Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. November 2020 werden als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der gebotenen Weise bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (BSG vom 26.10.2020 - B 14 AS 293/20 B - juris RdNr 6). Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2017, § 160 RdNr 119).
Die Kläger behaupten insoweit, das LSG habe den "Rechtsgrundsatz" aufgestellt, dass es in der Berufungsinstanz zur Begründetheit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf die Sach- und Rechtslage vor dem 31.12.2015 ankomme, während ständige Rechtsprechung des BSG sei (Verweis auf BSG vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R), dass es für die Beurteilung bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen sowie bei Anfechtungs- und Leistungsklagen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankomme. Gleichgültig, ob die Kläger mit ihrem Vorbringen überhaupt einen abweichenden prozessualen Rechtssatz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG im Sinne eines Widerspruchs im Grundsätzlichen behaupten, legen sie jedenfalls nicht dar, dass darauf die Entscheidung des LSG beruht, wenn sie vortragen, sie hätten unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des BSG entgegen der angefochtenen Entscheidung des LSG "zwingend den Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab 01.10.2015 bis 31.12.2015, da sie unstreitig Aufenthalt- und Freizügigkeitsrechte haben zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, also hier der zweiten Tatsacheninstanz (s.o.)". Damit behaupten die Kläger letztlich nur ein anderes Ergebnis in der Sache, machen also die Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG geltend, die aber nicht zur Zulassung der Revision verhilft.
Soweit sie rügen, das Urteil des LSG beruhe auf dem Rechtssatz, dass bei im Bundesgebiet lebenden und vom Ausländeramt geduldeten Unionsbürgern der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II mit den Grundrechten vereinbar sei, auch wenn lediglich eine Ermessensentscheidung über Leistungen nach dem SGB XII gewährt werde, während das BVerfG (Az: 1 BvL 1/09, 1 BvL 10/10 ua) entschieden habe, dass das menschenwürdige Existenzminimum als Anspruch zustehe, genügt ihr Vortrag nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Divergenzrüge. Denn weder ist die rechtliche Aussage des LSG in seiner Entscheidung noch die, von der es abweicht, in der Beschwerdebegründung so genau bezeichnet, dass sie ohne größere Schwierigkeiten auffindbar sind (letztens BSG vom 9.1.2018 - B 14 AS 175/17 B - RdNr 2; BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 - juris RdNr 3; BSG vom 21.4.1978 - 1 BJ 12/78 - SozR 1500 § 160a Nr 29 - juris RdNr 3).
Der behauptete Verfahrensmangel, die Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf effektiven Rechtsschutz nach Art 19 Abs 4 GG, ist nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Insoweit tragen die Kläger zwar vor, das Urteil des LSG beruhe auf einem Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG, weil das LSG hätte erkennen müssen, dass der Kläger zu 2) nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen sei, weil er sich bei Erlass der angefochtenen Bescheide nicht zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik aufgehalten, sondern tatsächlich gearbeitet, sich also sein Aufenthaltsgrund geändert habe, dass er im Übrigen Frau und Kind nachgezogen sei, sich also nicht ausschließlich zur Arbeitsuche im Bundesgebiet aufgehalten habe, dass sich auch die Klägerin zu 1) aus familiären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten und bei ihren freizügigkeitsberechtigten Eltern gelebt habe, die sie unterstützt hätten und beruhe letztlich auch deshalb auf einem Verstoß gegen Art 19 Abs 4 GG, weil der Beigeladene nur zur Bescheidung eines in seinem Ermessen stehenden Anspruchs auf Leistungen nach § 23 SGB XII verurteilt worden sei. Damit zeigen die Kläger jedoch keine Verfahrensgrundrechte auf, die ihren Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art 19 Abs 4 GG schützen und die das LSG verletzt hat ("error in procedendo"), sondern machen nur die für die Revisionszulassung unbeachtliche inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des LSG geltend ("error in iudicando").
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14492622 |