Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG), weil die zu ihrer Begründung angeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie der Divergenz der Entscheidung des LSG von der Rechtsprechung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG schlüssig dargelegt sind.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG sich ergebenden Anforderungen muss ein Beschwerdeführer dazu anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX, RdNr 56 ff).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich bedeutsam erachtet sie die Frage: "Genügt es für den Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB II, dass im Falle eines Vollzugs richterlich angeordneter Freiheitsentziehung im Sinne des § 64 StGB trotz nach den Maßregelvollzugsgesetzen der Länder gewährter wiederholter beziehungsweise langandauernder Beurlaubung die Unterbringung im maßregelvollzugsrechtlichen Sinne fortdauert, obwohl sich die untergebrachten Personen im Rahmen eines 'abgestuften Behandlungskonzepts' außerhalb der Einrichtung in einer eigenen Wohnung, einer betreuten Wohngruppe oder einem Wohnheim mit dem Ziel, nach einer individuell zugeschnittenen Probezeit aus dem Maßregelvollzug entlassen zu werden, aufhalten, weil § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB II durch die Formulierung 'Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt.' nicht auf die objektive Struktur im Einzelfall abstellt, sondern generalisierend für alle unter diese Vorschrift fallenden Einrichtungen gilt?"
Inwiefern diese Frage der Klärung bedarf, zeigt die Beschwerde nicht hinreichend auf. Dazu wäre in Auseinandersetzung mit der modifizierten Rechtsprechung zu § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II in Anlehnung an den Einrichtungsbegriff des § 13 SGB XII (BSG vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - BSGE 116, 112 = SozR 4-4200 § 7 Nr 36; BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 35/13 R - FEVS 67, 1) darzutun gewesen, inwiefern der Einrichtungsbegriff des § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II einen anderen Gehalt haben kann als der des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II und deshalb die Rechtsprechung hierzu nicht herangezogen werden kann zur Beantwortung der Frage, ob iS von § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II auch die eigene Wohnung, eine betreute Wohngruppe oder ein Wohnheim als Einrichtung anzusehen sein kann. Das bedarf nach dieser Rechtsprechung jedenfalls besonderer Begründung. Danach ist für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II in einem ersten Schritt zu prüfen, ob es sich um eine Leistungserbringung in einer Einrichtung handelt, also einer auf Dauer angelegten Kombination von sächlichen und personellen Mitteln, die zu einem besonderen Zweck und unter der Verantwortung eines Trägers zusammengefasst wird, wobei die Bindung an ein Gebäude gegeben sein muss (BSG vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - BSGE 116, 112 = SozR 4-4200 § 7 Nr 36, RdNr 25). Im zweiten Schritt kommt es darauf an, ob Leistungen stationär erbracht werden, der Leistungsempfänger also nach formeller Aufnahme in der Institution lebt und daher die Unterbringung Teil der Leistungserbringung ist (BSG vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - BSGE 116, 112 = SozR 4-4200 § 7 Nr 36, RdNr 26). Erst wenn beide Voraussetzungen zu bejahen sind - die hilfebedürftige Person also in dem von der Einrichtung getragenen Gebäude lebt - kommt es für den Unterbringungsbegriff des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II darauf an, ob der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzeptes die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernimmt (BSG vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - BSGE 116, 112 = SozR 4-4200 § 7 Nr 36, RdNr 24 ff; BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 35/13 R - FEVS 67, 1, Juris RdNr 21).
Danach hätte es besonderer Ausführungen dazu bedurft, inwiefern entweder die eigene Wohnung, eine betreute Wohngruppe oder ein Wohnheim im Fall von § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II als Einrichtung eines anderen Trägers ("sächliche und personelle Mittel unter Verantwortung eines Trägers") anzusehen sein oder dass dem Einrichtungsbegriff iS von § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II ein anderer rechtlicher Gehalt zukommen könnte als in § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II, woran es aber fehlt. Soweit die Beschwerde dazu auf den Gesichtspunkt der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und deren Folgen für ein mögliches Verständnis von § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II abstellt, hat das Bedeutung nicht für den Einrichtungsbegriff, sondern nur für die - im dritten Prüfungsschritt zu § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II zu stellende - Frage, ob die hilfebedürftige Person dort auch untergebracht ist, was indes für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II keine Relevanz hat, weil es hiernach nur auf den Aufenthalt in der Einrichtung ankommt.
Schließlich kann auch der Verweis auf die Senatsentscheidung vom 24.2.2011 zu § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 81/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 24) im Rahmen der erhobenen Divergenzrüge nicht als Vorbringen dahin verstanden werden, dass schon bisher in der Rechtsprechung des BSG insoweit zwischen den Leistungsausschlüssen nach § 7 Abs 4 Satz 1 und Satz 2 SGB II unterschieden worden wäre. Denn soweit der Senat danach - allerdings noch vor der Modifizierung der Rechtsprechung zu § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II - auf die Sonderstellung der Einrichtungen nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II abgestellt hat, war das getragen von der unterschiedlichen Ausgestaltung des Aufenthalts in ihnen, nicht aber von einem unterschiedlichen Einrichtungsbegriff (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 81/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 24 RdNr 25).
Auch die gerügte Divergenz (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) ist nicht formgerecht bezeichnet. Dazu hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des LSG einerseits und in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits aufzuzeigen und die in Bezug genommene Entscheidung so zu kennzeichnen, dass sie ohne Weiteres aufzufinden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 67; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt ist und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 67). Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die obergerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54 und 67).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar benennt der Beklagte ein Urteil des BSG (Verweis auf BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 81/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 24), von dem das LSG im dargelegten Sinne abgewichen sein soll. Jedoch ist kein Rechtssatz bezeichnet, auf den das LSG seine Entscheidung tragend gestützt hat und der in Widerspruch zu einem ebenfalls ausdrücklich bezeichneten Rechtssatz des BSG steht. Vielmehr leitet der Beklagte aus dem Urteil Aussagen ab, denen er Wertungen gegenüberstellt, die der Entscheidung des LSG zugrunde lägen und mit denen es abweichende Anforderungen aufstelle ("wird hier jedoch die Entscheidung des Bundessozialgerichts … außer Acht gelassen"). Damit rügt er allenfalls eine fehlerhafte Anwendung revisionsgerichtlich aufgestellter Maßstäbe, nicht aber eine bewusste Abweichung im dargelegten Sinne (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 13 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11261194 |