Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 20.03.1996; Aktenzeichen L 7 Ka 570/95)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. März 1996 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben der Beklagten die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Durch Urteil vom 22. März 1995 verurteilte das Sozialgericht Frankfurt (SG) – dem Antrag der Kläger entsprechend – die Beklagte, unter Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale I/1993 und II/1993 über den Honoraranspruch der Kläger in diesen Quartalen im Ersatzkassenbereich erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Maßgeblich für diese Entscheidung war, daß die Beklagte für die streitigen Quartale noch keinen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) erlassen und dies nach Ansicht des SG nachzuholen hatte.

Nach Eingang der Berufung am 6. Juni 1995 erteilte die Beklagte den Klägern unter dem 29. September 1995 einen so bezeichneten „zweiten Widerspruchsbescheid”, mit dem sie die Widersprüche gegen die Honorarbescheide für die genannten Quartale aufgrund des mit Wirkung zum 1. Januar 1993 beschlossenen Ersatzkassen-HVM erneut zurückwies. Dieser Bescheid enthält den Hinweis, er ersetze den Widerspruchsbescheid vom 1. März 1994 und werde gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu den Akten des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) gereicht.

Am 19. Oktober 1995 nahm die Beklagte ihre Berufung zurück. Die Kläger vertraten mit Schriftsatz vom 3. November 1995 (Eingang beim LSG am 8. November 1995) die Auffassung, daß das LSG nunmehr auf Klage über den „zweiten Widerspruchsbescheid” zu entscheiden habe. Mit Schreiben vom gleichen Tage erhoben sie – vorsorglich – Klage zum SG Frankfurt (Eingang am 6. November 1995).

Durch Urteil vom 20. März 1996 hat das LSG die Klage gegen den „zweiten Widerspruchsbescheid” abgewiesen. Diese sei unzulässig. Zwar sei der in Ausführung eines Bescheidungsurteils ergangene neue Bescheid nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Indessen werde durch die Berufungsrücknahme das Verfahren beendet. Erhebe der Kläger anschließend in der Berufungsinstanz Klage gegen den neuen Bescheid, so sei diese Klage mangels eines noch laufenden Verfahrens unzulässig. Zudem stehe hier ihrer Zulässigkeit wegen der zuvor erhobenen sozialgerichtlichen Klage auch das Prozeßhindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit entgegen.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügen die Kläger unter Wiederholung ihres Vorbringens vor dem LSG einen Verfahrensmangel, weil statt des Prozeßurteils ein Sachurteil hätte ergehen müssen. Zudem machen sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es sei bislang höchstrichterlich ungeklärt, wie zu verfahren sei, wenn nach Erlaß eines gemäß § 96 SGG zum Streitgegenstand gewordenen Bescheides die Rechtsmittelführerin ihr Rechtsmittel zurücknehme.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde ist zurückzuweisen.

Soweit die Kläger einen Verfahrensmangel gem § 160 Abs 2 Nr 3 SGG rügen, ist die Beschwerde unbegründet, denn der geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Zu Recht hat das LSG die Klage gegen den „zweiten Widerspruchsbescheid” vom 29. September 1996 als unzulässig angesehen und nicht in der Sache entschieden. Allerdings trifft die hierfür gegebene Begründung nicht zu. Dieser Bescheid ist weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 96 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden; denn er ist in Ausführung des Urteils des SG vom 22. März 1995 ergangen, durch das die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet worden war. Dem hat die Beklagte prozessual durch Rücknahme ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil Rechnung getragen. Es entspricht seit jeher der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, daß ein ein Urteil ausführender Bescheid nicht Gegenstand des noch laufenden Rechtsstreits wird (vgl Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 5. Aufl, 1993, § 96 RdNr 10, mwN; Zeihe, Sozialgerichtsgesetz, 6. Aufl, Stand: 1. Dezember 1995, § 96 RdNr 4b mwN). Ersetzt wird ein Verwaltungsakt dann, wenn er gänzlich aufgehoben wird und das Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagten nur noch durch den neuen Verwaltungsakt konkretisiert wird (vgl Zeihe, aaO RdNr 3a). Das ist bei einem sog Ausführungsbescheid nicht der Fall, weil er angesichts des mit der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil geführten Angriffs nur vorläufigen Charakter hat.

Entgegen dem Normzweck des § 96 SGG wäre die Einbeziehung eines Ausführungsbescheides in das anhängige gerichtliche Verfahren auch nicht prozeßökonomisch, denn seine formale Existenz folgt dem Schicksal des angefochtenen Urteils. Wird das Urteil aufgehoben, erübrigt sich die gerichtliche Überprüfung des Ausführungsbescheides. Wird das Urteil und damit auch die Rechtsauffassung des SG bestätigt, mag eine eventuelle neue Beschwer des Klägers auf erstinstanzliche Klage hin überprüft werden. Es ist weder zweckmäßig noch gar notwendig, den Ausführungsbescheid in das Verfahren vor dem Berufungsgericht einzubeziehen.

Soweit die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der von ihnen aufgeworfenen prozessualen Frage geltend machen, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet, denn diese Frage ist im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig. Wie bereits dargelegt, kommt es mangels Anwendbarkeit des § 96 SGG für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Frage der prozessualen Folgen der Berufungsrücknahme nach vorheriger Einbeziehung eines Ausführungsbescheides nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174242

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?