Orientierungssatz
1. Das Grundrecht der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art 9 Abs 1 und Abs 3 GG) sowie die Kunstfreiheit (Art 5 Abs 3 S 1 GG) verbürgen nicht, daß ein gemeinnütziger Verein, der sich die Förderung von Künstlern und die Pflege der Kunst zum Ziel gesetzt hat, von Sozialabgaben (hier Abgabepflicht zur Künstlersozialkasse) freibleibt.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 23.9.1995 - 1 BvR 47/93).
Normenkette
KSVG § 24 Abs 1 Nr 4 Fassung: 1981-07-27; KSVG § 24 Abs 1 Nr 6 Fassung: 1988-12-20; GG Art 9 Abs 1 Fassung: 1949-05-23; GG Art 9 Abs 3 Fassung: 1968-06-24; GG Art 5 Abs 3 S 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 12.11.1992; Aktenzeichen L 4 Kr 81/90) |
SG München (Entscheidung vom 18.06.1990; Aktenzeichen S 18 Kr 312/88) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht in der durch §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten Form begründet worden. Sie ist deshalb entsprechend § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).
Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Damit ist aber dieser Zulassungsgrund noch nicht so dargelegt und bezeichnet, wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt. Nach der ständigen Rechtsprechung muß zur Grundsätzlichkeit der Rechtssache schlüssig dargetan werden, daß und warum in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Rechtsfrage erheblich sein würde, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39).
Die Beschwerde ist in diesem Sinne nicht formgerecht begründet. Der Kläger räumt selbst ein, daß sich das angefochtene Urteil im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) befindet, wonach ein Zusammenschluß von Künstlern zu einem rechtsfähigen Verein, der wie der Kläger ua die Aufgabe hat, die von den Künstlern gefertigten Werke im eigenen oder im Namen der Künstler zu verkaufen, als Kunsthandel oder Galerie der Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 Nr 4 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) aF bzw Nr 6 idF durch das Gesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, 2606) unterliegt (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 3). Diese Rechtsfrage ist damit höchstrichterlich entschieden. Der Kläger hat nicht dargelegt, daß die Frage dennoch klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden sei, weil zB der höchstrichterlichen Entscheidung in nicht geringem Umfang widersprochen wird und nun Einwendungen erhoben werden, die bislang nicht berücksichtigt worden und nicht von vornherein abwegig sind (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Selbst wenn wegen der erst im Laufe des Jahres 1992 erfolgten Veröffentlichung der angeführten Rechtsprechung des BSG davon abgesehen würde zu verlangen, daß der Beschwerdeführer bereits beachtliche Gegenstimmen in Rechtsprechung und Schrifttum benennt, müßten zumindest seine eigenen rechtlichen Ausführungen so überzeugend sein, daß sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Rechtsprechung erwecken könnten, die aufgeworfene Rechtsfrage soweit erneut als klärungsbedürftig erscheinen lassen würden. Das ist aber nicht der Fall.
Eine erneute Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage sieht der Kläger allein darin, daß die bisherige Rechtsprechung des BSG wesentliche verfassungsrechtliche Gesichtspunkte außer acht gelassen habe. Er rügt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) dadurch, daß er einem eigennützigen Vermarkter gleichgestellt werde, obwohl er als eingetragener Verein nur die Mindestorganisationsstruktur zur Eigenvermarktung seiner Mitglieder und der Mitglieder der drei Künstlervereine aufweise, aus denen seine, des Beschwerdeführers, Mitglieder gewählt werden. Im Gegensatz zu den sog professionellen Vermarktern, deren wesentliches Merkmal die soziale Abhängigkeit des Künstlers und die Vermarktung der Leistungen des Künstlers als wirtschaftliche Lebensgrundlage sei, handele es sich beim Kläger um einen Idealverein, der in der Vermarktung der Künstler weder seine Lebensgrundlage habe noch ein wirtschaftliches Unternehmen damit betreibe. Mit der bisherigen Gesetzesauslegung durch die Rechtsprechung werde der Begriff des Selbstvermarkters ausgehöhlt und eine Selbstvermarktung im Rahmen einer gewissen Organisation, für die der Idealverein des § 21 Bürgerliches Gesetzbuch die gegebene Organisationsform sei, unmöglich gemacht. Die Rechtsprechung verletze auch Art 9 Abs 1 GG, weil der Beschwerdeführer mit der Künstlersozialabgabe in einer Weise belastet werde, daß dadurch der Fortbestand aus wirtschaftlichen Gründen gefährdet sei, und ein sachlicher Grund für die Belastung mit dieser Abgabe nicht ersichtlich sei. Ferner werde gegen das Grundrecht des Art 9 Abs 3 GG verstoßen, weil der Kläger als berufsständische Koalition und damit als Vereinigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen anzusehen sei. Letztlich widerspreche es auch der Kunstfreiheitsgarantie des Art 5 Abs 3 Satz 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzips des Art 20 Abs 3 GG, wenn eine Selbstvermarktungsorganisation von Künstlern in gleicher Weise mit der Künstlersozialabgabe belastet werde wie der professionelle Vermarkter fremder schöpferischer Leistungen. Das Rechtsstaatsprinzip gebiete es zumindest, die abgabepflichtigen Tatbestände hinreichend klar zu fassen. Die in § 24 KSVG verwandten Begriffe des Kunsthandels und der Galerie seien zu unbestimmt, um eine Abgabepflicht zu begründen.
Es trifft zwar zu, daß das BSG die vom Beschwerdeführer im einzelnen aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte noch nicht erörtert hat; es hat an der Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Rechtsvorschriften ersichtlich keine Zweifel gehabt. Auch verfassungsrechtliche Fragen können nach der Rechtsprechung des BSG die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11 und 17; abweichend BGH RzW 1964, 225; 1967, 368). Die Anforderungen an die Darlegungspflicht sind dann nicht anders als bei Rechtsfragen einfachen Rechts (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNr 146).
Es fehlt schon daran, daß der Kläger den Begriff der Selbstvermarktungsorganisation, der kein gesetzlich oder rechtlich gebräuchlicher ist, in tatsächlicher Hinsicht erläutert und die entscheidungserheblichen Tatsachen herausstellt.
Der Beschwerdeführer behauptet zwar, eine "reine" Selbstvermarktungsorganisation zu sein, übergeht dabei aber, daß - vom Landessozialgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellt, aber von der Beschwerde selbst vorgetragen - nicht nur seine eigenen Mitglieder auf den von ihm veranstalteten Kunstausstellungen Werke verkaufen, sondern auch solche selbständigen Künstler, die nicht eigene Mitglieder sind, sondern lediglich Künstlervereinen angehören, aus deren Mitgliedern die Mitglieder des Klägers gewählt und delegiert werden. Wenn schon bei den eigenen Mitgliedern wegen der Rechtsform des Klägers als juristischer Person nicht von einer Personenidentität von Künstlern und Vermarktern ausgegangen werden kann, von einer Selbstvermarktung also allenfalls in einem wirtschaftlichen Sinn die Rede sein kann, gilt dies erst recht bei den Künstlern, die nicht dem Verein angehören, sondern dort nur durch andere Vereinsangehörige repräsentiert werden. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, aus welchen Gründen auch bei solchen Künstlern wirtschaftlich von einer Selbstvermarktung auszugehen sein könnte etwa in dem Sinne, daß sie durch die Abgabepflicht des Klägers gleichsam doppelt als Künstler und als Vermarkter in Anspruch genommen werden. Gänzlich übergeht die Beschwerdebegründung aber das eigene Vorbringen, daß auch sog Gäste, dh offenbar solche, die weder Mitglieder im engeren noch im erwähnten weiteren Sinn sind, die Ausstellungen zum Verkauf ihrer Werke nutzen können. Im Hinblick auf diese Personen ist selbst bei großzügiger Auslegung nicht erkennbar, weshalb von einer Selbstvermarktung gesprochen werden kann. Wenn der Kläger dies dennoch als unschädlich ansehen wollte, wären nähere Darlegungen dazu erforderlich gewesen, etwa daß Verkäufe der künstlerischen Werke von Gästen allenfalls gelegentlich vorkommen und aus diesem Grunde die Abgabepflicht dem Grunde nach - die hier allein streitig ist - (vgl dazu BSGE 64, 221 = SozR 5425 § 24 Nr 2) nicht auslösen.
Die allgemein gehaltenen Ausführungen zu Selbsthilfeeinrichtungen von Künstlern begründen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung. Das Grundrecht der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art 9 Abs 1 und Abs 3 GG) sowie die Kunstfreiheit (Art 5 Abs 3 Satz 1 GG) verbürgen nicht, daß ein gemeinnütziger Verein, der sich die Förderung von Künstlern und die Pflege der Kunst zum Ziel gesetzt hat, von Sozialabgaben freibleibt. Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (BVerfGE 75, 108 f) ergibt sich nicht, daß nur erwerbswirtschaftlich tätige Unternehmer der Abgabe unterworfen werden dürfen. Ein soziales Abhängigkeitsverhältnis zwischen Künstler und Verwalter wird ebenfalls nicht zwingend gefordert. Wenn Gemeinnützigkeit nicht von der Abgabepflicht befreit, müßte dargelegt werden, weshalb für eine Vereinigung von Künstlern etwas anderes gelten sollte. Der Kläger hat nach den Feststellungen des LSG auch nicht dargelegt, daß er durch die Höhe der Künstlersozialabgabe in einem Maße belastet wird, daß sein Fortbestand gefährdet ist. Wegen des behaupteten Verstoßes des § 24 KSVG gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot von belastenden Gesetzen mit der Folge, daß die Abgabepflicht des Klägers aus diesem Grunde entfiele, ist die Durchführung eines Revisionsverfahrens ebenfalls nicht erforderlich. Bei allen einzuräumenden Auslegungsschwierigkeiten bzgl der vom Gesetz genannten abgabepflichtigen Unternehmen läßt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, daß außer dem Kläger noch andere gewichtige Meinungen die Auffassung vertreten, § 24 KSVG sei wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig. Auch der Kläger legt nicht dar, daß eine sachgerechte Gesetzesauslegung durch die Verwaltung und die Gerichte wegen der Unbestimmtheit des Gesetzes nicht möglich ist. Das BVerfG (BVerfGE 75, 108 f) hat in dieser Hinsicht ebenfalls keine Bedenken gegen § 24 KSVG gehabt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen