Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit eines Gesuchs zur Ablehnung eines Richters wegen vermeintlicher Befangenheit. erneute Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Vertretungszwang nach § 73 Abs 4 S 1 SGG auch in Anhörungsrügeverfahren

 

Orientierungssatz

1. Ein Gesuch zur Ablehnung eines Richters wegen vermeintlicher Befangenheit ist unzulässig, wenn keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden oder nur Tatsachen, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen lassen.

2. Erneute Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts sind wegen des Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn die erneuten Anträgen nicht auf neue Tatsachen gestützt werden (vgl BGH vom 3.3.2004 - IV ZB 43/03 = NJW 2004, 1805).

3. Der Vertretungszwang des § 73 Abs 4 S 1 SGG gilt auch im Anhörungsrügeverfahren (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 11 AL 2/09 C sowie vom 9.2.2010 - B 3 P 1/10 C = SozR 4-1500 § 73 Nr 6 RdNr 4).

 

Normenkette

SGG §§ 60, 73 Abs. 4 S. 1, § 178a Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Berlin (Entscheidung vom 21.06.2011; Aktenzeichen S 13 R 220/08)

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 10.11.2011; Aktenzeichen L 33 R 704/11)

 

Tenor

Das Gesuch des Klägers, den Vorsitzenden Richter am Bundessozialgericht Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird als unzulässig verworfen.

Die erneuten Anträge des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. November 2011 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, werden abgelehnt.

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2011 - B 5 R 434/11 B - wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Beschluss vom 22.12.2011, zugestellt am 6.1.2012, hat der erkennende Senat den Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 10.11.2011 Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen, abgelehnt und die privatschriftliche Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil als unzulässig verworfen. Mit Schreiben des BSG vom 17.1.2012 hat der Vorsitzende den Kläger darauf hingewiesen, dass ein erneuter Antrag auf PKH wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgelehnt werden müsse.

Mit Schriftsätzen vom 10.1.2012, 19.1.2012, 20.1.2012 und 26.1.2012 hat der Kläger sinngemäß Anhörungsrüge erhoben und erneut die Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Außerdem hat er den Vorsitzenden Richter Dr. B. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Der Senat kann über das Befangenheitsgesuch in seiner Besetzung mit dem abgelehnten Vorsitzenden Richter Dr. B. entscheiden, weil dieses Gesuch unzulässig ist (vgl BSG vom 28.5.2001 - B 14 KG 3/01 B - und vom 16.2.2001 - B 11 AL 19/01 B - jeweils mwN).

Ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden oder nur Tatsachen, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen lassen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 60 RdNr 10b). Mit der pauschalen Behauptung, das Schreiben vom 17.1.2012 verstoße gegen den Richtereid nach § 38 DRiG und sei ein Angriff gegen die Grundfesten des Rechtsstaats, werden nur Wertungen ohne tatsächliche Substanz vorgebracht. Eine ins Einzelne gehende Bezeichnung der Umstände, die die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit begründen, liegt darin nicht.

Die erneuten Anträge auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts sind unzulässig. Ihnen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger seine erneuten PKH-Anträge nicht auf neue Tatsachen stützt (vgl BGH NJW 2004, 1805, 1807; Zöller/Geimer,, ZPO, 29. Aufl 2012, § 117 RdNr 6). Da gegen die Ablehnung von PKH im Beschluss des Senats vom 22.12.2011 ein Rechtsbehelf nicht gegeben ist, war auch die hiergegen gerichtete "Beschwerde" des Klägers sinngemäß als Neuantrag zu verstehen.

Die Anhörungsrüge (§ 178a SGG) gegen den Beschluss des Senats vom 22.12.2011 ist insgesamt unzulässig, weil der Kläger nicht schlüssig dargetan hat, dass der Senat seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 178a Abs 2 S 5, Abs 1 Nr 2 SGG). Jedenfalls soweit die Verwerfung der vom Kläger privatschriftlich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde betroffen ist, ist die Anhörungsrüge auch nicht formgerecht (§ 178a Abs 4 S 1 SGG) durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt. Denn nach § 73 Abs 4 S 1 SGG müssen sich die Beteiligten vor dem BSG, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dieser Vertretungszwang herrscht auch im Anhörungsrügeverfahren (BSG SozR 4-1500 § 73 Nr 6 RdNr 4 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 11 AL 2/09 C).

Dieser Beschluss ergeht in entsprechender Anwendung des § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter .

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16186689

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