Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 07.10.1997) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm wegen der Folgen eines Ereignisses vom 17. Januar 1992 zu entschädigen, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 10. Mai 1994 idF des Widerspruchsbescheids vom 18. August 1994; Urteile des Sozialgerichts vom 31. Juli 1996 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 7. Oktober 1997). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß eine beruflich bedingte Nagelstichverletzung am 17. Januar 1992 nicht erwiesen sei.
Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil des LSG eingelegte Beschwerde ist zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen teils nicht vor, teils sind sie unzulässig.
Der Kläger rügt, das LSG hätte seinen Beweisantrag, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen, stattgeben müssen. Die Rüge des Beschwerdeführers kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Auf eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann der Verfahrensmangel nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das LSG die Ablehnung des Beweisantrages – formell – hinreichend begründet hat, sondern darauf, ob die Ablehnung – materiell – hinreichend begründet ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNr 134 mwN). Ohne hinreichenden Grund bedeutet dabei, daß die Revision zuzulassen ist, wenn das LSG aus seiner rechtlichen Sicht sich hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (BSG SozR aaO).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Das LSG hat im angefochtenen Urteil eine zumindest hinreichende Begründung dafür gegeben, warum es keinen Anlaß sah, das Sachverständigengutachten einzuholen. Dazu hat das LSG ausgeführt, daß eine beruflich bedingte Stichverletzung durch einen Nagel am 17. Januar 1992 nicht erwiesen sei. Auf die Angaben des Klägers lasse sich der notwendige Beweis nicht begründen. Denn die Widersprüche in seinem Vortrag und die Ungereimtheiten in seinem Verhalten ließen dies nicht zu. Es stehe fest, daß der Kläger bei der ärztlichen Erstkonsultation und den späteren Behandlungen keine Angaben über eine Nagelstichverletzung gemacht habe. Dies folge aus der Auskunft des Zeugen Dr. E.… und dessen Behandlungsunterlagen. Entsprechende anamnestische Angaben des Klägers hätten mindestens dann nahegelegen, als sich bei fast dreiwöchiger stationärer Behandlung gezeigt habe, wie schwerwiegend der Krankheitsbefund gewesen sei. Derartige Angaben des Klägers seien in den Krankenblattaufzeichnungen nicht vermerkt. Zweifel am klägerischen Vortrag erwecke auch, daß er einen Arbeitsunfall frühestens im April 1992 behauptet habe. Spätestens aufgrund der stationären Behandlung im März 1992 hätte ihm aufgrund der schlechten Heilungstendenz die Schwere des Geschehens nicht mehr verborgen geblieben sein können, so daß es nahegelegen hätte, sich an die Beklagte zu wenden. Die Bedenken gegen die Richtigkeit des behaupteten Hergangs würden auch durch nicht widerspruchsfreie Bekundungen der Ehefrau des Klägers nicht beseitigt. Zudem habe sie den Vortrag des Klägers, er habe eine Nagelstichverletzung erwähnt, ebensowenig wie Dr. E.… bestätigen können. Unglaubhaft sei auch, daß sie den – nach ihren Angaben durchbohrten – Schuh ihres Ehemannes gerade zu einer Zeit weggeworfen habe, als ihr die Zweifel der Beklagten bereits bekannt gewesen seien und sie deshalb hätte hoffen können, daß sich die ungünstige Beweissituation ihres Ehemannes durch das Beweismittel verbessern werde. Weitere Beweismittel hätten nicht zur Verfügung gestanden. Insbesondere lasse sich durch medizinische Erhebungen nicht der erforderliche Nachweis eines Arbeitsunfalls führen. Selbst wenn anzunehmen wäre, daß der am 20. Januar 1992 erhobene Befund nur auf eine äußere Verletzung zurückgeführt werden könnte, wäre der erforderliche Nachweis angesichts der aufgezeigten Widersprüche und Unklarheiten nicht erbracht, ob der Kläger sich die Verletzung so wie von ihm angegeben oder bei einer anderen – privaten – Gelegenheit zugezogen habe. Diese Beweislücke sei medizinischerseits nicht zu schließen. Daher sei den Beweisanträgen des Klägers nicht nachzugehen. Damit hat das LSG nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Beweisantrag des Klägers im Rahmen der im Beschwerdeverfahren nicht nachprüfbaren Beweiswürdigung aus seiner rechtlichen Sicht eine zumindest hinreichende Begründung für die Ablehnung des Hilfsantrages gegeben.
Soweit der Kläger als Verfahrensmängel rügt, die Ablehnung des Beweisantrages beruhe auf einer vorweggenommenen Beweiswürdigung, einer nicht bestehenden eigenen Sachkunde des LSG sowie einer nicht ausreichenden Begründung der Ablehnung des Beweisantrages, beziehen sich diese Rügen auf die Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG durch das LSG. Dies kann jedoch im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zur Zulassung der Revision führen; denn § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG schließt es aus, den geltend gemachten Verfahrensmangel auf Fehler in der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen. Damit sollen keinesfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit der freien richterlichen Beweiswürdigung durch das LSG angedeutet werden.
Auch die Rüge des Klägers, sein Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art 103 des Grundgesetzes ≪GG≫, § 62 SGG) sei verletzt, weil das Gericht keinen Hinweis gegeben habe, daß es nicht beabsichtige, eine weitere medizinische Abklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durchzuführen, damit nach dem Hinweis dann sowohl der Antrag, ein Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, hätte gestellt werden können, als auch eine Begründung, warum die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG als erforderlich angesehen werde, hätte abgegeben werden können, kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn zum einen wurde der Antrag gemäß § 109 SGG, ein Gutachten einzuholen, vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 1997 gestellt, so daß ein Verfahrensmangel dadurch, daß durch das Verhalten des Gerichts ein Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG verhindert worden sei, nicht vorliegen kann. Zum anderen hat der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht dargetan, welches möglicherweise entscheidungserhebliche Vorbringen zur Notwendigkeit der Antragstellung nach § 109 SGG ihm durch das Verhalten des LSG abgeschnitten worden sei. Für die Schlüssigkeit des Vortrags, daß das angefochtene Urteil des LSG auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht, hätte der Kläger zumindest in groben Umrissen darlegen müssen, was er zur Begründung der Notwendigkeit des Antrags nach § 109 SGG vorgetragen hätte und inwieweit dies entscheidungserheblich gewesen wäre. Im übrigen kann auch § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden. Dieser Ausschluß gilt nach der eindeutigen Fassung des Gesetzes uneingeschränkt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 34; BSG-Beschluß vom 26. September 1996 – 2 BU 169/96 –). Dazu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, es sei von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß von einer Revisionszulassung grundsätzlich alle Entscheidungen ausgeschlossen sind, die eine fehlerhafte Anwendung des § 109 SGG aufweisen, unabhängig davon, worauf dieser Verfahrensmangel im einzelnen beruht (BVerfG SozR 1500 § 160 Nr 69).
Ebenso ist die Rüge nicht schlüssig dargelegt, das LSG habe durch eine Überraschungsentscheidung das rechtliche Gehör des Klägers verletzt. Der in § 62 SGG und Art 103 GG verankerte Grundsatz soll verhindern, daß die Prozeßbeteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf einer Rechtsauffassung beruht, zu der sie sich nicht äußern konnten. Der sich hieraus ergebende Anspruch auf rechtliches Gehör und die dementsprechenden Hinweispflichten des Gerichts beziehen sich jedoch nur auf erhebliche Tatsachen, die den Betroffenen bislang unbekannt waren, und auf neue rechtliche Gesichtspunkte. Solche hat das LSG im vorliegenden Fall nicht in das Verfahren eingebracht, zumal bereits seit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 1994 streitig war, ob ein Arbeitsunfall nachgewiesen ist. Im übrigen rügt der Beschwerdeführer hierbei wiederum die Beweiswürdigung des LSG und damit eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, worauf jedoch ein Verfahrensmangel im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Auch die Rüge, das Urteil des LSG sei nicht aufgrund einer ordnungsgemäßen Beratung zustande gekommen, kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn der Kläger hat eine Verletzung des § 61 Abs 2 SGG iVm §§ 192 his 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht schlüssig vorgetragen. In den gesetzlichen Vorschriften sind zeitliche Grenzen für die Beratung des Gerichts nicht festgelegt. Im übrigen übersieht der Kläger, daß bereits am 28. Januar 1997 eine mündliche Verhandlung des LSG stattgefunden hat.
Die Beschwerde war daher insgesamt ale unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen