für die Frage, ob im Sinn von § 197a SGG weder die Klägerin noch die Beklagte zu den nach § 183 SGG genannten Personen gehören und deshalb Kosten nach dem GKG zu erheben sowie die Vorschriften der VwGO entsprechend anzuwenden sind, ist auf die Beteiligtenrollen des jeweiligen Rechtszugs abzustellen(vglBSG Beschluss vom 26.3.2019 - B 12 R 47/18 B - juris RdNr 16 mwN) . Im vorliegenden Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde sind die Voraussetzungen des § 197a SGG erfüllt, da allein die Beigeladene die Beschwerde erhoben hat und sie als Arbeit- oder Auftraggeberin nicht dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis angehört.
5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm§ 52 Abs 2 ,§ 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie§ 63 Abs 2 Satz 1 GKG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16612059 |