Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung verfahrensrechtlicher Fragen
Orientierungssatz
Auch Fragen des Verfahrensrechts können zwar von grundsätzlicher Bedeutung sein. Sie können jedoch nur dann zur Zulassung der Grundsatzrevision führen, wenn sie auch für den Ausgang des Prozesses Bedeutung erlangen können. Für die Bejahung der Entscheidungserheblichkeit reicht es deshalb nicht aus, wenn die Klage in einem sich anschließenden Revisionsverfahren zwar nicht als unzulässig, aber als unbegründet abgewiesen werden müsste (vgl BSG vom 28.8.1997 - 3 BK 3/97).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28. Oktober 2009 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die Beigeladene zu 1. Mitglied der klagenden oder Mitglied der beklagten Krankenkasse ist.
Die klagende Krankenkasse stellte mit an die Beigeladene zu 1. gerichtetem Bescheid vom 3.12.2002 fest, dass diese ab 1.6.1999 nicht versicherungspflichtig sei, sodass es bei ihrem Anspruch auf Familienversicherung bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Krankenkasse verbleibe. Den Widerspruch der Beigeladenen zu 1. wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.5.2003 zurück. Das SG hat der Klage der Beigeladenen zu 1. hiergegen stattgeben und festgestellt, dass diese ab 1.6.1999 wieder Mitglied der Klägerin geworden sei. Im Berufungsverfahren hat die Beigeladene zu 1. ihre Klage zurückgenommen, nachdem die Klägerin sich bereit erklärt hatte, vorläufige Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen und einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen.
Da die Beklagte es ablehnte, Erstattungsansprüche zu erfüllen, hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Beigeladene zu 1. seit dem 1.6.1999 Mitglied der Beklagten sei. Das SG hat die Klage abgewiesen, weil die Beigeladene zu 1. durch Zusammenrechnung zweier Beschäftigungen versicherungspflichtig geworden sei, die Bestandskraft der von der Klägerin erlassenen Bescheide dem nicht entgegenstehe und die Beigeladene zu 1. ausweislich der ausgestellten Mitgliedsbescheinigung auch Mitglied der Klägerin geworden sei. Das LSG hat die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen, weil die Klage bereits mangels Klagebefugnis unzulässig sei. Sie könne einen Erstattungsrechtsstreit führen. Es hat offen gelassen, ob die Klage begründet ist.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Hamburg vom 28.10.2009.
II. Die Beschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160 Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Klägerin beruft sich allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und begehrt nicht etwa auch eine Zulassung wegen Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Zur Klärungsfähigkeit ist darzulegen, dass die Rechtsfrage in einem nach erfolgter Zulassung durchgeführten Revisionsverfahren entscheidungserheblich ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5).Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin hält für klärungsbedürftig, ob aus dem Urteil des Senats vom 17.6.1999 (B 12 KR 11/99 R - SozR 3-5910 § 91a Nr 6), "wonach Entscheidungen über die Versicherteneigenschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung Statusentscheidungen sind, die nur gegenüber den am Versicherungsverhältnis Beteiligten ergehen, für Dritte Tatbestandswirkung haben und von diesen nicht beantragt oder angefochten werden können," folge, "dass eine Klage auf Feststellung der zuständigen Krankenkasse schon mangels Klagebedürfnis unzulässig und die klagende Kasse generell auf die Erhebung einer bzw. mehrerer allgemeiner(n) Leistungsklage(n) im Rahmen der §§ 102 ff SGB X gegenüber der beklagten Kasse verwiesen ist, wenn die klagende Krankenkasse am Versicherungsverhältnis (hier: Familienversicherung) als Entscheidungsträger nicht beteiligt ist". In ihrer Beschwerdebegründung legt sie sodann dar, warum diese Frage klärungsbedürftig ist. Zur Klärungsfähigkeit führt sie auf Seite 6 im letzten Absatz ihres Schriftsatzes vom 23.2.2010 aus, die Rechtsfrage sei auch in einem etwaigen Revisionsverfahren klärungsfähig, denn würde der Senat die Rechtsmeinung des LSG zurückweisen und die Feststellungsklage unter Aufhebung des Berufungsurteils für zulässig halten, müsste in der Sache geklärt werden, welche prozessrechtliche Bedeutung den die Mitgliedschaft der Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin ab 1.6.1999 verneinenden und bindend gewordenen Bescheiden zukomme. Diese Klärung habe das LSG vermieden.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage hinreichend dargelegt hat, weil es jedenfalls an der Darlegung ihrer Klärungsfähigkeit fehlt. Die Klägerin zeigt als grundsätzlich bedeutsam nur eine Frage auf, die deutlich macht, dass das LSG ihrer Auffassung nach die Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen habe. Das Berufungsgericht habe die Klage als zulässig betrachten und deshalb im Rahmen seiner eigenen Begründetheitsprüfung die Klage in der Sache beurteilen müssen. Auch Fragen des Verfahrensrechts können zwar von grundsätzlicher Bedeutung sein. Sie können jedoch nur dann zur Zulassung der Grundsatzrevision führen, wenn sie auch für den Ausgang des Prozesses Bedeutung erlangen können. Für die Bejahung der Entscheidungserheblichkeit reicht es deshalb nicht aus, wenn die Klage in einem sich anschließenden Revisionsverfahren zwar nicht als unzulässig, aber als unbegründet abgewiesen werden müsste (vgl BSG Beschluss vom 28.8.1997 - 3 BK 3/97, in juris veröffentlicht). Es hätte hier dargelegt werden müssen, aus welchen Gründen das LSG der Berufung hätte stattgeben müssen, dh die Klage begründet sein könnte. Die Ausführungen der Klägerin in der Beschwerdebegründung beziehen sich nur auf die von ihr prozessrechtlich für zulässig gehaltene Feststellungsklage. Ausführungen dazu, dass und aus welchen Gründen sie mit einer solchen Feststellungsklage in der Sache Erfolg haben könnte, hat die Klägerin unterlassen. Die Ausführungen der Klägerin zur Klärungsfähigkeit lassen gerade offen, ob nach ihrer Auffassung die Klage begründet ist.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG in Höhe des Auffangstreitwertes von 5000 Euro festzusetzen, weil hinreichende Anhaltspunkte für seine Bestimmung nach der wirtschaftlichen Bedeutung fehlen.
Fundstellen