Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenvorstellung
Orientierungssatz
1. Eine Gegenvorstellung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, ihm sei grobes prozessuales Unrecht zugefügt worden.
2. Es kann von vornherein nicht als grobes prozessuales Unrecht bezeichnet werden, dass das Bundessozialgericht bestimmte Mindestanforderungen an die Darlegung und Bezeichnung der Zulassungsgründe stellt, vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung diese Mindestanforderungen ausdrücklich bestätigt (vgl zB BVerfG vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 = SozR 3-1500 § 160a Nr 6 und vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 = SozR 3-1500 § 160a Nr 7).
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
BSG (Beschluss vom 31.10.2005; Aktenzeichen B 7 AL 134/05 B) |
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 28.04.2005; Aktenzeichen L 1 AL 22/04) |
SG Trier (Entscheidung vom 06.01.2004; Aktenzeichen S 5 AL 124/03) |
Tatbestand
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2005 - dem Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers zugestellt am 4. November 2005 - hat der Senat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (LSG) vom 28. April 2005 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt: Der Kläger habe den geltend gemachten Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß §§ 62, 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm Art 103 Grundgesetz wegen der Nichtbeachtung seines Antrags auf Terminsverlegung gemäß § 202 SGG iVm §§ 227 Zivilprozessordnung nicht ausreichend bezeichnet. Der Briefkopf des Prozessbevollmächtigten des Klägers habe ausdrücklich die Bezeichnung "und Kollegen" aufgewiesen. Zur Darlegung der Verletzung rechtlichen Gehörs hätte der Kläger daher im Einzelnen Tatsachen dafür beibringen müssen, dass kein Mitglied seiner Kanzlei in der Lage gewesen wäre, den Termin vor dem LSG wahrzunehmen. Gegebenenfalls wäre auch Vortrag dazu erforderlich gewesen, inwiefern der Termin am Amtsgericht nicht durch ein anderes Mitglied der Kanzlei hätte wahrgenommen werden können, wenn für eine Präsenz des Prozessbevollmächtigten des Klägers beim LSG besondere Sachkunde erforderlich gewesen wäre. Auch hierzu fehle es an Sachvortrag. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz sei nicht ausreichend dargelegt worden, da der Kläger lediglich die Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall gerügt habe, ohne die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ausreichend darzulegen. Aus seinem Vorbringen sei nicht deutlich geworden, inwieweit das LSG mit einem abstrakten Rechtssatz von der beigezogenen Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) abgewichen sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 2. Dezember 2005 beim BSG eingegangenen Gegenvorstellung. Seiner Auffassung nach habe der erkennende Senat die Darlegungserfordernisse zu Verfahrensmängeln und Divergenz gemäß § 160a Abs 2 SGG überspannt. Zwar treffe es zu, dass der Briefkopf ausdrücklich die Bezeichnung "und Kollegen" aufweise. Dennoch wäre hier kein anderer Rechtsanwalt der Kanzlei als der für diese Sache zuständige Sachbearbeiter dazu in der Lage gewesen, den betreffenden Termin vor dem LSG für diesen wahrzunehmen, weil eben nur der Sachbearbeiter in die streitgegenständliche Materie eingearbeitet gewesen sei. Abgesehen hiervon würden die Gründe, weshalb eine Terminsverschiebung hätte erfolgen müssen, nicht die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern vielmehr deren Begründetheit berühren. Aus diesem Grund hätte der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht einfach als unzulässig verwerfen dürfen, sondern auf Grund der richterlichen Aufklärungspflicht vielmehr einen Hinweis darauf geben müssen, dass zur weiteren Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde weiterer Vortrag hätte erfolgen müssen. Das Gleiche gelte für die Darlegungen des Klägers zur Divergenz gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.
Entscheidungsgründe
Die vom Kläger erhobene Gegenvorstellung ist unzulässig.
Zwar ist eine Gegenvorstellung auch nach Einführung der Anhörungsrüge durch Einfügung des § 178a in das SGG zum 1. Januar 2005 durch das so genannte Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 3220) weiterhin zulässig (vgl grundsätzlich BSG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - B 13 RJ 178/05 B = SozR 4-1500 § 178a Nr 3; Schenke NVwZ 2005, 729 ff, 732, 739; aA offenbar: Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, RdNr 1 zu § 178a). Die Gegenvorstellung verfolgt das Ziel, den Fachgerichten die Möglichkeit zu eröffnen, ihr Verhalten unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Demgegenüber beschränkt sich die Anhörungsrüge des § 178a Abs 1 SGG auf die Fortführung des Verfahrens, wenn ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Eine solche Rüge hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht erhoben. Diese Rüge wäre auch schon deshalb nicht statthaft, weil sie nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Zwei-Wochen-Frist (vgl § 178a Abs 2 Satz 1 SGG) erhoben worden ist.
Das Vorbringen des Klägers entspricht auch nicht dem von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsinstitut der Gegenvorstellung (hierzu BSG vom 10. März 1998, SozR 3-1500 § 160a Nr 24 mwN; Beschluss des Senats vom 16. März 2001 - B 7 AL 42/01 B). Eine Gegenvorstellung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, ihm sei grobes prozessuales Unrecht zugefügt worden, das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden müsse. Die vom Kläger vorgebrachten Gründe für die erhobene Gegenvorstellung zeigen keine derartig schwerwiegende Rechtsverletzung auf. Dass der Senat in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2005 seiner und der ständigen Rechtsprechung des BSG folgend (vgl hierzu nur Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl 2005, IX, RdNr 45 ff; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 97 ff, 107 ff, 163 ff, 188 ff, jeweils mit umfangreichen Nachweisen zu den Begründungserfordernissen einer Nichtzulassungsbeschwerde) bestimmte Mindestanforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gestellt hat, kann von vornherein nicht als grobes prozessuales Unrecht bezeichnet werden (vgl Beschluss des Senats vom 16. März 2001 - B 7 AL 42/01 B). Denn bereits aus der Beschwerdebegründung müssen sich die tatsächlichen Umstände ergeben, aus denen, ihre Richtigkeit unterstellt, der geltend gemachte Verfahrensfehler folgt (stRspr des BSG; Beschluss vom 28. Juli 2005 = SozR 4-1500 § 178a Nr 3; vgl auch BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Diese Mindestanforderungen an die Darlegung und Bezeichnung von Zulassungsgründen hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt (vgl nur BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 6 und 7).
Der Senat kann daher auch offen lassen, ob der - nunmehr nachgeholte - Vortrag in der jetzigen Gegenvorstellung den gesetzlichen Anforderungen an die "Bezeichnung" des Verfahrensmangels genügen würde. Die Gegenvorstellung dient nicht dazu, außerhalb der Begründungsfrist des § 160a Abs 2 Satz 1 SGG versäumten Vortrag nachzuholen. Ergänzender Vortrag kann daher nicht zu einer neuen Sachentscheidung führen (BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3). Auch besteht keine Hinweispflicht des Revisionsgerichts dahingehend, den Prozessbevollmächtigten nach Einreichung der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf mögliche Fehler bzw notwendige Ergänzungen der Begründung hinzuweisen.
Der Beschluss ergeht in entsprechender Anwendung des § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Fundstellen