Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Qualitätsgebot. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Stationärer Bereich. Erforderliche Behandlungsalternative. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Entscheidungserheblichkeit. Klärungsbedürftigkeit. Darlegung
Leitsatz (redaktionell)
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwieweit diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist
2. Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden, was im Rahmen der Beschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen ist.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 1, § 169 S. 3; SGB V § 2 Abs. 1 S. 3, § 137c
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin zu 1. ist Sonderrechtsnachfolgerin, der Kläger zu 2. der Vater der bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesenen, im Berufungsverfahren verstorbenen D. (im Folgenden: Versicherte). Die Versicherte ist mit ihrem Begehren auf Erstattung von 14 015,16 Euro Kosten nach Leistungsablehnung selbst verschaffter privatärztlicher stationärer Liposuktionen an Armen, Oberschenkeln und Knien durch den Chirurgen Dr. S. bei der Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ausgeführt, der Kläger zu 2. sei nicht klagebefugt, nämlich weder Sonderrechtsnachfolger noch Erbe. Einem Anspruch der Klägerin zu 1. stehe entgegen, dass stationäre Liposuktionen bei Lipödem mangels ausreichenden Qualitäts- und Wirksamkeitsnachweises nicht zum GKV-Leistungskatalog gehörten. Auch seien die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Auslegung oder des § 2 Abs 1a SGB V nicht erfüllt (Urteil vom 24.5.2018).
Die Kläger wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
1. Die Kläger legen die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwieweit diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Kläger richten ihr Beschwerdevorbringen an diesen Anforderungen nicht aus.
a) Die Kläger formulieren zwar als Rechtsfrage:
"Gilt das Qualitätsgebot gem. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V bei der Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im stationären Bereich auch nach der Änderung des § 137c SGB V in der Fassung vom 16.7.2015?"
Sie legen die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage aber nicht hinreichend dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt nämlich, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rspr keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt" ist (vgl BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Die Kläger tragen zwar vor, die aufgeworfene Rechtsfrage sei nicht durch die Urteile des erkennenden Senats vom 24.4.2018 (B 1 KR 13/16 R - Juris, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137e Nr 1 vorgesehen; B 1 KR 10/17 R - Juris, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137c Nr 10 vorgesehen) geklärt, legen allerdings nicht nachvollziehbar dar, welche Zweifel angesichts dieser Entscheidungen noch verblieben sein sollen.
Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rspr in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen ist (vgl BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - RdNr 7). Daran fehlt es. Die Kläger weisen lediglich auf den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18.1.2018 und die amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (richtig: BT-Drucks 18/4095 S 121 f) hin, mit denen sich der erkennende Senat in den angegebenen Urteilen bereits ausführlich auseinandergesetzt hat. Im Übrigen legen sie nicht dar, wieso die Rechtsfrage auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des LSG entscheidungserheblich sein könnte.
b) Den Anforderungen an die Begründung einer grundsätzlichen Bedeutung genügen auch nicht die Ausführungen zu der weiteren von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage,
"unter welchen Voraussetzungen eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet".
Die Kläger zeigen die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage nicht auf. Eine Rechtsfrage ist vom Revisionsgericht klärungsfähig, wenn sie sich ihm auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz stellt. Ob eine Rechtsfrage klärungsfähig ist, hängt davon ab, ob das Revisionsgericht über die betreffende Frage konkret sachlich entscheiden kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 30 mwN). Die Beschwerdebegründung enthält hierzu keinerlei Vortrag.
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Da die Klägerin zu 1. als Sonderrechtsnachfolgerin kostenrechtlich privilegiert ist (§ 183 S 1 SGG), findet § 197a SGG in der vorliegenden prozessualen Konstellation keine Anwendung (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 31; BSG SozR 4-1500 § 193 Nr 3 RdNr 12 ff mwN).
Fundstellen
Dokument-Index HI13004221 |