Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezeichnung des Verfahrensmangels

 

Orientierungssatz

Zur Bezeichnung eines Verfahrensfehlers, wenn das LSG über die vom Kläger gestellten Beweisanträge erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung, im Urteil entschieden hat.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 160a Abs 2 S 3, § 103

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 18.01.1990; Aktenzeichen L 3 Ar 68/88)

 

Gründe

Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Sie war deshalb entsprechend den §§ 169, 193 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Der Beschwerdeführer nennt Zulassungsgründe, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Er behauptet, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, und das angegriffene Urteil beruhe auf einem Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Er hat aber die behaupteten Zulassungsgründe nicht so dargelegt und bezeichnet, wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt. Diese Vorschrift gebietet nach ständiger Rechtsprechung, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden. Zur Begründung der Grundsätzlichkeit der Rechtssache muß erläutert werden, daß und warum in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Rechtsfrage erheblich sein würde, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Eine vorschriftsmäßig begründete Verfahrensrüge liegt nur dann vor, wenn die sie begründenden Tatsachen im einzelnen genau angegeben sind und in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48).

Die Beschwerde ist in diesem Sinn zu beiden Rügen nicht formgerecht begründet. Als Verfahrensfehler ist gerügt worden, daß das Landessozialgericht (LSG) über die vom Kläger gestellten Beweisanträge erst im Urteil, also nach Schluß der mündlichen Verhandlung, entschieden habe. Es habe sich um einen sogenannten "Hauptbeweisantrag" gehandelt, der trotz der das sozialgerichtliche Verfahren beherrschenden Maxime der Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen entsprechend der Vorschrift des § 244 Abs 6 der Strafprozeßordnung und entsprechend § 86 Abs 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht erst im Urteil hätte beschieden werden dürfen. Zu dieser Verfahrensfrage fehle es an höchstrichterlicher Rechtsprechung, so daß ihr zugleich grundsätzliche Bedeutung zukomme.

Soweit der Kläger ausführt, er hätte bei selbständiger Zurückweisung der Beweisanträge einen neuen Beweisantrag mit der Zielsetzung gestellt, die Unvermittelbarkeit von Energieanlagenelektronikern im Bereich des gesamten Bundesgebiets darzulegen, erfüllt er die Anforderungen des § 160a SGG nicht. Unterlassene Sachaufklärung kann nur gerügt werden, wenn einerseits ein gestellter Beweisantrag bezeichnet wird und andererseits dargestellt wird, daß diesem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Bezüglich der vom Kläger gestellten Beweisanträge fehlt es in der Nichtzulassungsbeschwerde an einer Auseinandersetzung mit den Gründen des LSG. Wegen der besonderen Bedeutung, die den protokollierten Beweisanträgen zukommt, hat der Senat bereits entschieden, daß den Betroffenen Gelegenheit zu geben ist, die von ihm für notwendig erachteten Beweisanträge zu stellen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 70). Würde man davon ausgehen, daß es darüber hinaus entgegen den (vom Kläger dargestellten Auffassungen in der Literatur) im sozialgerichtlichen Verfahren eine Verpflichtung zur Vorabbescheidung von Beweisanträgen gäbe, könnte ein Verstoß gegen diese Verpflichtung nur mit der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs oder des unfairen Verfahrens geltend gemacht werden. Zugleich müßte jedoch ausgeführt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen kann. Daran fehlt es hier schon deshalb, weil nicht ausgeführt ist, warum der Kläger ohne Kenntnis der Rechtsauffassung des LSG daran gehindert gewesen ist, einen das ganze Bundesgebiet betreffenden Beweisantrag zu stellen. Im übrigen hätte der Kläger spätestens in der Nichtzulassungsbeschwerde darlegen müssen, welchen konkreten Beweisantrag das LSG durch seine Verfahrensweise verhindert hat. Hierzu genügt es nicht, nur das Ziel eines solchen Beweisantrages anzugeben; es bedarf vielmehr der vollen Darlegung dessen, was ohne die behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs Gegenstand der Rechtsfindung gewesen wäre (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 31 und § 160a Nr 36).

Aus diesem Grund fehlt es auch an einer schlüssigen Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der vom Kläger als grundsätzlich bezeichneten Verfahrensfrage. Insoweit hätte dargelegt werden müssen, daß die Rechtsfrage in diesen Verfahren klärungsfähig ist; dazu hätte aufgezeigt werden müssen, bei welchem vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils der Schritt erforderlich wird, der auch die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 31 und 54; BVerfG aaO Nr 44). Im vorliegenden Fall kann auf eine solche Darlegung um so weniger verzichtet werden, als im angefochtenen Urteil (Umdruck S 14) ausführlich dargelegt wird, daß nach Auffassung des LSG weitere Beweismittel für die Beurteilung der allgemeinen Arbeitsmarktsituation auf dem Bundesgebiet nicht vorhanden sind.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1650820

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