Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittelverfahren vor einem obersten Bundesgericht. Beiordnung eines Rechtsanwalts. Darlegung der erfolglosen Bemühungen um eine Prozessvertretung
Orientierungssatz
Beantragt ein Prozessbeteiligter nach § 202 S 1 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO, einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, muss der Prozessbeteiligte rechtzeitig um einen vom Gericht beizuordnenden Anwalt nachsuchen und darlegen, dass es ihm nicht gelungen ist, einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden. Hierbei ist es für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren vor einem obersten Bundesgericht erforderlich, dass erfolglose Bemühungen um eine Prozessvertretung bei zumindest fünf zugelassenen Prozessbevollmächtigten substantiiert aufgezeigt werden (vgl BSG vom 16.10.2007 - B 6 KA 3/07 S = juris RdNr 2 mwN sowie vom 3.3.1997 - 4 BA 155/96 = juris RdNr 3).
Normenkette
SGG § 73 Abs. 4 S. 2, § 73a Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nrn. 1-3, §§ 160a, 202 S. 1; ZPO § 78b Abs. 1, § 114
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. April 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Das Bayerische LSG hat im Urteil vom 30.4.2014 einen Anspruch des Klägers auf höhere Altersrente verneint und die Rechtmäßigkeit der teilweisen Aufhebung des ihm ursprünglich erteilten Altersrentenbescheids mit Wirkung für die Zukunft bestätigt.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe den Rentenbescheid vom 19.1.2010, der dem Kläger ab 1.4.2010 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit gewährt hatte, mit Aufhebungsbescheid vom 10.3.2010 (in Gestalt der Änderungsbescheide vom 25.3. und 15.6.2010 und des Widerspruchsbescheids vom 18.8.2010) hinsichtlich der Rentenhöhe ab dem 1.4.2010 teilweise zurücknehmen dürfen (§ 45 Abs 2 Nr 3 SGB X). Der Rentenbescheid vom 19.1.2010 habe zugunsten des Klägers einen Zuschlag aus einem Versorgungsausgleich berücksichtigt (umgerechnet 8,7688 Entgeltpunkte für die Ehezeit vom 1.3.1968 bis 31.1.1983). Das stehe dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Weiden - Familiengericht - vom 19.10.1983 entgegen, das im Rahmen des Versorgungsausgleichs einen Abzug von den Rentenanwartschaften des Klägers iHv monatlich 264,15 DM angeordnet habe. Die Beklagte habe daher in dem angegriffenen Bescheid zu Recht Entgeltpunkte entsprechend dem im Versorgungsausgleich zugunsten der ersten Ehefrau des Klägers übertragenen Wertausgleich in Abzug gebracht. Vor der Aufhebungsentscheidung sei der Kläger ordnungsgemäß angehört worden. Die teilweise Aufhebung sei nur kurze Zeit nach Erlass des Rentenbescheids ergangen. Der Kläger könne sich auch nicht auf ein schützenwertes Vertrauen in den Fortbestand des rechtswidrigen Rentenbescheids berufen. Eine Rentenzahlung sei bis zur teilweisen Aufhebung des Bescheids nicht erfolgt. Es sei auch nicht erkennbar, dass im Zeitraum von Januar bis März "2011" (richtig: 2010) getroffene Vermögensdispositionen auf den Rentenbescheid vom 19.1.2010 zurückgingen. Dem Kläger sei spätestens ab Februar 2010 die Fehlerhaftigkeit des Rentenbescheids bekannt gewesen. Auch zuvor hätte ihm in Kenntnis des familiengerichtlichen Urteils bekannt sein müssen, dass er keinen Zuschlag aus dem Versorgungsausgleich erhalten dürfe. Der Kläger könne weder aus einer Zusicherung der Beklagten noch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine höhere Altersrente beanspruchen. Wenn er meine, dass er bei zutreffender Beratung durch die Beklagte private Vermögensvorsorge getroffen hätte, so lasse sich diese Folge nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herbeiführen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.6.2014 beim BSG Beschwerde eingelegt. Nachdem die Beschwerdebegründungsfrist bis 25.9.2014 verlängert worden ist, haben die Prozessbevollmächtigten nach Akteneinsicht mit Schreiben vom 11.8.2014 die Vertretung des Klägers niedergelegt. Mit einem von ihm persönlich unterzeichneten Schreiben vom 24.9.2014, das am selben Tag beim BSG eingegangen ist, hat der Kläger Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt. Mit weiterem Schreiben vom 26.9.2014 hat er zudem einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt und Rechtsanwälte benannt, die aus verschiedenen Gründen die Übernahme seines Mandats abgelehnt hätten.
II. 1. Der PKH-Antrag ist abzulehnen.
Gemäß § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hier fehlt es der beabsichtigten Rechtsverfolgung an hinreichender Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht zu erkennen, dass einer Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers Erfolg beschieden sein könnte.
Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geht es nicht darum, ob die Entscheidung des LSG richtig oder falsch ist. Vielmehr ist gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOBG) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.
Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das vom Kläger angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt, von der angestrebten Entscheidung der Rechtssache im Revisionsverfahren somit erwartet werden kann, dass sie in einer bisher nicht geschehenen, jedoch das Interesse der Allgemeinheit berührenden Weise die Rechtseinheit herstellen, wahren oder sichern oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird (BSG SozR 1500 § 160a Nr 39 S 58; BSG SozR 1500 § 160a Nr 65 S 87; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind hier nicht ersichtlich.
Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Divergenz bedeutet Widerspruch im Rechtsgrundsätzlichen oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde liegen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 13). Davon kann hier nicht ausgegangen werden, weil sich die angefochtene Entscheidung ersichtlich an den gesetzlichen Regelungen und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert hat.
Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensfehler feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Das LSG hat das Vorbringen des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Klägers gewürdigt. Beweisanträge auf weitere Sachverhaltsermittlung von Amts wegen hat er im Berufungsverfahren nicht gestellt.
2. Auch der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das oben genannte Urteil des LSG einen Notanwalt beizuordnen, ist abzulehnen.
Nach § 202 S 1 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einem Beteiligten auf seinen Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder die Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht vollständig erfüllt. Zwar ist für das Verfahren der Beschwerde zum BSG gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vom Kläger angegriffenen LSG-Urteil eine Vertretung durch Rechtsanwälte oder andere qualifizierte Prozessbevollmächtigte vorgeschrieben (§ 73 Abs 4 S 2 SGG). Der Kläger hat aber nicht rechtzeitig um einen vom Gericht beizuordnenden Anwalt nachgesucht und dargelegt, dass es ihm nicht gelungen sei, einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden. Für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren vor einem obersten Bundesgericht ist es erforderlich, dass erfolglose Bemühungen um eine Prozessvertretung bei zumindest fünf zugelassenen Prozessbevollmächtigten substantiiert aufgezeigt werden (BSG Beschluss vom 16.10.2007 - B 6 KA 3/07 S - Juris RdNr 2 mwN; BSG Beschluss vom 3.3.1997 - 4 BA 155/96 - Juris RdNr 3). Ob der Vortrag des Klägers im Schreiben vom 26.9.2014 dem genügt (danach hat insbesondere auch Rechtsanwalt M. S. eine Übernahme des Mandats wegen mangelnder Kompetenz im Bereich des Sozialrechts abgelehnt), kann hier offenbleiben. Denn jedenfalls müssen sowohl der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts als auch entsprechende Darlegungen spätestens bis zum Ablauf der mit anwaltlicher Hilfe zu wahrenden Frist erfolgen, da anderenfalls eine Wiedereinsetzung aufgrund fehlenden Verschuldens an der Fristversäumung regelmäßig nicht in Betracht kommt (BSG Beschluss vom 10.5.2011 - B 2 U 3/11 BH - Juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 19.2.2001 - B 11 AL 205/00 B - Juris RdNr 3; BVerwG Beschluss vom 18.4.1991 - 5 ER 611/91 - Juris RdNr 2; BGH Beschluss vom 24.6.2014 - VI ZR 226/13 - NJW 2014, 3247 RdNr 5 mwN). Der Kläger hat aber den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts erst am 26.9.2014 und somit nach Ablauf der bis zum 25.9.2014 verlängerten Beschwerdebegründungsfrist (§ 160a Abs 2 S 2 SGG) beim BSG gestellt, obwohl ihm schon seit Mitte August 2014 bekannt war, dass seine bisherigen Prozessbevollmächtigten die Vertretung niedergelegt hatten. Schon deshalb ist eine weitere Rechtsverfolgung aussichtslos. Dies ist im Übrigen aber auch der Fall, weil - wie oben bereits ausgeführt - keine Gründe für eine Zulassung der Revision ersichtlich sind (vgl BSG SozR 4-1750 § 78b Nr 1 RdNr 5 f).
3. Die von den ursprünglichen Prozessbevollmächtigten des Klägers ordnungsgemäß erhobene Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil sie nicht innerhalb der bereits verlängerten Frist begründet worden ist (§ 160a Abs 2 S 1 SGG).
Die Verwerfung der mithin unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15020172 |