Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerdebegründung. grundsätzliche Bedeutung. Rechtssache
Orientierungssatz
Wird in einer Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache geltend gemacht, so setzt dies die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts voraus.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 20.12.1990; Aktenzeichen L 5 Ka 55/89) |
Tatbestand
Streitig ist der Umfang der Beteiligung des Beigeladenen zu 1), der als Leitender Arzt der Radiologischen Abteilung und Strahlenklinik eines Krankenhauses an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt ist.
Der beklagte Berufungsausschuß für Ärzte erweiterte auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) seine durch den Zulassungsausschuß eingeschränkte Katalogbeteiligung in bestimmten Punkten (Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 1987). Auf die Klage der Kassenärztlichen Vereinigung hat das Sozialgericht (SG) Mainz den Bescheid des Beklagten antragsgemäß (teilweise) aufgehoben, soweit durch ihn der Beteiligungskatalog in drei Punkten erweitert worden war (Urteil vom 6. September 1989). Die Berufung des Beigeladenen zu 1) ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Rheinland-Pfalz vom 20. Dezember 1990). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei hinsichtlich der Erweiterung der Beteiligung in den strittigen Punkten von einem unrichtigen, zumindest unvollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen, da exakte Tatsachenfeststellungen bzgl der angenommenen Versorgungslücken fehlten. Das gelte sowohl für die Beteiligung bei nuklearmedizinischer Fragestellung und nuklearmedizinischer Diagnostik als auch für die Beteiligung bei der Venographie und Mammographie. Der Beklagte werde bei seiner erneuten Entscheidung über die noch strittigen Punkte des Widerspruchs des Beigeladenen zu 1) über die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Krankenhausärzten und niedergelassenen Ärzten zu entscheiden haben.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1) ist teils unbegründet, teils unzulässig.
Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines LSG nur zulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Abs 2 Nr 1 aaO) |
oder
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das Urteil von einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen |
Senates der Obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und |
auf dieser Abweichung beruht (Abs 2 Nr 2 aaO) |
oder
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ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene |
Entscheidung beruhen kann (Abs 2 Nr 3 aaO). |
Gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des LSG abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Erforderlich ist eine Begründung, die dem Beschwerdegericht grundsätzlich die Möglichkeit gibt, allein anhand des Vorbringens des Beschwerdeführers und des angefochtenen Urteils darüber zu entscheiden, ob die Revision zuzulassen ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Genügt die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Der Beigeladene zu 1) rügt zunächst (Punkt 2. der Beschwerdebegründung) die Abweichung des berufungsgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung des BSG (Zulassungsgrund gem § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Insoweit ist seine Beschwerde nicht begründet. Die Abweichung soll darin bestehen, daß nach der Rechtsprechung des BSG bei einer rechtswidrigen Ausübung des Beurteilungsspielraums durch die Verwaltung der angegriffene Verwaltungsakt aufzuheben und die Verwaltung zur erneuten Verbescheidung zu verurteilen ist, während das LSG in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils allein die (Teil-)Aufhebung des Verwaltungsakts ausgesprochen habe.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene zu 1) nicht einen - angeblichen - Verfahrensmangel zum Gegenstand der Divergenzrüge erhebt. Jedenfalls liegt die geltend gemachte Abweichung nicht vor. Zwar trifft zu, daß von dem Tenor des Berufungsurteils her, mit dem die Berufung des Beigeladenen zu 1) gegen das kassatorische Urteil des SG zurückgewiesen worden ist, lediglich auf eine Aufhebungswirkung des Berufungsurteils geschlossen werden könnte. Dies stünde aber im Widerspruch zu den Gründen dieses Urteils, in denen das LSG von einer Verletzung des Beurteilungsspielraums durch den Beklagten ausgegangen ist. Das zieht - von Ausnahmen abgesehen - die Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Bescheiderteilung nach sich. Demgemäß hat das LSG auf Seite 10 der Entscheidungsgründe auch ausgeführt, daß der Beklagte erneut über die noch strittigen Punkte des Widerspruchs des Beigeladenen zu 1) zu entscheiden haben werde. Daraus wird hinreichend deutlich, daß das Berufungsgericht mit der Zurückweisung der Berufung des Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des SG den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet hat. In diesem Sinne ist das Urteil auch von dem Beklagten verstanden worden (vgl S 1/2 seines Schriftsatzes vom 31. Mai 1991). Das LSG hat somit keinen Rechtssatz der Art aufgestellt, daß bei Verletzungen des Beurteilungsspielraums der angegriffene Verwaltungsakt lediglich aufzuheben, die Behörde aber nicht zur Neubescheidung zu verurteilen ist. Die Voraussetzungen der Divergenz sind nicht erfüllt.
Die Beschwerde des Klägers ist auch in dem Umfang unbegründet, in dem er unter Punkt 3. und 4. seiner Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der von ihm aufgezeigten Rechtsfragen geltend macht. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (Zulassungsgrund gem § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) setzt die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts voraus. Diese ist indes hier nicht mehr gegeben. Der Senat hat in seinem - zur Veröffentlichung vorgesehenen - Urteil vom 16. Oktober 1991 - 6 RKa 37/90 - in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung zum einen entschieden, daß Rechtsgrundlage für den Widerruf einer als Ermächtigung fortgeltenden Beteiligung (Art 65 Satz 1 des Gesundheitsreformgesetzes (GRG)) nicht § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), sondern die spezialgesetzliche Regelung des § 95 Abs 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) ist. Zum anderen ist in dem genannten Urteil entschieden worden, daß auch nach dem neuen Recht des SGB V die Leistungen des Krankenhausarztes für eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten notwendig sein müssen und er insbesondere nicht etwa allein wegen seiner Kenntnisse zu ermächtigen ist. Die vom Beigeladenen zu 1) unter Punkt 3. und 4. seiner Beschwerdebegründung aufgeworfenen Fragen sind danach nicht mehr rechtsgrundsätzlich bedeutsam.
Soweit der Beigeladene zu 1) geltend macht, es sei nicht höchstrichterlich entschieden, ob es überhaupt möglich sei, bei der Bedarfsprüfung die Leistungserbringung durch andere Fachgebiete mit zu berücksichtigen (Punkt 5. seiner Beschwerdebegründung), ist die Beschwerde unzulässig. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gem § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erfordert neben anderem, daß der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt aufzeigt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG aaO Nr 54 S 72). Nach den - das Beschwerdegericht hier bindenden - Feststellungen des LSG steht nicht fest, ob und ggf in welchem Umfang eine Versorgungslücke hinsichtlich der vom Beigeladenen zu 1) beanspruchten Beteiligung bei bestimmten Leistungen besteht. Der Beklagte habe zwar Zweifel an einer ausreichenden Versorgung der Versicherten geäußert, Feststellungen hierzu jedoch nicht getroffen. Bei dieser Sachlage hätte der Beigeladene zu 1) substantiiert darlegen müssen, auf welchem Weg das Beschwerdegericht trotz fehlender tatsächlicher Feststellungen zu einer Entscheidung der von ihm als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage hätte kommen müssen. Ausführungen zur Klärungsfähigkeit fehlen jedoch. Die Beschwerde erwies sich insoweit als unzulässig.
Dies gilt auch, soweit der Beigeladene zu 1) die Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht rügt. Der behauptete Verfahrensmangel soll darin liegen, daß sich das Gericht auf gerichtliche Sachkunde sowie auf gerichtsbekannte Tatsachen gestützt habe, ohne den Beteiligten vorher Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern. Der Beigeladene zu 1) hat insoweit nicht seiner Pflicht zur "Bezeichnung" des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG), hier des behaupteten Verstoßes gegen § 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz (GG), genügt. Gegenstand des Verfahrens war die Einschränkung seiner Beteiligung/Ermächtigung auf radiologischem und nuklearmedizinischem Gebiet, wobei die Begrenzung seiner Einbeziehung in die kassenärztliche Versorgung in beiden Tatsacheninstanzen Gegenstand von Vergleichsverhandlungen gewesen ist. Angesichts dieser aufgezeigten Umstände ist aus seinen allgemein gehaltenen Ausführungen nicht nachvollziehbar zu entnehmen, weshalb sich das Gericht auf gerichtseigene Sachkunde bzw Tatsachen gestützt haben soll, die den Beteiligten nicht bekannt war. An entsprechenden substantiierten Ausführungen des Beigeladenen zu 1) hierzu fehlt es völlig. Aus diesen Gründen kann auch dahingestellt bleiben, ob das angefochtene Urteil, das den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Neubescheidung verpflichtet, überhaupt auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann.
Schließlich ist auch die unter Punkt 7. der Beschwerdebegründung gerügte Divergenz des LSG-Urteils nicht hinreichend "bezeichnet", die Beschwerde daher auch insoweit unzulässig. Nach der vom Beigeladenen zu 1) angesprochenen Entscheidung des BSG vom 2. September 1987 - 6 RKa 65/86 - (USK 87172) kann der Bedarf an nuklearmedizinischen Leistungen den Bedarf auf dem Gebiet der Radiologie in quantitativer Hinsicht erhöhen. Von dieser Rechtsprechung soll das LSG dadurch abgewichen sein, daß es den Bedarf in zwei Fachgebieten als identisch mit dem Bedarf in einem Gebiet angesehen habe. Der Beigeladene zu 1) hat insoweit schon nicht dargelegt, inwiefern sich aus dem von ihm aufgezeigten Rechtssatz der Schluß ergibt, daß jeweils sowohl in dem Fachgebiet der Nuklearmedizin als auch in dem Fachgebiet der Radiologie der Bedarf gesondert geprüft werden könne. Auf der Grundlage der Entscheidung des LSG, daß hinreichende Tatsachenfeststellungen des Beklagten zum Bestehen einer Versorgungslücke als Voraussetzung der Wahrnehmung eines Beurteilungsspielraums nicht getroffen worden sind, hat der Beigeladene zu 1) weiterhin nicht hinreichend dargelegt, inwieweit das LSG mit seinen Feststellungen, daß bisher ein quantitatives Bedürfnis sowohl auf nuklearmedizinischem als auch auf radiologischem Fachgebiet nicht festgestellt worden sei, gegen einen vom BSG aufgestellten Rechtssatz verstoßen habe. Dazu hätte jedoch aus den aufgezeigten Gründen Anlaß bestanden.
Nach allem war die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil des LSG Rheinland-Pfalz zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen