Orientierungssatz
1. Die Ermächtigung ärztlich geleiteter Einrichtungen ist regelmäßig nachrangig gegenüber der persönlichen Ermächtigung von Ärzten (vgl zuletzt BSG vom 9.6.1999 - B 6 KA 25/98 R ).
2. Die Erteilung einer Institutsermächtigung scheidet von vornherein für Leistungen aus, bei denen ein besonderer enger Zusammenhang zwischen persönlicher ärztlicher Qualifikation und Berechtigung zur Leistungserbringung besteht (vgl ua BSG vom 2.10.1996 - 6 RKa 73/95 = BSGE 79, 159 = SozR 3-5520 § 31 Nr 5). Auch kann eine Institutsermächtigung nicht für soziale, pädagogische und psychosoziale Maßnahmen beansprucht werden, dh solche, die überhaupt nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören (vgl BSG vom 15.3.1995 - 6 RKa 1/94 = SozR 3-2500 § 118 Nr 1).
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 13.01.1999) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten seine außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darum, ob der klagenden Stiftung eine Ermächtigung für die ambulante vertragsärztliche Versorgung der in ihrer diakonischen Einrichtung betreuten 775 geistig behinderten Personen zu erteilen ist, welche in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Der beklagte Berufungsausschuß lehnte die Ermächtigung ab, weil die behinderten Versicherten durch die im örtlichen Bereich der Klägerin niedergelassenen Vertragsärzte ausreichend versorgt werden könnten. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen: Es unterstelle zwar das Vorbringen der Klägerin zur geltend gemachten Bedarfssituation als zutreffend, jedoch seien die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Satz 1 Buchst a und b der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine Institutsermächtigung gegenüber den zunächst in Betracht zu ziehenden persönlichen Ermächtigungen für geeignete Ärzte nachrangig, die Beteiligten könnten über diese Rangfolge nicht disponieren. Es sei daher ohne Belang, wenn – wie vorgetragen – die bei der Klägerin angestellten Ärzte persönliche Ermächtigungen weder beantragt hätten noch in der Zukunft beantragen würden, ohne daß die Klägerin darauf Einfluß genommen habe (Urteil vom 13. Januar 1999).
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.
Entscheidungsgründe
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat eine Rechtsfrage, die klärungsbedürftig und in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Der Klärungsfähigkeit steht entgegen, daß die zur Überprüfung gestellte Rechtsfrage im hiesigen Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist.
Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam, ob eine Institutsermächtigung auch dann nachrangig gegenüber persönlichen Ermächtigungen ist, wenn die für persönliche Ermächtigungen in Frage kommenden Ärzte „ohne äußeren Druck aus innerer Überzeugung einen Ermächtigungsantrag nicht stellen”. Diese Rechtsfrage ist indessen nicht klärungsfähig, weil in einem Revisionsverfahren dazu keine Entscheidung getroffen werden könnte (vgl dazu allgemein Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 128, 137 mwN; Krasney in: ders/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1997, Kapitel IX RdNr 68). Der Klägerin kann die begehrte Ermächtigung unabhängig davon nicht erteilt werden, aus welchen Gründen die in ihrer Einrichtung tätigen Ärzte keine Anträge auf persönliche Ermächtigungen stellen.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Ermächtigung ärztlich geleiteter Einrichtungen regelmäßig nachrangig gegenüber der persönlichen Ermächtigung von Ärzten (Urteil vom 2. Oktober 1996, BSGE 79, 159 ff = SozR 3-5520 § 31 Nr 5; Urteile vom 1. Juli 1998, BSG SozR 3-5520 § 31 Nr 7 S 21 und Nr 8 S 27 sowie BSGE 82, 216, 222; vgl zuletzt BSG vom 9. Juni 1999 – B 6 KA 25/98 R –). Der Vorrang persönlicher Ermächtigungen gilt so lange, wie „rechtlich relevante Hindernisse für die persönliche Ermächtigung von Ärzten nicht bestehen” (BSG SozR 3-5520 § 31 Nr 8 S 28). Die Erteilung einer Institutsermächtigung scheidet von vornherein für Leistungen aus, bei denen ein besonderer, enger Zusammenhang zwischen persönlicher ärztlicher Qualifikation und Berechtigung zur Leistungserbringung besteht (so für verhaltenstherapeutische Leistungen BSGE 79, 159 = SozR 3-5520 § 31 Nr 5 S 10 ff sowie für strahlentherapeutische Leistungen BSG SozR 3-5520 § 31 Nr 7 S 19 f). Auch kann eine Institutsermächtigung nicht für soziale, pädagogische und psychosoziale Maßnahmen beansprucht werden, dh solche, die überhaupt nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören (BSG SozR 3-2500 § 118 Nr 1).
Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen und daher den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG verfolgen die Klägerin und die bei ihr tätigen Ärzte einen sog multifunktionalen betreuerischen Behandlungsansatz. Dieser Ansatz beinhaltet notwendigerweise eine Kombination von Leistungen, die sich nicht eng und ausschließlich am sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff und am Leistungskatalog des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) orientiert. Da die gesetzliche Krankenversicherung nur für einen eng begrenzten Teil dieser Leistungen aufzukommen hat, ist eine genaue Abgrenzung wichtig, um vom Gesetz nicht gedeckte Leistungsverschiebungen zu verhindern. Soziale und medizinische Befunde bei einem Patienten können derart miteinander verknüpft sein, daß es regelmäßig nötig wird, die einzelnen Betreuungsakte nach der konkreten Situation des Betreuten im Einzelfall rechtlich der Krankenpflege oder der Eingliederungshilfe zuzuordnen (so schon BSG vom 31. März 1998 – B 1 KR 12/96 R – FEVS 49, 184 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 27 Nr 6; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 118 Nr 1 S 5; ähnlich zur gebotenen Trennung zwischen vertrags- und werksärztlicher Tätigkeit: BSGE 80, 130, 133 = SozR 3-5520 § 20 Nr 2 S 14). Da die Krankenkassen nicht verpflichtet sind, schlechthin für alles aufzukommen, was der Gesundheit förderlich ist, und – soweit der Bereich der Krankenversicherung tatsächlich berührt ist – Ermächtigungen allein für Maßnahmen der ambulanten ärztlichen Krankenbehandlung iS von § 27 SGB V in Frage kommen, ist jeweils eine klare Offenlegung der ärztlichen Verantwortungsstrukturen innerhalb der Einrichtung zwingend geboten. Das läßt sich allein im Rahmen persönlicher Ermächtigungen verwirklichen. Für die ermächtigten Ärzte gilt das Gebot der persönlichen Leistungserbringung (§ 32a Ärzte-ZV), und sie sind persönlich dafür verantwortlich, im Rahmen ihrer Ermächtigung nur Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Angesichts der besonderen Struktur und umfassenden Behandlungsausrichtung der Klägerin wäre dagegen umgekehrt bei einer Institutsermächtigung nicht gewährleistet, daß bei der Leistungserbringung stets ärztlich verantwortete, krankenversicherungsrechtlich anerkannte und dem ambulanten Leistungsspektrum zuzurechnende Aufgaben erfüllt werden (ähnlich für den Ausschuß von Institutsermächtigungen für Leistungen, die besondere persönliche Qualifikationsanforderungen des jeweils tätigen Arztes erfordern BSG SozR 3-5520 § 31 Nr 5 S 11).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.
Fundstellen