Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Hessen |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Oktober 1998 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für alle Rechtszüge nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer landwirtschaftlichen Berufsausbildung im elterlichen Betrieb in der Zeit von 1946 bis 1950 als fiktive Pflichtbeitragszeit gemäß § 247 Abs 2a SGB VI.
Der 1930 geborene Kläger war nach Schulabschluß im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb tätig, den er später übernahm. In den Winterhalbjahren 1948/1949 und 1949/1950 besuchte er jeweils mit Erfolg die Landwirtschaftsschule. In dem gemäß § 149 Abs 5 SGB VI erteilten Bescheid vom 10. September 1996 über die im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen Daten berücksichtigte die Beklagte den Schulbesuch als Zeit einer Fachschulausbildung. Den weitergehenden Antrag des Klägers, die Zeit seiner Tätigkeit auf dem elterlichen Hof vom 1. April 1946 bis 31. März 1950, für die Versicherungsbeiträge nicht entrichtet waren, insgesamt als Lehrzeit anzuerkennen, wie dies bei seinen Berufskollegen auch geschehen sei, lehnte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1996 mit der Begründung ab, es sei für den streitigen Zeitraum kein Lehrverhältnis nachgewiesen. Mit derselben Begründung hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 2. Oktober 1997) und dazu ausgeführt: Für ein Lehrverhältnis reiche nicht aus, daß der Vater den Sohn mit dem Ziel der späteren Hofübergabe mit dem landwirtschaftlichen Betrieb vertraut gemacht und ihm die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten beigebracht habe. Den Charakter eines Lehrverhältnisses gewinne eine solche Tätigkeit im Rahmen des Familienverbundes erst dann, wenn ihr Ziel tatsächlich die Berufsausbildung, im Fall des landwirtschaftlichen Lehrlings also das Erreichen des Abschlusses als Landwirtschaftsgehilfe sei. Dafür habe es auch 1945 bereits rechtliche Regelungen gegeben, nämlich die „Grundregel für die Ausbildung in den männlichen praktischen Berufen der Landwirtschaft” und besondere „Bestimmungen für die praktische Ausbildung als Landwirt”, die die im Sommer 1945 wieder gegründete, für den Kläger seinerzeit zuständige Landwirtschaftskammer für Hessen-Nassau am 1. September bzw 1. Oktober 1945 in Kraft gesetzt habe. Die Landwirtschaftslehre habe danach bei Besuch der Fachschule – wie bereits vor dem Krieg – vier Jahre gedauert und sich in zwei Abschnitte gegliedert: eine zweijährige Landarbeitslehre, die mit einer Vorprüfung (Landarbeiterprüfung) abgeschlossen worden sei, und eine Landwirtschaftslehre, die erst nach abgeschlossener Landarbeitslehre habe angetreten werden können. Eine dreijährige Lehre habe sich nur ergeben, wenn die Landwirtschaftsschule nicht besucht worden sei. Für die Landarbeitslehre sei keine Ausbildungsbefugnis erteilt worden; jedoch habe für Lehrlinge im elterlichen Betrieb eine von der Landwirtschaftsschule genehmigte Lehranzeige vorgelegt werden müssen. Die Ausbildung von Landwirtschaftslehrlingen habe die Anerkennung des Lehrherrn durch die Landwirtschaftskammer und den Abschluß eines von der Landwirtschaftskammer herausgegebenen und bindend vorgeschriebenen Lehrvertrags vorausgesetzt. Als Teil der Ausbildung habe der Lehrling ein Merkbuch führen müssen, welches der Lehrherr regelmäßig habe durchsehen und abzeichnen müssen. Anders als in den Fällen, über die das BSG mit den vom Kläger zitierten Urteilen vom 8. Februar 1996 (13 RJ 45/94) und vom 27. Februar 1997 (4 RA 124/95) entschieden habe, fehle es im Fall des Klägers an entsprechenden Unterlagen für den Nachweis eines Lehrverhältnisses. Der Kläger räume auch selbst ein, daß er weder die Landarbeitsprüfung noch die Landwirtschaftsprüfung absolviert habe, von einem Merkbuch sei ihm nichts bekannt gewesen. Der Besuch der landwirtschaftlichen Berufsschule sei – wie das Hessische Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft der Beklagten in einem Parallelverfahren mitgeteilt habe – nicht automatisch gleichbedeutend mit dem gleichzeitigen Bestehen eines Lehrverhältnisses gewesen. Unerheblich sei, ob einem Berufskollegen in einem gleichgelagerten Fall vier Jahre angerechnet worden seien. Aus einer solchen – rechtswidrigen – Anerkennung könne der Kläger für sich nichts herleiten.
Auf die Berufung des Klägers hat das LSG mit Urteil vom 27. Oktober 1998 das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Zeit vom 1. April 1946 bis zum 31. März 1950 als Pflichtbeitragszeit festzustellen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Ein Lehrverhältnis im engeren Sinne habe im Fall des Klägers zwar nicht vorgelegen, insoweit beziehe es sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Das SG habe jedoch versäumt, zu prüfen, ob eine Berufsausbildung im weiteren Sinn entsprechend dem Urteil des BSG vom 8. Juli 1970 (11 RA 164/67 – BSGE 31, 226, 231) vorgelegen habe, die grundsätzlich versicherungspflichtig gewesen sei. Trotz der geregelten Ausbildung sei eine solche Berufsausbildung im weiteren Sinn seinerzeit in der Landwirtschaft noch allgemein üblich und die Ansicht von der Landwirtschaft als einem „ungelernten Beruf” noch weit verbreitet gewesen. Für Kinder von selbständigen Landwirten, die später den Hof hätten übernehmen sollen, habe es weder rechtliche noch wirtschaftliche Gründe gegeben, eine formelle Ausbildung abzuschließen. Zumindest für diese Kinder von Betriebsinhabern sei daher neben der formellen Ausbildung in der streitigen Nachkriegszeit eine solche – grundsätzlich versicherungspflichtige – Berufsausbildung im weiteren Sinne möglich und üblich gewesen. Diese habe auch beim Kläger vorgelegen. Seine Tätigkeit auf dem elterlichen Hof sei keine bloß familienhafte Mithilfe gewesen. Der Kläger sei als künftiger Hoferbe unter Anleitung seines Vaters für alle auf dem Hof anfallenden Arbeiten praktisch ausgebildet worden. Daraus wie auch aus dem nachgewiesenen Besuch der Landwirtschaftsschule ergebe sich, daß der Ausbildungszweck im Vordergrund gestanden habe. Die Ausbildung des Klägers sei parallel zu der offiziellen Ausbildung mit dem Ziel der Vorbereitung auf die künftige Stellung als Betriebsinhaber verlaufen. Anzeichen für ein bloßes Scheinausbildungsverhältnis lägen nicht vor.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen und formellen Rechts und trägt vor: Das LSG habe § 247a Abs 2a SGB VI unrichtig angewendet. Diese Vorschrift erfasse nur Zeiten der Berufsausbildung, für die grundsätzlich Versicherungspflicht bestanden habe. Nach dem seit 1. Juni 1945 geltenden Recht seien aber nur Lehrlinge in der Rentenversicherung versicherungspflichtig gewesen. Sonstige zu ihrer Berufsausbildung beschäftigte Personen seien erst durch die Rentenreform 1957 zum 1. März 1957 in die Versicherungspflicht einbezogen worden. Auch bei zutreffender Beurteilung der Tätigkeit des Klägers im streitigen Zeitraum durch das LSG als „sonstige Berufsausbildung” im Sinne dieser Vorschrift, habe es sich doch nicht um eine dem Grunde nach versicherungspflichtige Tätigkeit gehandelt. Zwar seien sogenannte Anlernlinge den Lehrlingen gleichgestellt gewesen, hierunter seien jedoch Personen zu verstehen, die in einem engeren Fachgebiet eine (in der Regel zweijährige) Spezialausbildung erhielten. Der Kläger sei aber kein Anlernling in diesem Sinne gewesen, da ihm nach den Feststellungen des LSG alle für die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes erforderlichen Kenntnisse vermittelt worden seien und die Ausbildung vier Jahre gedauert habe. Darüber hinaus habe das LSG die Bedeutung des Begriffs „sonstige Berufsausbildung” verkannt. Zwischen einer Lehre und einer sonstigen Beschäftigung zur Berufsausbildung sei zu unterscheiden, insbesondere sei letztere kein Auffangtatbestand für eine nicht nachgewiesene Lehre. Des weiteren rügt die Beklagte Verfahrensfehler.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG vom 27. Oktober 1998 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Gießen vom 2. Oktober 1997 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtenen Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Auf Verfahrensfehler kommt es nicht an. Das Urteil des LSG war bereits deswegen aufzuheben, weil es auf einer fehlerhaften Anwendung des § 247 Abs 2a SGB VI beruht. Im Ergebnis zu Recht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 10. September 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 1996 bestätigt und die Klage abgewiesen. Im Versicherungsverlauf des Klägers können (fiktive) Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. April 1946 bis 31. März 1950 nicht anerkannt werden, weil seine Tätigkeit in dieser Zeit keine grundsätzlich versicherungspflichtige Beschäftigung zur Berufsausbildung gewesen ist.
1. Nach § 247 Abs 2a SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung auch Zeiten, in denen in der Zeit vom 1. Juni 1945 bis 30. Juni 1965 Personen als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren und grundsätzlich Versicherungspflicht bestand, eine Zahlung von Pflichtbeiträgen für diese Zeiten jedoch nicht erfolgte (diese Zeiten werden seit 1. Januar 1997 als Zeiten einer beruflichen Ausbildung bezeichnet; vgl Art 1 Nr 28 des Gesetzes vom 25. September 1996 ≪BGBl I, 1461≫). Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt, ist für die Frage, ob grundsätzlich Versicherungspflicht bestand, auf die im konkreten Fall geltend gemachte Zeit der Berufsausbildung abzustellen. Bei dieser muß es sich um eine Lehre oder um eine sonstige Berufsausbildung handeln, und sie muß in den Zeitraum vom 1. Juni 1945 bis 30. Juni 1965 fallen. Das Wort „grundsätzlich” macht deutlich, daß es nicht darauf ankommt, wie die Versicherungspflicht für das konkrete Berufsausbildungsverhältnis seinerzeit beurteilt wurde. Maßgebend ist, und dies bestätigt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, ob eine Beitragsentrichtung für die Lehre oder die sonstige Berufsausbildung nach dem damaligen Recht der RVO, wie es sich aus heutiger Sicht darstellt, geboten gewesen wäre. So hat auch der 12. Senat des BSG die Bestimmung des § 247 Abs 2a SGB VI interpretiert (Urteil vom 23. September 1999 – B 12 RJ 1/99 R – Umdruck S 6 – nicht veröffentlicht).
2. Nach dem in der streitigen Zeit geltenden Recht waren jedoch keine Beiträge für den Kläger zu entrichten, weil dieser nach den Feststellungen des LSG, die vom Kläger im Revisionsverfahren nicht mit Gegenrügen angegriffen und damit für das Revisionsgericht bindend geworden sind (vgl Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 6. Aufl 1997, § 170 RdNr 4a mwN; Krasney, BKK 1988, 369, 372 mwN), nicht als Lehrling beschäftigt und deshalb nicht versicherungspflichtig war.
a) Nach § 1226 Abs 1 Nr 4 iVm Abs 2 RVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1924 (RGBl I, 779) waren neben Arbeitern auch Lehrlinge nur versicherungspflichtig, wenn sie gegen Entgelt (§ 160 RVO) beschäftigt wurden. Als Entgelt galt seit dem Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 26. März 1942 (AN 1942, II 240) nur der Bezug von Bargeld. Die erste Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung (1. SVVereinfV) vom 17. März 1945 (RGBl I, 41) begründete dagegen für Lehrlinge unabhängig von einem Entgeltbezug Versicherungspflicht. Nach § 1226 Abs 1 Nr 1 RVO idF der 1. SVVereinfV (RVO 1945) waren Arbeiter für den Fall der Invalidität und des Alters sowie zugunsten der Hinterbliebenen versichert, die aufgrund der Versicherungspflicht krankenversichert waren. Zu den krankenversicherungspflichtigen Arbeitern wiederum gehörten auch Lehrlinge, die für einen Arbeiterberuf ausgebildet wurden (§ 165a Nr 2 iVm § 165b Abs 2 RVO 1945). Von der weiteren Voraussetzung für die Versicherungspflicht, nämlich eine Beschäftigung gegen Entgelt, waren sie jedoch nach § 165 Abs 1 iVm Abs 2 RVO 1945 ausgenommen.
Wegen der Geltung des Besatzungsrechts, einer uneinheitlichen Rechtsanwendung und einer bestehenden Rechtsunsicherheit, ob und ab wann für welchen Geltungsbereich die erst kurz vor Kriegsende verkündeten neuen reichsrechtlichen Regelungen wirksam geworden und nach Inkrafttreten des GG fortgeltendes Recht waren (vgl BSG Urteile vom 11. Juli 1956 – 3 RJ 128/54 – BSGE 3, 161, 169 = SozR Nr 1 zu Art 19 1. VereinfachungsVO, vom 30. April 1981 – 11 RA 54/80 – BSGE 52, 1, 5 f = SozR 2200 § 1259 Nr 50 S 132 f, vom 3. Dezember 1992 – 13 RJ 73/91 – BSG SozR 3-2200 § 1259 Nr 14, S 59 f und vom 23. März 1994 – 5 RJ 40/92 – BSGE 74, 112, 115 f = SozR 3-2200 Nr 15, S 71), unterblieb zwar in der Folgezeit bis zur Klärung dieser Fragen durch die Rechtsprechung häufig der nach der RVO erforderliche Beitragseinzug für Lehrlinge durch die Sozialversicherungsträger. Insoweit ist die durch Art 1 Nr 7 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes vom 24. Juni 1993 (BGBl I, 1038) mit Rückwirkung zum 1. Januar 1992 eingeführte Bestimmung des § 247 Abs 2a SGB VI die Antwort des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des BSG, Lehrzeiten nicht als Ausfallzeiten iS des § 1259 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst a RVO anzuerkennen, wenn für sie nach § 1226 Abs 1 Nr 1 iVm § 165 Abs 1 Nr 1, § 165a Nr 2 RVO, alle Vorschriften idF der RVO 1945, Versicherungspflicht bestand, Beiträge aber wegen der uneinheitlichen oder unklaren Rechtslage nicht entrichtet worden sind (vgl BSG Urteil vom 23. September 1999 – B 12 RJ 1/99 R – Umdruck S 6 mwN). Dies ändert jedoch nichts daran, daß die genannten Bestimmungen der RVO 1945 für in Ausbildung befindliche Personen, die nicht in einem Lehrverhältnis standen, keine Versicherungspflicht begründeten.
b) Die Rechtsprechung geht von einem Lehrverhältnis aus, wenn die Beschäftigung in einem Betrieb hauptsächlich der Fachausbildung dient, dem Ziel entsprechend geleitet wird und der Auszubildende tatsächlich die Stellung eines Lehrlings einnimmt (stRspr vgl BSG Urteile vom 29. November 1957 – 7 RAr 40/57 – BSGE 6, 147, 151, vom 8. Juli 1970 – 11 RA 164/67 – BSGE 31, 226, 230 f = SozR Nr 30 zu § 1259 RVO, vom 17. Dezember 1980 – 12 RK 20/79 – BSGE 51, 88 = SozR 2200 § 165 Nr 53, vom 29. August 1984 – 1 RJ 102/83 – SozR 2200 § 1259 Nr 87 und vom 3. Dezember 1992 – 13 RJ 73/91 – SozR 3-2200 § 1259 Nr 14 S 58 jeweils mwN). Im Zusammenhang mit der Prüfung der Versicherungspflicht wurde unter der Geltung der RVO – hier § 1226 RVO 1945 – das Vorliegen eines Lehrverhältnisses nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt, ohne Rücksicht auf die Bezeichnung durch die Beteiligten; entscheidend war, daß eine geregelte Ausbildung stattfand (vgl BSG Urteil vom 30. Januar 1963 – 3 RK 36/59 – BSGE 18, 246, 248 = SozR Nr 37 zu § 165 RVO), die den Beschäftigten befähigen sollte, den Beruf später selbst auszuüben (BSG Urteil vom 26. Juni 1985 – 12 RK 12/84 – BSGE 58, 218, 219 = SozR 2200 § 165 Nr 82, S 138; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: Januar 1982, § 165a RVO Anm 5a, S 17/82 mwN). Daß eine solche Ausbildung im elterlichen Betrieb erfolgte, steht der Annahme eines Lehrverhältnisses nicht mehr grundsätzlich entgegen, nachdem die Rechtsprechung klargestellt hat, daß insoweit für die Versicherungspflicht keine anderen Voraussetzungen gelten (BSG Urteile vom 5. April 1956 – 3 RK 65/55 – BSGE 3, 30 = SozR Nr 18 zu § 164 SGG und vom 30. April 1981 – 11 RA 54/80 – BSGE 52, 1 = SozR 2200 § 1259 Nr 50).
Die dem Kläger zuteil gewordene Unterweisung war aber, wie das SG in seinem vom LSG insoweit in Bezug genommenen Urteil festgestellt hat, nicht auf einen formellen Lehrabschluß ausgerichtet und erfüllte auch sonst nicht die Voraussetzungen einer geregelten Ausbildung als Lehrling. Das Revisionsgericht ist an diese Feststellungen auch insoweit gebunden, als dabei die Regelhaftigkeit der Ausbildung in Anwendung des dafür maßgeblichen Landesrechts beurteilt ist; denn dieses unterliegt nach § 162 SGG nicht der Überprüfung durch das Revisionsgericht.
c) Der Begriff des Lehrverhältnisses umfaßte nach dem hier maßgeblichen Recht der RVO in erweiternder Auslegung allerdings auch Anlernverhältnisse (vgl Bescheid des RVA vom 20. Mai 1940, AN II S 178; Beurskens/Grintsch in MittLVA Rheinpr 1971, 310, 311; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: Januar 1982, § 165a RVO Anm 5a, S 17/83; Jörg in Kreikebohm, SGB VI-Komm, 1997, § 247 RdNr 9; Klattenhoff in Hauck/Haines, SGB-Komm § 247 SGB VI RdNr 18, Stand: Juni 1994). Der Unterschied war in der unterschiedlichen Zielsetzung – der Ausbildung zum gelernten Arbeiter (Facharbeiter) im Lehrverhältnis und der Ausbildung zum angelernten Arbeiter (Spezialarbeiter) im Anlernverhältnis (Beurskens/Grintsch aaO mwN) – und einer dementsprechend unterschiedlichen Dauer der Ausbildung zu sehen. Als Anlernling wurde in der Kranken- und Rentenversicherung daher derjenige angesehen, der nicht wie der Lehrling in einem bestimmten Fachgebiet allseitig ausgebildet wurde, aber auf einem engeren Gebiet eine Spezialausbildung erhielt, die in der Regel eine gegenüber der Lehrzeit kürzere Anlernzeit erforderte (Peters, aaO S 17/83). Dabei wurde wie beim Lehrverhältnis ein nach den tatsächlichen Verhältnissen auf die Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten in dem Spezialgebiet ausgerichtetes Ausbildungsverhältnis vorausgesetzt, das von vornherein auf die hierfür erforderliche – in der Regel zweijährige – Dauer ausgelegt war (Peters, aaO S 17/83; Gura WzS 1952, 349; VerbandsKomm § 1227 RVO RdNr 19; MittLVA Ober- und Mittelfranken 1965, S 67, 68).
Das LSG hat sich – von seinem Rechtsstandpunkt zutreffend – mit dem Vorliegen eines Anlernverhältnisses nicht befaßt. Indes läßt sich der Anspruch des Klägers auf Anerkennung (fiktiver) Pflichtbeitragszeiten für die streitige Zeit auch nicht begründen, wenn entsprechend der damaligen Praxis Anlernlinge dem Lehrling iSd § 247 Abs 2a SGB VI gleichgestellt werden (vgl BSG Urteil vom 23. September 1999 – B 12 RJ 1/99). Gegen die Annahme eines Anlernverhältnisses spricht schon, daß der Kläger – wie vom LSG ebenfalls bindend festgestellt – über die Dauer von vier Jahren umfassend in allen auf dem elterlichen landwirtschaftlichen Hof anfallenden Arbeiten unterwiesen wurde und dabei insgesamt 10 Monate die Landwirtschaftsschule besuchte. Es wurden mithin nicht – wie dies bei einem Anlernverhältnis geschieht – Kenntnisse und Fähigkeiten in einem landwirtschaftlichen Spezialgebiet für den Beruf eines angelernten Arbeiters vermittelt (vgl im einzelnen BSG Urteil vom 23. September 1999 – B 12 RJ 1/99 R mwN).
3. Die streitige Zeit kann dem Kläger auch nicht als Zeit der Beschäftigung zur sonstigen Berufsausbildung angerechnet werden. Nach § 247 Abs 2a SGB VI können derartige Pflichtbeitragszeiten erst für Ausbildungszeiten ab 1957 fingiert werden. Denn auch insoweit muß grundsätzlich Versicherungspflicht bestanden haben. Erst durch § 1227 Abs 1 Nr 1 RVO idF des Art 1 ArVNG vom 23. Februar 1957 (BGBl I, 45; vgl auch § 2 Abs 1 Nr 1 AVG idF des Art 1 AnVNG) sind die „sonst zu ihrer Berufsausbildung” Beschäftigten zum 1. März 1957 in die Rentenversicherungspflicht einbezogen worden und dort neben den Lehrlingen aufgeführt. Die streitige Zeit war jedoch bereits vor diesem Zeitpunkt beendet.
Dafür, daß § 247 Abs 2a SGB VI auch die Versicherungslücken von sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Personen vor Eintritt ihrer Versicherungspflicht, also für Zeiten vor dem 1. März 1957 ausgleichen soll, ergibt sich kein Anhaltspunkt. Im Gegenteil bestätigt die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/5070 S 47 zu Nr 6a), daß für diesen Personenkreis erst ab März 1957 von einer grundsätzlichen Versicherungspflicht im Sinne dieser Vorschrift ausgegangen werden kann, wenn es dort heißt: „Grundsätzlich bestand seit Inkrafttreten der Vereinfachungsverordnung vom 17. März 1945 und im übrigen seit der Rentenreform 1957 für Personen, die als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren, Versicherungspflicht.” Unter Hinweis auf diese Gesetzesbegründung und die Entstehungsgeschichte der Bestimmung hat deshalb bereits der 12. Senat des BSG (Urteil vom 23. September 1999 – B 12 RJ 1/99 R – Umdruck S 7) die Vorschrift des § 247 Abs 2a SGB VI einschränkend ausgelegt. Diese Auslegung entspricht auch der hM in der Literatur (vgl Zweng/Scherer/Buschmann/Doerr, Handbuch der RV, § 247 RdNr 71, Stand: Januar 1994; Klattenhoff in Hauck-Haines, SGB-Komm, § 247 SGB VI RdNr 18, Stand: Juni 1994; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Stand: Januar 1997, § 247 Anm 4; Niesel in Kasseler Komm, § 247 SGB VI RdNr 17, Stand: Februar 1997; Jörg in Kreikebohm, SGB VI-Komm, 1997, § 247 RdNr 9; Boecken in Wannagat, SGB-Komm, § 247 SGB VI RdNr 9, Stand: August 1997).
Das vom LSG angeführte Urteil des BSG vom 8. Juli 1970 (11 RA 164/67 – BSGE 31, 226 = SozR Nr 30 zu § 1259 RVO) gibt für eine andere Auffassung nichts her. Das Urteil verneint vielmehr die Frage, ob eine Referendarzeit (endend am 28. Februar 1957) eine Lehrzeit iS des § 36 Abs 1 Nr 4 Buchst a AVG (§ 1259 Abs 1 Nr 4 Buchst a RVO) sein kann, mit der Begründung, Referendare hätten nicht die Stellung von Lehrlingen. Gegen eine auch Referendarzeiten einschließende erweiternde Auslegung der Vorschrift spreche ein Vergleich mit anderen gesetzlichen Vorschriften im Rentenversicherungsrecht, und auch die Gesetzesgeschichte zeige, daß mit der Erstreckung der Ausfallzeiten nicht alle sonstigen Ausbildungsverhältnisse umfaßt werden sollten. In diesem Zusammenhang wird daraufhin gewiesen, daß § 2 Abs 1 Nr 1 AVG (§ 1227 Abs 1 Nr 1 RVO) „Personen, die als Lehrling oder sonst zu ihrer Ausbildung als Angestellte beschäftigt sind” unterscheide, während die §§ 39, 44 AVG (§§ 1262, 1267 RVO) Kinderzuschuß und Waisenrente nach Vollendung des 18. Lebensjahres schlechthin bei „Berufsausbildung” gewährten; das Gesetz stelle demnach den Lehrzeiten sonstige Zeiten der Berufsausbildung gegenüber, wobei die Berufsausbildung der weitergehende, die Lehrzeit der engere Begriff sei. Mit der Versicherungspflicht von zur Berufsausbildung beschäftigten Personen nach dem Recht der RVO 1945 befaßt sich das Urteil hingegen nicht.
Die Vorschrift des § 247 Abs 2a SGB VI, speziell hier die Begrenzung des zeitlichen Anwendungsbereichs bei „sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Personen” auf die Zeiten nach dem 28. Februar 1957, ist nach Auffassung des Senats auch verfassungsgemäß.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
SozSi 2001, 142 |
SozSi 2002, 72 |