Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittelversorgung. Festbetragsfestsetzung. zweistufiges Verfahren. Klage gegen Festsetzung durch GKV-Spitzenverband. keine notwendige Beiladung des Gemeinsamen Bundesausschusses, wenn Rechtmäßigkeit der ersten Stufe (Gruppenbildung und Ermittlung der Vergleichsgrößen) unzweifelhaft. Klagebefugnis pharmazeutischer Unternehmen im Hinblick auf das ihnen gesetzlich eingeräumte Recht zur Stellungnahme sowie auf gleiche Teilhabe am fairen Wettbewerb. Herabsetzung eines Festbetrages auf der zweiten Stufe. Wettbewerbsverzerrung
Leitsatz (amtlich)
1. Zu einem Klageverfahren, das sich gegen die Festsetzung eines Festbetrags durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen richtet, ist der Gemeinsame Bundesausschuss nicht notwendig beizuladen, wenn an der Rechtmäßigkeit der von diesem durchzuführenden ersten Stufe des Festbetragsfestsetzungsverfahrens (Gruppenbildung und Ermittlung der Vergleichsgrößen) keine Zweifel bestehen.
2. Pharmazeutischen Unternehmen steht die Klagebefugnis gegen eine Festbetragsfestsetzung grundsätzlich im Hinblick auf das ihnen gesetzlich eingeräumte Recht zur Stellungnahme sowie ihr Recht auf gleiche Teilhabe an einem fairen Wettbewerb zu (Fortführung von BSG vom 1.3.2011 - B 1 KR 7/10 R = BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5 und BSG vom 24.11.2004 - B 3 KR 23/04 R = BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3).
3. Eine mit der Herabsetzung des Festbetrags auf der zweiten Stufe des Verfahrens verbundene Wettbewerbsverzerrung kommt nur in Betracht, wenn der neue Festbetrag nicht mit den Marktrealitäten in Übereinstimmung zu bringen, eine wirtschaftliche Preisgestaltung nicht möglich ist und sich die Anbieter deshalb so weit vom Markt zurückziehen, dass dadurch eine Einschränkung des Preiswettbewerbs zu befürchten ist.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, S. 2, § 75 Abs. 2 Alt. 1; SGB 5 § 35 Abs. 1 Sätze 1-3, 5, Abs. 2, 3 S. 3, Abs. 4, 5 Sätze 1-7, Abs. 6 S. 2, Abs. 7 Sätze 1, 3-4, § 31 Abs. 3 S. 4, §§ 12, 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6; AMRL; SGB 10 § 31 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. April 2016 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 1 400 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung eines Festbetrages für Arzneimittel durch den beklagten Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) ab 1.12.2012.
Die Klägerin betreibt ein pharmazeutisches Unternehmen und bringt die zu der Festbetragsgruppe "Antianämika, andere, Gruppe 1" gehörenden Arzneimittel "Epoetin alfa Hexal®" und "Binocrit®" mit dem Wirkstoff Epoetin alfa auf den Markt. Der Beklagte beabsichtigte auf der Datengrundlage des Preis- und Produktstandes vom 1.1.2012 sowie der Verordnungsdaten nach § 84 Abs 5 SGB V des Jahres 2010, die Festbeträge ua dieser Festbetragsgruppe zum 1.7.2012 abzusenken und führte im Februar/März 2012 ein entsprechendes Stellungnahmeverfahren durch (§ 35 Abs 3 S 3 SGB V).
Als für ein anderes Arzneimittel dieser Festbetragsgruppe (das von der Firma R.
in Verkehr gebrachte Mircera® mit dem Wirkstoff PEG-Erythropoetin) ein Lieferausfall in allen Stärken eintrat, stellte der Beklagte die Herabsetzung des Festbetrages zunächst zurück, weil die Berechnungen zur beabsichtigten Absenkung maßgeblich auf dessen Verfügbarkeit basierten (Beschluss vom 9.5.2012). Nachdem die Lieferfähigkeit dieses Arzneimittels wiederhergestellt war, beschloss der Beklagte - wie vorgesehen - den Festbetrag auf der Basis der bereits geprüften Daten und des hierzu durchgeführten Stellungnahmeverfahrens mit Wirkung zum 1.12.2012 abzusenken (Beschluss vom 8.10.2012, BAnz AT 17.10.2012 B2).
Dagegen hat die Klägerin Klage beim LSG Berlin-Brandenburg erhoben: Die Festbetragsfestsetzung sei offensichtlich rechtswidrig und verursache bei ihr einen wirtschaftlichen Verlust in Höhe von jährlich 1 407 098 Euro. Der Beklagte habe dem Festbetrag den veralteten Preis- und Produktstand vom 1.1.2012 sowie die Verordnungsdaten aus 2010 zugrunde gelegt, obwohl inzwischen aktuellere Daten zur Verfügung gestanden hätten. Aufgrund der Lieferschwierigkeiten für Mircera® habe sich der ursprüngliche Sachverhalt erheblich geändert, sodass ein erneutes Stellungnahmeverfahren erforderlich gewesen sei. Zudem habe der Beklagte die gesetzlichen Vorgaben zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und der hinreichenden Versorgung mit zuzahlungsfreien Arzneimitteln nicht eingehalten.
Das LSG hat die Klage abgewiesen: Die Klägerin sei klagebefugt, obwohl der Zweck des § 35 SGB V nicht auf den Schutz der Interessen der pharmazeutischen Industrie gerichtet sei; denn eine Verletzung eigener Rechte (iS von Art 12 iVm Art 3 GG) sei nicht ausgeschlossen. Die Klage sei aber unbegründet. Der Beklagte habe den Festbetrag auf der Grundlage der Daten des Berechnungsstichtags rechtmäßig festgesetzt und hierzu ein Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Die eingetretene Verzögerung mache die Festbetragsanpassung nicht rechtswidrig, denn der Gesetzgeber billige den erhobenen Daten grundsätzlich für einen Zeitraum von einem Jahr hinreichende Aussagekraft zu. Die Auffassung des Beklagten, der Aussagewert der Daten sei durch die vorübergehenden Lieferschwierigkeiten eines Medikaments nicht beeinträchtigt, halte sich im Rahmen seines Beurteilungsspielraums. Die Versorgung mit von der Zuzahlung freigestellten Arzneimitteln sei hinreichend gewährleistet geblieben. Unerheblich sei, dass es sich dabei auch um Parallelimporte gehandelt habe (Urteil vom 8.4.2016).
Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß des LSG gegen die Vorgaben aus § 35 Abs 3, 5 und 6 SGB V. Die Berechnungen des Festbetrages basierten maßgeblich auf der Verfügbarkeit des Arzneimittels, für das zwischenzeitlich Lieferschwierigkeiten bestanden hätten. Trotz Wiederherstellung der Lieferfähigkeit sei die vorherige Datenbasis überholt. Denn ein Arzneimittelwechsel werde wegen der Besonderheiten des Wirkstoffs in der Regel nicht ohne Grund vorgenommen. Deshalb sei auch nach Wiederherstellung der Lieferfähigkeit nicht damit zu rechnen gewesen, dass dieses Arzneimittel sofort wieder den alten Verordnungsstand erreiche. Den Beteiligten habe Gelegenheit zur Stellungnahme zu der vom Beklagten anzustellenden Prognose über die weiterhin bestehende Aussagekraft der vorhandenen Daten gewährt werden müssen. Bei der Feststellung der Versorgungssicherheit komme dem Beklagten kein Beurteilungsspielraum zu. Das BVerfG habe die Regelungen über die Festsetzung von Festbeträgen gerade nur mit Blick auf die klar überprüfbaren Festsetzungsmaßstäbe unbeanstandet gelassen. Nach der Anpassung des Festbetrags sei auch keine hinreichende Versorgung mit Arzneimitteln gewährleistet, die von der Zuzahlung freigestellt seien, da nur 2,9 % der Verordnungen Arzneimittel beträfen, die dann noch eine solche Freistellung erhielten. Durch Parallelimporte könne die Versorgung nicht hinreichend gewährleistet werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. April 2016 sowie den Beschluss des Beklagten zur Festbetragsanpassung für die Festbetragsgruppe "Antianämika, andere, Gruppe 1" vom 8. Oktober 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Begründung im angegriffenen Urteil und führt ergänzend aus, nach der Rechtsprechung des BVerfG sei § 35 Abs 5 und 6 SGB V nicht drittschützend. Eines erneuten Stellungnahmeverfahrens habe es nicht bedurft. Denn der lediglich etwas später als zunächst vorgesehen erlassene Beschluss zur Festbetragsfestsetzung basiere auf einer unveränderten Tatsachengrundlage. Bei der prognostischen Entscheidung zum zukünftigen Verordnungsverhalten der Ärzte und zu möglichen Auswirkungen auf den Arzneimittelmarkt habe ihm (dem Beklagten) ein Beurteilungsspielraum zugestanden; seine Prognose sei weder willkürlich noch sachfremd. Nach Wiederherstellung der Lieferfähigkeit von Mircera® sei ein rascher Verordnungsanstieg zu erwarten gewesen, weil die Versorgung aufgrund vorhandener Bestände nie vollständig zum Erliegen gekommen sei und nur der in Mircera® enthaltene Wirkstoff PEG-Erythropoetin zuzahlungsfrei verfügbar gewesen sei. Auch die Erwartung, dass bei Verordnungsumstellungen vermehrt auf andere zum Festbetrag verfügbare Arzneimittel zurückgegriffen werde, sei nicht sachfremd. Die tatsächliche Entwicklung, nach der bereits zum 1.12.2012 48,8 % der Packungen und ca 90 % der Verordnungen zum Festbetrag verfügbar gewesen seien, habe dies bestätigt. Die Ausführungen der Klägerin zur Vermeidung eines Präparatewechsels aus medizinischen Gründen seien nicht plausibel, weil Arzneimittel mit dem Wirkstoff PEG-Erythropoetin bzw Epoetin grundsätzlich noch in der Apotheke austauschbar seien. Auch die Versorgung mit von der Zuzahlung freigestellten Arzneimitteln sei hinreichend gewährleistet gewesen. Von zuvor 60 zuzahlungsfrei erhältlichen Packungen seien zum Berechnungsstichtag auch nach der Festbetragsanpassung noch 20 Packungen, dh 33,3 %, zuzahlungsfrei erhältlich gewesen, deren Verordnungsanteil 2,9 % betragen habe.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung des Festbetrags-Beschlusses des Beklagten zur Festbetragsgruppe "Antianämika, andere, Gruppe 1" vom 8.10.2012 hat. Denn die Klägerin wird durch diese Festbetragsfestsetzung des Beklagten nicht in eigenen Rechten verletzt.
1. Einer notwendigen Beiladung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) gemäß § 75 Abs 2 Fall 1 SGG bedurfte es nicht, denn es gibt schon keine Anhaltspunkte dafür, dass die Festbetragsfestsetzung in Bezug auf die vom GBA durchzuführende erste Stufe des Verfahrens aufzuheben sein könnte.
Die Festbetragsfestsetzung folgt der Normstruktur von § 35 SGB V (hier und im Folgenden - soweit nicht anders gekennzeichnet - idF des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG≫ vom 22.11.2011, gültig bis 31.12.2016, BGBl I S 2983) entsprechend einem zweistufigen Verfahren. Während der GBA in den Arzneimittel-Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V bestimmt, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden und welche Vergleichsgrößen dabei zugrunde zu legen sind (vgl § 35 Abs 1 und 2 SGB V - "erste Stufe"), setzt der beklagte GKV-Spitzenverband die Festbeträge auf dieser Grundlage in einer zweiten Stufe des Verfahrens im Wege einer Allgemeinverfügung fest (vgl § 35 Abs 3 bis 6 und Abs 7 S 1 SGB V).
Zwar sind gesonderte Klagen gegen einzelne Bestandteile der Festsetzung der Festbeträge nach § 35 Abs 7 S 4 SGB V unzulässig. Die Klägerin hat daher zu Recht die Festbetragsfestsetzung insgesamt gerichtlich angegriffen. Sie erhebt jedoch keine Einwände gegen die auf der ersten Stufe liegende Festbetrags-Gruppenbildung durch den GBA nach § 35 Abs 1 S 1 bis 3 SGB V oder gegen die Ermittlung der rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen bzw der anderen geeigneten Vergleichsgrößen nach § 35 Abs 1 S 5 SGB V, sondern wendet sich lediglich gegen die Festsetzung des Festbetrags durch den beklagten GKV-Spitzenverband nach § 35 Abs 3, Abs 5 und Abs 6 SGB V.
2. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen der Klage sind gegeben.
a) Die auf die Aufhebung von Festbetragsfestsetzungen gerichtete Klage ist eine ohne Vorverfahren statthafte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 35 Abs 7 S 3 SGB V). Nach § 29 Abs 4 Nr 3 SGG entscheidet hierüber im ersten Rechtszug das LSG Berlin-Brandenburg. Festbetragsfestsetzungen sind grundsätzlich Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung nach § 31 S 2 SGB X (vgl BVerfGE 106, 275, 298 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 17; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 8; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 11). Zulässiger Streitgegenstand der Klage ist der Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzung bzw -anpassung vom 8.10.2012 (BAnz AT 17.10.2012 B2, mWv 1.12.2012).Die Klage ist fristgemäß innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der Allgemeinverfügung erhoben worden (vgl § 87 Abs 1 S 1 SGG).
b) Die Klägerin ist auch klagebefugt. Dies setzt nach § 54 Abs 1 S 2 SGG voraus, dass sie behauptet, durch den angefochtenen Verwaltungsakt beschwert zu sein. Das ist vorliegend der Fall, obwohl die Klägerin nicht Adressatin der Festbetragsfestsetzung war (vgl dazu BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 13; BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18). Festbeträge begrenzen nämlich den Sachleistungsanspruch der Versicherten und sind daher in erster Linie an diese sowie daneben an Vertragsärzte adressiert, deren Therapiefreiheit eingeengt wird und die durch entsprechende Verordnungs- und Hinweispflichten belastet werden. Pharmazeutische Unternehmer sind demgegenüber nicht Adressaten einer Festbetragsfestsetzung, denn Festbeträge legen die Preise für Arzneimittel nicht fest. Die Auswirkungen von Festbeträgen auf die Berufsausübung pharmazeutischer Unternehmer sind ein bloßer Reflex, ohne berufsregelnde Tendenz (stRspr, vgl BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 16; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13). Mit den Festbeträgen sollen wettbewerbliche Elemente in einen Markt eingeführt werden, auf dem diese Elemente fehlen, weil die krankenversicherten Patienten zwar als Nachfrager von Arzneimitteln auftreten, aber mit den unmittelbaren Kosten dafür nicht belastet werden. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung bereits auf seine Zweifel hingewiesen, ob Arzneimittelherstellern bei nicht patentgeschützten Arzneimitteln eine Klagebefugnis gegen eine gesetzeswidrige Festbetragsfestsetzung zusteht, wenn nur ihre wirtschaftlichen Interessen betroffen sind (vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15). Hätte der Gesetzgeber den Arzneimittelherstellern insoweit eine umfassende Klagebefugnis einräumen wollen, wäre vor dem Hintergrund der diesbezüglich umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BSG ≪3. Senat≫ E 93, 296 RdNr 8 = SozR 4-2500 § 35 Nr 2 RdNr 9; BSG ≪1. Senat≫ E 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 14; BSG ≪1. Senat≫ E 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13) eine gesetzliche Klarstellung zu erwarten gewesen.
aa) Allerdings hat der Senat die Vorschrift zur Festbetragsfestsetzung in § 35 SGB V zur Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) verfassungskonform dahin ausgelegt, dass Arzneimittelhersteller jedenfalls dann zur Anrufung der Gerichte befugt sind, wenn geltend gemacht wird, dass die Festbetragsgruppenbildung oder Festbetragsfestsetzung sie in ihren spezifischen Grundrechten verletze (vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15). Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG schützen Unternehmer im Rahmen ihres Rechts auf Teilhabe am Wettbewerb zwar nicht vor der Veränderung von Wettbewerbsbedingungen (BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18) oder vor der Zulassung von Konkurrenten, wohl aber vor sachlich nicht gerechtfertigter staatlicher Begünstigung von Konkurrenten (vgl BVerfGE 82, 209, 223). Im Hinblick auf ein Recht auf fairen Wettbewerb können staatliche Maßnahmen, die auf eine Veränderung des Verhaltens von Unternehmern im Wettbewerb zielen oder den Wettbewerb der Unternehmer untereinander verfälschen, im Einzelfall die Berufsfreiheit beeinträchtigen (BVerfGE 86, 28, 37; BSGE 87, 95, 97 = SozR 3-2500 § 35 Nr 1 S 3; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 18 ≪jeweils 3. Senat≫; vgl auch BSG ≪1. Senat≫ E 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 17).
bb) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber den pharmazeutischen Unternehmern auf einfachgesetzlicher Ebene ein Beteiligungsrecht im Sinne eines Rechts zur Stellungnahme eingeräumt, die in die Entscheidung einzubeziehen ist (§ 35 Abs 2 SGB V sowie § 35 Abs 3 S 3 iVm Abs 2 SGB V). Im Übrigen aber ist der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit von § 35 SGB V vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2), die zur Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel ergangen ist, kein Hinweis auf einen drittschützenden Gehalt dieser Norm zugunsten von Arzneimittelherstellern zu entnehmen (vgl auch BSG ≪1. Senat≫ E 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 14).
cc) Unter Berücksichtigung des sinngemäßen Vortrags der Klägerin, dass der neue Festbetrag des betroffenen Arzneimittels der Festbetragsgruppe "Antianämika, andere, Gruppe 1" nicht mehr den Marktrealitäten entspreche, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass sie als pharmazeutische Unternehmerin durch die beanstandete Festbetragsfestsetzung in ihrem Recht auf fairen Wettbewerb ohne willkürliche Wettbewerbsverfälschung oder in ihren Anhörungsrechten verletzt sein könnte (vgl hierzu insbes BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 13 ff; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13, 55; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 18 ff, jeweils mwN).
3. Die Anfechtungsklage ist indessen unbegründet. Die Klägerin kann die Aufhebung des zum 1.12.2012 abgesenkten Festbetrags der Festbetragsgruppe "Antianämika, andere, Gruppe 1" nicht verlangen.
Eine auf die Veränderung des Verhaltens von Unternehmen im Wettbewerb zielende oder den Wettbewerb der Unternehmen untereinander verfälschende, das Grundrecht der Klägerin auf Wettbewerbsgleichheit (Art 12 iVm Art 3 Abs 1 GG) verletzende, willkürliche Maßnahme liegt nicht vor (zum Prüfmaßstab allgemein vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 11,17 f; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 19). Durch eine allein auf der zweiten Stufe des Festbetragsverfahrens vorgenommene Herabsetzung des Festbetrages durch den GKV-Spitzenverband kann das Grundrecht pharmazeutischer Unternehmer auf Wettbewerbsgleichheit (Art 12 iVm Art 3 Abs 1 GG) allenfalls dann verletzt sein, wenn der neue Festbetrag so offensichtlich an den Marktrealitäten vorbei festgesetzt wurde, dass deshalb eine daran orientierte realistische Preisgestaltung für die Unternehmen nicht möglich ist (hierzu a). Dies ist im zu entscheidenden Rechtsstreit nicht der Fall; die Klägerin wird durch die Festsetzung des Festbetrags weder in ihrem Recht auf fairen Wettbewerb (hierzu b), noch in ihrem Anhörungsrecht verletzt (hierzu c).
a) Die im Wettbewerb untereinander stehenden pharmazeutischen Unternehmer können durch die vom GBA auf der ersten Stufe des Festbetragsverfahrens vorzunehmende Gruppenbildung, die Zuordnung oder Nichtzuordnung ihrer Medikamente zu einer bestimmten Gruppe oder die Ermittlung der Tages- oder Einzeldosen oder anderer geeigneter Vergleichsgrößen in unterschiedlichem Maße betroffen sein, weshalb damit für einzelne Unternehmer im Vergleich zu anderen erhebliche Vorteile oder Nachteile im Wettbewerb verbunden sein können (vgl hierzu zB BSGE 93, 296 RdNr 12 ff = SozR 4-2500 § 35 Nr 2 RdNr 13 ff; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 17 f; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13 mwN). Eine Rechtsverletzung durch diese Maßnahmen des GBA auf der ersten Stufe des Festbetragsverfahrens ist im Revisionsverfahren nicht gerügt und auch nicht ersichtlich.
Die Festlegung der Höhe eines Festbetrages durch den GKV-Spitzenverband betrifft demgegenüber alle pharmazeutischen Unternehmer in gleicher Weise. Eine gerechtfertigte Gleichbehandlung betroffener Unternehmer ist insoweit gewährleistet, wenn die Gruppenbildung sowie die Ermittlung geeigneter Vergleichsgrößen beanstandungsfrei erfolgt sind und das Arzneimittel einer Gruppe sachgerecht zugeordnet wurde. Die Festlegung der Höhe eines Festbetrages durch den GKV-Spitzenverband als zweite Stufe kann daher den Wettbewerb der Unternehmer untereinander nur wie nachfolgend dargestellt verfälschen.
Eine solche Wettbewerbsverfälschung hängt nicht allein davon ab, ob der Beklagte bei der Festsetzung des Festbetrages die Voraussetzungen des § 35 Abs 5 und 6 SGB V eingehalten hat. Denn das gesetzgeberische Ziel, mit dem Festbetrag eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung (§ 35 Abs 5 S 1 SGB V) und darüber hinaus eine hinreichende Versorgung mit von der Zuzahlung freigestellter Arzneimittel zu gewährleisten (§ 35 Abs 6 SGB V), betrifft - wie bereits zu den Sachurteilsvoraussetzungen unter II. dargelegt - nur die subjektiven Rechte der Versicherten und der Vertragsärzte, entfaltet aber keinen Drittschutz gegenüber pharmazeutischen Unternehmern (vgl erneut BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18).
Eine sachlich nicht gerechtfertigte Wettbewerbsverzerrung zulasten einzelner Unternehmer kann sich aber aus dem Gesichtspunkt ergeben, dass Festbeträge - auch im Interesse der pharmazeutischen Unternehmer - an der Marktlage zu orientieren sind (vgl § 35 Abs 5 S 3 SGB V). Das gesetzgeberische Ziel der Ausgabenbegrenzung soll mit dem System der Festbeträge auf dem Weg der Stärkung der preisorientierten Nachfrage erreicht werden, dh durch eine Stärkung des Preiswettbewerbs (vgl Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen ≪Gesundheits-Reformgesetz - GRG≫, BT-Drucks 11/2237, S 148 unter V. 1. a≫ aa≫). Festbeträge bilden ein preisregulierendes Anreizsystem, mit dem Wettbewerbselemente in den Markt der GKV eingeführt werden, die dort wegen des Auseinanderfallens von Nachfrager und Kostenträger fehlen. Nach § 35 Abs 5 S 2 SGB V haben Festbeträge Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sie sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen. Der Wortlaut macht deutlich, dass die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven, das Auslösen eines wirksamen Preiswettbewerbs und die Ausrichtung an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten im Vordergrund stehen. Für die im Interesse der Versicherten und der Vertragsärzte sicherzustellende hinreichende Arzneimittelauswahl ist lediglich "soweit wie möglich" zu sorgen (dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 86, 89; vgl auch BVerfGE 106, 275, 304 f, 309 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 22, 26). Das Ziel des Gesetzgebers, mit den Festbeträgen eine auch im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) und die Ausgabenbegrenzung der GKV möglichst preiswerte Versorgung mit Arzneimitteln zu gewährleisten, findet auch in § 35 Abs 5 S 4 SGB V Ausdruck, wonach der Festbetrag einer Festbetragsgruppe den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen soll. Bei dieser Berechnung sind hochpreisige Packungen mit einem Anteil von weniger als einem Prozent an den verordneten Packungen in der Festbetragsgruppe nicht zu berücksichtigen (§ 35 Abs 5 S 6 SGB V).
Trotz der Deutlichkeit, mit der das Ziel der Ausgabenbegrenzung in § 35 Abs 5 SGB V zum Ausdruck gebracht wird, sind Festbeträge an den Marktrealitäten zu orientieren. In diesem Sinne bestimmt § 35 Abs 5 S 3 SGB V, dass sie "an eine veränderte Marktlage anzupassen" sind. Dies betrifft die Interessen pharmazeutischer Unternehmer. Das Ziel der Stärkung des Wettbewerbs würde nämlich geradezu in sein Gegenteil verkehrt, wenn eine realistische Preisgestaltung in Orientierung am Festbetrag für die Unternehmer nicht möglich wäre. Eine Stärkung des Wettbewerbs kann nur gelingen, wenn die Herstellung von Medikamenten zum Festbetrag für die pharmazeutischen Unternehmer wirtschaftlich ist und nicht zu unerwünschten Marktabgängen und weitgehendem Rückzug von Anbietern führt. Festbeträge unterhalb dieser Grenze können auf Dauer den Preiswettbewerb durch unerwünschte Oligopolisierung einschränken (vgl dazu Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der GKV ≪Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG≫, BT-Drucks 17/2413 S 16 unter II. 2.). Dies kann sachwidrige und willkürliche Wettbewerbsverzerrungen bewirken. Deshalb ist auch in anderen Bereichen des Leistungserbringerrechts anerkannt, dass Preise zwar einerseits dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen müssen, andererseits aber nicht zu einer Existenzgefährdung der Leistungserbringer führen dürfen (vgl zB BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 63 f ≪Haushaltshilfe≫ unter Hinweis auf BVerfGE 101, 331, 350 f; vgl auch: BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 54 f und Parallelurteil B 3 KR 25/15 R vom 23.6.2016 - Juris ≪häusliche Krankenpflege≫; BSGE 110, 222 = SozR 4-2500 § 116b Nr 3, RdNr 69, 73 ff ≪Krankenhausbehandlung≫; zur vertragsärztlichen Versorgung: BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 140 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 4 RdNr 44, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Denn sowohl eine qualitätsgerechte als auch eine aufgrund von Preiswettbewerb wirtschaftliche Versorgung bleiben dauerhaft nur bei einer hinreichenden Anzahl von Anbietern gesichert. Eine mit der Herabsetzung des Festbetrags verbundene Wettbewerbsverzerrung kann deshalb in Betracht kommen, wenn der neue Festbetrag nicht mit den Marktrealitäten in Übereinstimmung zu bringen ist, eine wirtschaftliche Preisgestaltung nicht möglich ist und sich Anbieter deshalb so weit vom Markt zurückziehen, dass dadurch eine Einschränkung des Preiswettbewerbs zu befürchten ist.
b) Die Klägerin wird hier durch die Herabsetzung des Festbetrags nicht in ihrem Recht auf fairen Wettbewerb verletzt, weil sich der beklagte GKV-Spitzenverband in rechtlich nicht zu beanstandender Weise hinreichend an der tatsächlichen Marktlage orientiert hat.
Der Beklagte hat den Festbetrag unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben nach § 35 SGB V festgesetzt, der eine hinreichende Orientierung an der tatsächlichen Marktlage gewährleistet (vgl insoweit allgemein BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 51 ff). Deshalb kann vorliegend offenbleiben, wo die exakte Grenze der Festbetragsfestsetzung verläuft, unterhalb derer der Preiswettbewerb nicht gefördert, sondern eingeschränkt wird. Der Beklagte hat - bezogen auf den Berechnungsstichtag 1.1.2012 - die Vorgaben des § 35 Abs 5 S 5 SGB V (hierzu aa) sowie die des § 35 Abs 6 S 2 SGB V (hierzu bb) eingehalten. Er durfte den Festbetrag noch zum 1.12.2012 auf die zum Berechnungsstichtag vorliegenden Daten stützen (hierzu cc), denn diese waren nicht etwa wegen einer veränderten Marktlage überholt (hierzu dd). Unerheblich ist deshalb, dass nach einer in den Beratungsunterlagen erwähnten Testrechnung mit aktuellen Daten der Festbetrag ohnehin noch niedriger ausgefallen wäre - wozu jedoch keine weiteren Feststellungen vorliegen und insbesondere Zweifel an der Vollständigkeit der Datenbasis bestehen.
aa) Das LSG hat - von der Revisionsführerin unangegriffen und daher für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, dass der Beklagte die erforderlichen Daten für den Bewertungsstichtag 1.1.2012 rechtmäßig ermittelte, dass zu diesem Stichtag mindestens ein Fünftel (20 %) aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar waren, und dass zugleich die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich waren, den Wert von 160 nicht überschritten (§ 35 Abs 5 S 5 SGB V). Konkret waren zum Berechnungsstichtag 21,45 % der Packungen und 21,91 % der Verordnungen zum Festbetrag verfügbar und die Maßzahl M (= Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind) betrug 156,65.
bb) Das LSG hat weiter - von der Klägerin im Revisionsverfahren unbeanstandet - festgestellt, dass zur Zeit der Anpassung des Festbetrages ein gültiger Beschluss nach § 31 Abs 3 S 4 SGB V vorlag, aufgrund dessen bestimmte in die Festbetragsgruppe fallende Arzneimittel von der Zuzahlung freigestellt waren. Deshalb durfte nach § 35 Abs 6 S 2 SGB V die Summe nach § 35 Abs 5 S 5 SGB V den Wert von 100 nicht überschreiten, wenn zu erwarten war, dass anderenfalls keine hinreichende Anzahl zuvor auf Grund von § 31 Abs 3 S 4 SGB V von der Zuzahlung freigestellter Arzneimittel weiterhin freigestellt würde. Das war hier nicht der Fall.
§ 31 Abs 3 S 4 SGB V soll nicht nur dem Interesse der Versicherten und der Vertragsärzte an einer hinreichenden Auswahl unter zuzahlungsfrei erhältlichen Arzneimitteln gerecht werden, sondern sie dient daneben auch der Vermeidung des sog Kellertreppeneffekts (vgl Gesetzentwurf zum AMNOG, aaO, BT-Drucks 17/2413 S 16 unter II. 2.; Hess in KassKom, Stand März 2018, § 35 SGB V RdNr 31). Denn die an der Marktlage orientierte Festbetragsfestsetzung führt in Verbindung mit der Anreizwirkung, den Preis für ein Arzneimittel zu senken, um in den Genuss des Wettbewerbsvorteils seiner Zuzahlungsfreiheit zu gelangen, zu einer Preisspirale nach unten, an deren Ende von der Zuzahlung freigestellte Arzneimittel - ohne die Regelung des § 35 Abs 6 SGB V - kaum noch zu finden wären. Nach § 31 Abs 3 S 4 SGB V werden Arzneimittel nur dann von der Zuzahlung freigestellt, wenn der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 % niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist. Bei Eintritt eines solchen Kellertreppeneffekts kann es zu einer sachwidrigen Wettbewerbsverzerrung in dem dargestellten Sinne kommen.
Zwar überschreitet in der Festbetragsgruppe "Antianämika, andere, Gruppe 1" die Maßzahl M, die hier 156,65 beträgt, den nach § 35 Abs 6 S 2 iVm Abs 5 S 5 SGB V maßgebenden Grenzwert von 100 deutlich; nach dem Wortlaut des Abs 6 S 2 ist das Überschreiten des Wertes von 100 aber nur dann nicht erlaubt, wenn zu erwarten ist, dass anderenfalls keine hinreichende Anzahl zuvor von der Zuzahlung freigestellter Arzneimittel weiterhin freigestellt ist. Der GKV-Spitzenverband hat demnach eine Prognoseentscheidung bezüglich der Auswirkungen der Festbetragsanpassung auf die Anzahl der von der Zuzahlung freigestellten Arzneimittel zu treffen. Das hat der Beklagte getan und sich dazu darauf gestützt, dass nach den zum Stichtag vorliegenden Daten vor der Festbetragsanpassung 60 Arzneimittelpackungen zuzahlungsfrei verfügbar waren und 20 Packungen auch nach der Anpassung zuzahlungsfrei zu stellen seien. Die darauf gestützte Prognose, dass mit dieser Anzahl auch nach der Festbetragsanpassung weiterhin eine hinreichende Versorgung mit Arzneimitteln ohne Zuzahlung gewährleistet werden kann, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach dem Wortlaut von § 35 Abs 6 S 2 SGB V kommt es hierbei nämlich lediglich auf die 'Anzahl der Arzneimittel' an, die nach der Anpassung weiterhin von der Zuzahlung freigestellt werden. Der Verordnungsanteil dieser Arzneimittel, der zum Berechnungsstichtag bei lediglich 2,9 % lag, ist nach dem klaren Wortlaut unerheblich. Zudem beruht die Prognose des in Bezug auf die Effekte am Arzneimittelmarkt für Versicherte der GKV sachkundigen Beklagten, dass Ärzte in Anpassung an die geänderten Zuzahlungsbedingungen auch zukünftig zuzahlungsfreigestellte Arzneimittel verordnen würden und deshalb mit einem Anstieg solcher Verordnungen zu rechnen sein werde, auf sachlichen Erwägungen und erscheint nachvollziehbar.
Hinweise darauf, dass der herabgesetzte Festbetrag einen unerwünschten, den Wettbewerb schädigenden Kellertreppeneffekt auslösen könnte, lagen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bei 20 weiterhin von der Zuzahlung freigestellten Arzneimitteln nicht vor. Dass es sich bei der Vielzahl der Anbieter der zuzahlungsfreigestellten Arzneimittel neben dem Originalhersteller ausschließlich um Parallelimporte handelte, steht dem nicht entgegen. Vielmehr deutet auch die Praxis, zur Versorgung von Versicherten der GKV in Deutschland auf arzneimittel- und krankenversicherungsrechtlich nicht generell ausgeschlossene kostengünstige Parallelimporte zurückzugreifen, auf vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven hin, die der Beklagte mittels des festgesetzten Festbetrages ohne marktschädigende Effekte in den Blick nehmen durfte. Dies wurde im Übrigen durch die Marktentwicklung in der Folgezeit tatsächlich bestätigt.
cc) Die von der Klägerin gegen die angegriffene Festbetragsfestsetzung des Beklagten erhobenen Einwände, er habe den Beschluss vom 8.10.2012 nach dem Vorliegen der Verordnungsdaten für das Jahr 2011 nicht mehr auf die Daten aus dem Jahre 2010 stützen dürfen, und er habe einen aktuellen Berechnungsstichtag für den Preis- und Produktstand wählen müssen und nicht die Daten vom 1.1.2012 heranziehen dürfen, greifen nicht durch. Letztlich ist durch das Vorgehen des Beklagten sein zunächst mit Wirkung ab 1.7.2012 vorgesehener Beschluss lediglich mit einer zeitlichen Verzögerung von fünf Monaten ergangen. Dem Senat erschließt sich nicht, dass es dadurch zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Klägerin gekommen sein könnte.
dd) Der Beklagte hatte die sich auf der geschilderten Datenbasis ergebenden Festbeträge auch nicht erneut zu überprüfen und an eine veränderte Marktlage anzupassen.
Nach § 35 Abs 5 S 3 SGB V sind die Festbeträge ohnehin mindestens einmal im Jahr zu überprüfen und in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen. Wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat, bringt der Gesetzgeber mit dieser Regelung zum Ausdruck, dass - jedenfalls ohne genügende Hinweise auf eine veränderte Marktlage - "eine" jährliche Überprüfung der Festbeträge ausreicht. Im vorliegenden Fall war die Datenbasis des Beklagten bei der Beschlussfassung noch nicht älter als ein Jahr und es bestand nach den Umständen kein erkennbarer hinreichender Anlass dazu, die Festbeträge auf eine aktuellere Datenlage zu stützen und die bereits zuvor erhobenen Daten bei der Entscheidungsfindung ungenutzt zu lassen. Der Beklagte musste vor diesem Hintergrund nicht davon ausgehen, dass die zugrunde gelegte Datenbasis inzwischen durch eine geänderte Marktlage überholt war.
Aus der Gesamtschau der gesetzlichen Regelung des § 35 Abs 5 SGB V wird deutlich, dass eine Überprüfung der Festbeträge - bzw der auf der Datenbasis eines bestimmten Stichtags vorgesehenen Festbeträge - und ihre Anpassung an eine veränderte Marktlage noch vor Ablauf der Jahresfrist nach § 35 Abs 5 S 3 SGB V nur erforderlich werden kann, wenn andernfalls eine im Allgemeinen ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung nicht mehr gewährleistet ist. Nach der Wiederherstellung der Lieferfähigkeit von Mircera® bestanden dafür indessen ausgehend von den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG keine Anhaltpunkte. Eine Überprüfung und Anpassung der (vorgesehenen) Festbetragsfestsetzung durch den Beklagten ist nicht immer schon dann zwingend erforderlich, wenn kurzfristig nicht mehr ein Fünftel aller Verordnungen und aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sind oder die Maßzahl von 160 überschritten wird. Denn das gesetzliche Ziel einer möglichst weitgehenden Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven wird dann besonders effektiv umgesetzt, wenn der Festbetrag zum Berechnungsstichtag so nah wie möglich an der durch § 35 Abs 5 S 5 SGB V vorgegebenen Grenze liegt. Dann kann aber nicht bereits jede kurzfristige Schwankung auf dem Arzneimittelmarkt Anlass zur Überprüfung geben, insbesondere dann nicht, wenn es sich - wie hier - um einen vorübergehenden Lieferausfall handelt. Nach § 35 Abs 5 S 7 SGB V ist vielmehr maßgebend, dass die engen Voraussetzungen des § 35 Abs 5 S 5 SGB V zum Berechnungsstichtag vorliegen. Erst wenn sicher zu erwarten ist, dass mit dem Festbetrag die danach vorgegebenen Grenzen längerfristig und deutlich überschritten werden und daher auch bei der nächsten im Jahresrhythmus anstehenden Überprüfung nicht eingehalten werden, kann es erforderlich werden, auf die veränderte Marktlage auch schon unterjährig zu reagieren. Nach der Wiederherstellung der Lieferfähigkeit von Mircera® war indessen nicht von einer längerfristigen Veränderung der Marktlage auszugehen. Vielmehr zeigt die Wiederherstellung der Lieferfähigkeit eines zur einschlägigen Festbetragsgruppe gehörenden Arzneimittels, dass es sich nicht um einen endgültigen Marktabgang aus wirtschaftlichen Gründen handelte und dass Anhaltspunkte für eine wettbewerbsschädigende Wirkung des Festbetrags gerade nicht gegeben waren. Auf die Versorgungssicherheit der Patienten und die medizinischen Bedingungen für einen Wechsel zwischen verschiedenen Präparaten - dh auf die Rechte Dritter - kann sich die Klägerin als pharmazeutische Unternehmerin in diesem Zusammenhang nicht berufen. Deshalb ist es grundsätzlich auch unerheblich, ob aufgrund der Besonderheiten der betroffenen Arzneimittel, verordnende Ärzte eine Umstellung auf andere Präparate nach Möglichkeit vermeiden oder nicht. Für die Beurteilung der Marktlage ist demgegenüber die Erwägung des Beklagten nicht zu beanstanden, dass im Falle von Verordnungsumstellungen wegen der Lieferschwierigkeiten von Mircera® überwiegend andere zum abgesenkten Festbetrag verfügbare Arzneimittel profitierten, sodass dort mit einem Verordnungsanstieg zu rechnen war und wegen der Zuzahlungsfreistellung von Mircera® längerfristig auch durch Neuzugänge wieder ein Verordnungsanstieg in Bezug auf dieses Arzneimittel zu erwarten war. Inwieweit die Testrechnung des Beklagten nach aktuell verfügbaren Daten eine entscheidungserhebliche Veränderung der Marktlage nahelegte, die zu einem noch niedrigeren Festbetrag geführt hätte, bedurfte deshalb keiner näheren Aufklärung. Denn eine Verletzung der Klägerin in ihrem Recht auf wirtschaftlich zumutbare Bedingungen kommt bei dieser Sachlage ohnedies nicht in Betracht.
c) Vor diesem Hintergrund scheidet schließlich auch eine Verletzung der Anhörungsrechte der Klägerin aus. Denn soweit der Beklagte sich für den Festbetragsbeschluss vom 8.10.2012 noch auf die Datengrundlage des Preis- und Produktstandes vom 1.1.2012 sowie der Verordnungsdaten nach § 84 Abs 5 SGB V des Jahres 2010 stützen durfte, war auch das hierzu im Februar/März 2012 ordnungsgemäß durchgeführte Anhörungsverfahren ausreichend. Allein die zeitliche Verschiebung der Beschlussfassung machte keine erneute Anhörung erforderlich. Eine erneute Anhörung der Klägerin wird erst zu einer erneuten Überprüfung und Anpassung der Festbeträge aufgrund einer veränderten Marktlage erforderlich und nicht schon bei kurzzeitigen Marktunregelmäßigkeiten, auch wenn diese den Beklagten zu einer zeitlichen Verschiebung der Beschlussfassung zur Marktbeobachtung veranlassen.
d) Ein Verstoß gegen weitere gesetzliche Vorgaben zur Festbetragsfestsetzung in formeller oder materieller Hinsicht, der die Klägerin in ihren Rechten verletzen könnte, ist von ihr weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO; diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen
NZS 2019, 150 |
SGb 2018, 481 |
Breith. 2019, 379 |