Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 15.01.1997) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Januar 1997 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger ist mit seinem Begehren, die ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. April 1980 gewährte Verletztenrente auch für die Zeit vom 1. Januar 1982 bis 27. November 1983 über die gewährte Rentenerhöhung hinaus wegen Arbeitslosigkeit auf die Vollrente zu erhöhen, ohne Erfolg geblieben (Bescheid vom 26. Juli 1991 idF des Widerspruchsbescheids vom 22. April 1994; Bescheid vom 12. April 1995; Urteil des Sozialgerichts vom 21. Juni 1995 und Beschluß des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 15. Januar 1997). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe der Rentenerhöhung wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1. Januar 1982 zu Recht § 587 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der ab diesem Zeitpunkt geltenden Neufassung aufgrund des Art 4 § 1 Nr 12 des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz ≪AFKG≫) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497 ff) zugrundegelegt. Diese Neuregelung der Erhöhung der Verletztenrente wegen Arbeitslosigkeit sei auch nicht verfassungswidrig.
Mit der hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Das LSG habe unter Bezugnahme auf eine nicht einschlägige Parallelentscheidung des Bundesverfassungsgerichts unrichtig entschieden. Die Änderung des § 587 RVO könne erst für Arbeitsunfälle gelten, die sich nach dem 1. Januar 1982 ereignet hätten. Für Unfallverletzte, deren Ansprüche bereits im Kalenderjahr 1981 begründet und tatsächlich entstanden seien, müsse nach der Eigentumsschutzgarantie des Grundgesetzes (GG) sowie nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes § 587 RVO in der bis 31. Dezember 1981 geltenden Fassung zur Anwendung kommen. Die Klärung dieser Rechtsfrage habe grundsätzliche Bedeutung. Die sog Rückwirkung in den Fällen der gesetzlichen Unfallversicherung müsse im Gegensatz zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung unterschiedlich behandelt werden. Es sei die Verfassungswidrigkeit der Änderung des § 587 RVO zu klären. Außerdem rügt der Kläger als Verfahrensmangel, daß das LSG ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entschieden habe, obwohl er auf seinem Recht beharrt habe, daß in dieser Sache öffentlich verhandelt werde, weil sie grundsätzliche Bedeutung habe und außerdem weiterer Sachvortrag zu halten sei.
Die Beschwerde ist unzulässig. Die dazu gegebene Begründung entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 SGG festgelegten Form. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verlangen diese Vorschriften, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 34, 47 und 58; vgl hierzu auch Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, 1997, IX, RdNrn 177 und 179 mwN). Daran fehlt es der Beschwerdebegründung.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt werden. Dazu ist darzulegen, daß die aufgezeigte Rechtsfrage allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 11 und 39), daß also von der Entscheidung des BSG erwartet werden kann, sie werde in einer bisher nicht geschehenen, die Interessen der Allgemeinheit berührenden Weise das Recht oder die Rechtsanwendung fortentwickeln oder vereinheitlichen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 39; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 182). Die Größe des Kreises der von der begehrten Entscheidung über die Rechtssache Betroffenen ist zwar nicht allein maßgebend, jedoch kann in ihr ein Indiz dafür liegen, inwieweit die Interessen der Allgemeinheit berührt werden (vgl Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 60).
An einem über den Einzelfall hinausgehendes, die Allgemeinheit betreffendes Interesse fehlt es in der Regel, wenn die zu erwartende Entscheidung nicht mehr geltendes Recht – wie hier – betrifft, weil es an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage mangelt. Die streitige Berechnung der Verletztenrente des Klägers wegen Arbeitslosigkeit betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 1982 bis 27. November 1983. Die für die Erhöhung der Verletztenrente wegen Arbeitslosigkeit maßgebende Norm des § 587 RVO in der durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl I S 241 ff) eingeführten Fassung ist bereits am 31. Dezember 1981 außer Kraft getreten. Die anschließende ab dem 1. Januar 1982 geltende, auf Art 4 § 1 Nr 12 AFKG beruhende Fassung des § 587 RVO ist zum 31. Dezember 1996 aufgehoben worden (Art 35 Nr 1, 36 Unfallversicherungseinordnungsgesetz – BGBl I 1996 S 1254 ff). Eine bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschrift kann aber in aller Regel keine grundsätzliche Rechtsfrage mehr aufwerfen, es sei denn, daß noch eine erhebliche Anzahl von Fällen zu entscheiden ist und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage liegt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 19; Krasney/Udsching, aaO, IX, RdNr 61). Dies hätte der Kläger im einzelnen schlüssig darlegen müssen. Dazu, daß noch ein anerkennenswertes Bedürfnis besteht, hat der Beschwerdeführer insoweit nichts vorgetragen, was die Beschwerde statthaft machen könnte, sei es, daß beispielsweise noch eine erhebliche Zahl von Fällen der Entscheidung harrt oder daß Normen mit ähnlicher Problematik weiterhin in Kraft sind.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Eine Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit des Verfahrens dadurch, daß das LSG ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs 4 SGG entschieden hat, hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Hält das LSG – wie hier – nach Anhörung der Beteiligten die Berufung einstimmig für unbegründet und die mündliche Verhandlung nicht für erforderlich, so räumt das Gesetz dem LSG einen Beurteilungsspielraum zur Verfahrensgestaltung ein. Das Revisionsgericht hat das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung nicht aus seiner Sicht zu prüfen. Verfahrensrechtlich zu beanstanden ist eine Sachentscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs 4 SGG nur, wenn das Verfahren des LSG auf „sachfremde Erwägungen” oder „grober Fehleinschätzung” beruht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 mwN). Für eine solche Annahme bringt die Beschwerdebegründung nichts vor.
Der Kläger führt zwar aus, er habe auf einer mündlichen Verhandlung bestanden, weil er dabei noch zur Sache habe vortragen wollen. Die darin sinngemäß enthaltene Rüge einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) hat der Beschwerdeführer ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen. Denn es reicht zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus, daß ihm bei seiner Anhörung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG auf schriftlichem Weg dazu Gelegenheit gegeben wird (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1).
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (§ 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen