Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des BSG vom 3.5.2018 - B 3 KR 9/16 R, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 2 500 000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung eines Festbetrags für Arzneimittel durch den beklagten Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) ab 1.4.2014.
Die Klägerin betreibt ein pharmazeutisches Unternehmen und bringt in verschiedenen Packungsgrößen und Stärken levothyroxinhaltige zu der Festbetragsgruppe "Levothyroxin-Natrium" gehörende, zur Behandlung von Schilddrüsenleiden zugelassene Fertigarzneimittel in den Verkehr. Der Beklagte hatte den Festbetrag für diese Gruppe zuletzt zum 1.4.2012 angepasst und beabsichtigte auf der Basis des zum Berechnungsstichtag 1.10.2013 vorliegenden Preis- und Produktstandes sowie der Verordnungsdaten gemäß § 84 Abs 5 SGB V den Festbetrag auf 3,35 Euro für die angenommene Standardpackung abzusenken. Bei Zugrundelegung dieses Betrages seien 23,53 % der Packungen und 22,08 % (Schreibfehler im Urteil des LSG "22,06 %") der Verordnungen zum Festbetrag verfügbar.
Im hierzu durchgeführten Stellungnahmeverfahren wies die Klägerin auf aktuelle Lieferschwierigkeiten einiger Hersteller und ein zunehmendes Risiko für die Versorgungssicherheit hin sowie darauf, dass Levothyroxin als stoffwechselaktives Hormon sehr exakt dosiert werden müsse und nicht unkontrolliert ausgetauscht werden könne.
Am 3.2.2014 beschloss der Beklagte - wie vorgesehen - die Festbetragsanpassung ab 1.4.2014 und veröffentlichte dies im Bundesanzeiger (BAnz AT 10.2.2014 B4).
Dagegen hat die Klägerin Klage beim LSG Berlin-Brandenburg erhoben: Die Festbetragsabsenkung verstoße gegen § 35 SGB V und bedeute für sie einen Jahresverlust in Höhe von 2 403 604,49 Euro. Der neu festgesetzte Festbetrag gefährde die Versorgungssicherheit, weil nicht alle Wirkstärken berücksichtigt worden seien, obwohl wegen der geringen therapeutischen Breite des Wirkstoffs ein Ausweichen auf andere Wirkstärken für einen großen Teil der Patienten nicht möglich sei. Der Beklagte habe die Festbetragsfestsetzung nicht lediglich auf die Verordnungszahlen des Jahres 2012 stützen dürfen, weil es danach vermehrt zu Lieferengpässen gekommen sei, die einem Versorgungsengpass gleich kämen. Entsprechende Hinweise der Klägerin habe der Beklagte nicht in die Entscheidung einbezogen.
Das LSG hat die Klage abgewiesen: Die Klägerin sei klagebefugt, obwohl der Zweck des § 35 SGB V nicht auf den Schutz der Interessen der pharmazeutischen Industrie gerichtet sei, denn eine Verletzung eigener Rechte (iS von Art 12 iVm Art 3 GG) sei nicht ausgeschlossen. Die Klage sei aber unbegründet. Der Beklagte habe die zur Anpassung des Festbetrags erforderlichen Daten zum Berechnungsstichtag 1.10.2013 korrekt ermittelt. Die darauf basierende Einschätzung einer veränderten Marktlage sowie die Prognose einer weiterhin gewährleisteten Versorgungssicherheit seien nicht zu beanstanden. Eine Beeinträchtigung der Verfügbarkeit eines bestimmten Fertigarzneimittels sei nicht zwangsläufig mit einem Versorgungsengpass gleichzusetzen. Denn ein Arzneimittelwechsel sei - trotz der Aufnahme von Levothyroxin in die Substitutionsausschlussliste (§ 129 Abs 1a SGB V) - unter ärztlicher Kontrolle möglich. Die tatsächliche Entwicklung habe die Prognose des Beklagten bestätigt: 2014 seien 69,08 % der Packungen und 33,74 % der Verordnungen und 2015 67,01 % der Packungen und 38,87 % der Verordnungen zum Festbetrag verfügbar gewesen. Arzneimittel mit Wirkstärken, die seit der Festbetragsanpassung nicht mehr zum Festbetrag erhältlich seien, biete die Klägerin selbst nicht an; daher könne sich eine Verletzung ihrer Rechte nicht ergeben. Schließlich sei die Klägerin auch nicht in ihren Beteiligungsrechten verletzt (Urteil vom 24.2.2017).
Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß des LSG gegen die Vorgaben aus § 35 Abs 3 und Abs 5 SGB V. Das Festbetragsanpassungsverfahren sei schon willkürlich eingeleitet worden. Entscheidend für die dafür erforderliche veränderte Marktlage sei die Preisdynamik. Seit der letzten Festbetragsanpassung seien Preissenkungen lediglich von vier von 15 Herstellern und nur für 23 von 196 verfügbaren Handelsformen erfolgt. Der Beklagte habe demgegenüber eine Marktdynamik ausschließlich auf die Zunahme der Umsätze und Verordnungszahlen gestützt. Zudem habe der Beklagte ihre (der Klägerin) Hinweise auf die Lieferengpässe nicht in die Entscheidung einbezogen, wodurch nicht nur die Versorgungssicherheit gefährdet, sondern auch ihr Anhörungsrecht verletzt worden sei. Die Festbetragsabsenkung stütze sich wesentlich auf Arzneimittel, die nur eingeschränkt verfügbar gewesen seien. Insoweit habe der Beklagte zumindest den Sachverhalt vollständig aufklären müssen, was in den Akten nicht dokumentiert sei. Schließlich bewirke die Festbetragsabsenkung, dass drei Wirkstärken nicht weiter zum Festbetrag erhältlich seien. Die Versorgungsbedürfnisse der Patienten verlangten aber eine enge Spreizung der Wirkstärken. Dies müsse bei der Festsetzung der Festbeträge berücksichtigt werden, schon weil der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) die Festbetragsgruppen lediglich wirkstoffbezogen bilde.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2017 sowie den Beschluss des Beklagten vom 3. Februar 2014 zur Festbetragsanpassung der Festbetragsgruppe "Levothyroxin-Natrium" aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Begründung im angegriffenen Urteil und führt ergänzend aus, bei Einleitung des Verfahrens hätten lediglich vereinzelte Hinweise auf Lieferschwierigkeiten von Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Levothyroxin-Natrium bestanden. Weder die von der Klägerin angegebenen Quellen noch seine (des Beklagten) weiteren Recherchen hätten konkrete Anhaltspunkte für längerfristige Lieferschwierigkeiten bezüglich der Fertigarzneimittel ergeben, die 20 % der Verordnungen und der Packungen ausmachten, die zum Festbetrag verfügbar sein müssten. Die in den Quellen der Klägerin genannten Engpässe hätten nicht den gesamten Wirkstoff, sondern nur einzelne Wirkstärken und ein zeitlich absehbares Ende betroffen. Das Gesetz stelle nicht auf die Verfügbarkeit aller Wirkstärkenausprägungen eines Arzneimittels oder Wirkstoffs ab, sondern als Untergrenze auf 20 % der Verordnungen und der Packungen. Andernfalls würde die gesetzliche Intention, Anreize für Preissenkungen zu setzen, nicht wirksam umgesetzt. Anlass zur Verfahrenseinleitung sei eine veränderte Marktlage gewesen, die sich aus einer erhöhten Anzahl von Arzneimitteln sowie eines weiteren pharmazeutischen Unternehmens seit Inkrafttreten der letzten Festbetragsanpassung ergeben habe. Zudem sei es zu Umsatz- und Verordnungssteigerungen und damit weiteren Zuwächsen gekommen, die auf Wirtschaftlichkeitsreserven hinwiesen. Er (der Beklagte) habe sich mit der Stellungnahme der Klägerin hinreichend auseinandergesetzt, ihre Argumente aufbereitet und sei in der Beratungsunterlage ausdrücklich auch auf die genannten Lieferengpässe eingegangen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).
Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung des Festbetrags-Beschlusses des Beklagten zur Festbetragsgruppe"Levothyroxin-Natrium" vom 3.2.2014 hat. Denn die Klägerin wird durch diese Festbetragsfestsetzung des Beklagten nicht in eigenen Rechten verletzt.
1. Einer notwendigen Beiladung des GBA nach § 75 Abs 2 Fall 1 SGG bedurfte es nicht, denn es gibt schon keine Anhaltspunkte dafür, dass die Festbetragsfestsetzung in Bezug auf die vom GBA durchzuführende erste Stufe des Verfahrens rechtswidrig sein könnte.
Die Festbetragsfestsetzung folgt der Normstruktur von § 35 SGB V (hier und im Folgenden - soweit nicht anders gekennzeichnet - idF des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Versorgungsstrukturge-setz - GKV-VStG≫ vom 22.12.2011, gültig bis 31.12.2016, BGBl I 2983) entsprechend einem zweistufigen Verfahren. Während der GBA in den Arzneimittel-Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB V bestimmt, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden und welche Vergleichsgrößen dabei zugrunde zu legen sind (vgl § 35 Abs 1 und 2 SGB V - "erste Stufe"), setzt der beklagte GKV-Spitzenverband die Festbeträge auf dieser Grundlage in einer zweiten Stufe des Verfahrens im Wege einer Allgemeinverfügung fest (vgl § 35 Abs 3 bis 6 und Abs 7 S 1 SGB V).
Zwar sind gesonderte Klagen gegen einzelne Bestandteile der Festsetzung der Festbeträge nach § 35 Abs 7 S 4 SGB V unzulässig. Die Klägerin hat daher zu Recht die Festbetragsfestsetzung insgesamt gerichtlich angegriffen. Sie erhebt jedoch keine Einwände gegen die auf der ersten Stufe liegende Festbetrags-Gruppenbildung durch den GBA nach § 35 Abs 1 S 1 bis 3 SGB V oder gegen die Ermittlung der rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder der anderen geeigneten Vergleichsgrößen nach § 35 Abs 1 S 5 SGB V, sondern wendet sich lediglich gegen die Festsetzung des Festbetrags durch den beklagten GKV-Spitzenverband nach § 35 Abs 3, Abs 5 und Abs 6 SGB V.
2. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen der Klage sind gegeben.
a) Die auf die Aufhebung von Festbetragsfestsetzungen gerichtete Klage ist eine ohne Vorverfahren statthafte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG iVm § 35 Abs 7 S 3 SGB V). Nach § 29 Abs 4 Nr 3 SGG entscheidet hierüber im ersten Rechtszug das LSG Berlin-Brandenburg. Festbetragsfestsetzungen sind grundsätzlich Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung nach § 31 S 2 SGB X (vgl BVerfGE 106, 275, 298 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 17; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 8; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 11). Zulässiger Streitgegenstand der Klage ist der Anspruch der Klägerin auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzung bzw -anpassung vom 8.10.2012 (BAnz AT 17.10.2012 B2, mWv 1.12.2012).Die Klage ist fristgemäß innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der Allgemeinverfügung erhoben worden (vgl § 87 Abs 1 S 1 SGG).
b) Die Klägerin ist auch klagebefugt, dies allerdings nur insoweit, als sie Arzneimittel mit Wirkstoffen auf den Markt bringt, die zu der Festbetragsgruppe "Levothyroxin-Natrium" gehören. Die Klagebefugnis setzt nach § 54 Abs 1 S 2 SGG voraus, dass die Klägerin behauptet, durch den angefochtenen Verwaltungsakt beschwert zu sein. Das ist vorliegend der Fall, obwohl die Klägerin nicht Adressatin der in der Form der Allgemeinverfügung ergangenen Festbetragsfestsetzung war (vgl dazu BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 13; BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18). Festbeträge begrenzen nämlich den Sachleistungsanspruch der Versicherten und sind daher in erster Linie an diese sowie daneben an Vertragsärzte adressiert, deren Therapiefreiheit eingeengt wird und die durch entsprechende Verordnungs- und Hinweispflichten belastet werden. Pharmazeutische Unternehmer sind demgegenüber nicht Adressaten einer Festbetragsfestsetzung, denn Festbeträge legen die Preise für Arzneimittel nicht fest. Die Auswirkungen von Festbeträgen auf die Berufsausübung pharmazeutischer Unternehmer sind ein bloßer Reflex, ohne berufsregelnde Tendenz (stRspr; vgl BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 13 f; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13). Mit den Festbeträgen sollen wettbewerbliche Elemente in einen Markt eingeführt werden, auf dem diese Elemente fehlen, weil die krankenversicherten Patienten zwar als Nachfrager von Arzneimitteln auftreten, aber mit den unmittelbaren Kosten dafür nicht belastet werden. Der Senat hat in seiner Rechtsprechung bereits auf seine Zweifel hingewiesen, ob Arzneimittelherstellern bei nicht patentgeschützten Arzneimitteln eine Klagebefugnis gegen eine gesetzeswidrige Festbetragsfestsetzung zusteht, wenn nur ihre wirtschaftlichen Interessen betroffen sind (vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15). Hätte der Gesetzgeber den Arzneimittelherstellern insoweit eine umfassende Klagebefugnis einräumen wollen, wäre vor dem Hintergrund der diesbezüglich umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BSG ≪3. Senat≫ E 93, 296 = SozR 4-2500 § 35 Nr 2, RdNr 15; BSG ≪1. Senat≫ E 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 14; BSG ≪1. Senat≫ E 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13) eine gesetzliche Klarstellung zu erwarten gewesen.
aa) Allerdings hat der Senat die Vorschrift zur Festbetragsfestsetzung in § 35 SGB V zur Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) verfassungskonform dahin ausgelegt, dass Arzneimittelhersteller jedenfalls dann zur Anrufung der Gerichte befugt sind, wenn geltend gemacht wird, dass die Festbetragsgruppenbildung oder Festbetragsfestsetzung sie in ihren spezifischen Grundrechten verletze (vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15). Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG schützen Unternehmer im Rahmen ihres Rechts auf Teilhabe am Wettbewerb zwar nicht vor der Veränderung von Wettbewerbsbedingungen (BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18) oder vor der Zulassung von Konkurrenten, wohl aber vor sachlich nicht gerechtfertigter staatlicher Begünstigung von Konkurrenten (BVerfGE 82, 209, 223). Im Hinblick auf ein Recht auf fairen Wettbewerb können staatliche Maßnahmen, die auf eine Veränderung des Verhaltens von Unternehmern im Wettbewerb zielen oder den Wettbewerb der Unternehmer untereinander verfälschen, im Einzelfall die Berufsfreiheit beeinträchtigen (BVerfGE 86, 28, 37; BSGE 87, 95, 97 = SozR 3-2500 § 35 Nr 1 S 3; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 23 ≪jeweils 3. Senat≫; vgl auch BSG ≪1. Senat≫ E 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 17).
bb) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber den pharmazeutischen Unternehmern auf einfachgesetzlicher Ebene ein Beteiligungsrecht im Sinne eines Rechts zur Stellungnahme eingeräumt, die in die Entscheidung einzubeziehen ist (§ 35 Abs 2 SGB V sowie § 35 Abs 3 S 3 iVm Abs 2 SGB V). Im Übrigen aber ist der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit von § 35 SGB V vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2), die zur Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel ergangen ist, kein Hinweis auf einen drittschützenden Gehalt dieser Norm zugunsten von Arzneimittelherstellern zu entnehmen (vgl auch BSG ≪1. Senat≫ E 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 14).
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Klagebefugnis pharmazeutischer Unternehmer auf die von der Festbetragsfestsetzung betroffenen, von ihnen auf den Markt gebrachten Medikamente begrenzt. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG bringt die Klägerin keine Medikamente mit Wirkstärken auf den Markt, die seit der Herabsetzung nicht mehr zum Festbetrag erhältlich sind. Insoweit kommt eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten von vornherein nicht in Betracht. Die von der Klägerin vorgetragene Argumentation, die Versorgungsbedürfnisse der Patienten erforderten eine enge Spreizung der Wirkstärken, weshalb für eine hinreichende Patientenversorgung das gesamte Sortiment an Wirkstärken zum Festbetrag verfügbar sein müsse, betrifft ausschließlich die Rechte der Versicherten und der Vertragsärzte. Nur diese können ggf eine gerichtliche Klärung geltend machen, bezüglich deren der 1. Senat (vgl BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 26 f) bereits entschieden hat, dass bei der Festbetragsfestsetzung eine hinreichende Versorgung lediglich "im Allgemeinen" (§ 35 Abs 5 S 1 SGB V) und eine hinreichende Arzneimittelauswahl nur "soweit wie möglich" (§ 35 Abs 5 S 2 Halbs 2 SGB V) zu gewährleisten ist.
Unabhängig davon ist die Klägerin indessen klagebefugt. Die Argumentation, bestimmte Wirkstärken seien nicht mehr zum Festbetrag verfügbar, führt nicht dazu, dass die Klage vom LSG insoweit als teilweise unzulässig zu verwerfen gewesen wäre. Denn es handelt sich hierbei nicht um einen abgrenzbaren Streitgegenstand, sondern lediglich um einen Teil der Klagebegründung, dem mangels entsprechender subjektiver Rechte der Klägerin selbst dann nicht gefolgt werden könnte, wenn sich die Festbetragsfestsetzung aus diesen Gründen als rechtswidrig erwiese. Die Unzulässigkeit der Klage ergäbe sich daraus lediglich dann, wenn die Klägerin keine andere Rechtsverletzung geltend machen würde. Die Klägerin macht aber geltend, durch die beanstandete Festbetragsfestsetzung auch im Hinblick auf die von ihr auf den Markt gebrachten Arzneimittel in ihrem Recht auf fairen Wettbewerb ohne willkürliche Wettbewerbsverfälschung und in ihren Anhörungsrechten verletzt zu sein.Diesbezüglich kann auf der Ebene der Zulässigkeit der Klage eine Rechtsverletzung nicht von vornherein ausgeschlossen werden (vgl hierzu insbesondere BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 13 ff; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 17 ff, jeweils mwN).
3. Die Anfechtungsklage ist indessen unbegründet. Die Klägerin kann die Aufhebung des zum 1.4.2014 abgesenkten Festbetrags der Festbetragsgruppe "Levothyroxin-Natrium" nicht verlangen.
Eine auf die Veränderung des Verhaltens von Unternehmen im Wettbewerb zielende oder den Wettbewerb der Unternehmen untereinander verfälschende, das Grundrecht der Klägerin auf Wettbewerbsgleichheit (Art 12 iVm Art 3 Abs 1 GG) verletzende, willkürliche Maßnahme liegt nicht vor (zum Prüfmaßstab allgemein vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 17 f; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 19). Durch eine allein auf der zweiten Stufe des Festbetragsverfahrens vorgenommene Herabsetzung des Festbetrags durch den GKV-Spitzenverband kann das Grundrecht pharmazeutischer Unternehmer auf Wettbewerbsgleichheit (Art 12 iVm Art 3 Abs 1 GG) allenfalls dann verletzt sein, wenn der neue Festbetrag so offensichtlich an den Marktrealitäten vorbei festgesetzt wurde, dass deshalb eine daran orientierte realistische Preisgestaltung für die Unternehmen nicht möglich ist (hierzu a). Dies ist im zu entscheidenden Rechtsstreit nicht der Fall; die Klägerin wird durch die Festsetzung des Festbetrags weder in ihrem Recht auf fairen Wettbewerb (hierzu b), noch in ihrem Anhörungsrecht verletzt (hierzu c).
a) Die im Wettbewerb untereinander stehenden pharmazeutischen Unternehmer können durch die vom GBA auf der ersten Stufe des Festbetragsverfahrens vorzunehmende Gruppenbildung, die Zuordnung oder Nichtzuordnung ihrer Medikamente zu einer bestimmten Gruppe oder die Ermittlung der Tages- oder Einzeldosen oder anderer geeigneter Vergleichsgrößen in unterschiedlichem Maße betroffen sein, weshalb damit für einzelne Unternehmer im Vergleich zu anderen erhebliche Vorteile oder Nachteile im Wettbewerb verbunden sein können (vgl hierzu zB BSGE 93, 296 RdNr 12 ff = SozR 4-2500 § 35 Nr 2 RdNr 13 ff; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 18; BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 13 mwN). Eine Rechtsverletzung durch diese Maßnahmen des GBA auf der ersten Stufe des Festbetragsverfahrens ist im Revisionsverfahren nicht gerügt und auch sonst nicht ersichtlich.
Die Festlegung der Höhe eines Festbetrags durch den GKV-Spitzenverband betrifft demgegenüber alle pharmazeutischen Unternehmer in gleicher Weise. Eine gerechtfertigte Gleichbehandlung betroffener Unternehmer ist insoweit gewährleistet, wenn die Gruppenbildung sowie die Ermittlung geeigneter Vergleichsgrößen beanstandungsfrei erfolgt sind und das Arzneimittel einer Gruppe sachgerecht zugeordnet wurde. Die Festlegung der Höhe eines Festbetrags durch den GKV-Spitzenverband als zweite Stufe kann daher den Wettbewerb der Unternehmer untereinander nur wie nachfolgend dargestellt verfälschen.
Eine solche Wettbewerbsverfälschung hängt nicht allein davon ab, ob der Beklagte bei der Festsetzung des Festbetrags die Voraussetzungen des § 35 Abs 5 und 6 SGB V eingehalten hat. Denn das gesetzgeberische Ziel, mit dem Festbetrag eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung (§ 35 Abs 5 S 1 SGB V) und darüber hinaus eine hinreichende Versorgung mit von der Zuzahlung freigestellter Arzneimittel zu gewährleisten (§ 35 Abs 6 SGB V), betrifft - wie bereits zu den Sachurteilsvoraussetzungen unter II. dargelegt - nur die subjektiven Rechte der Versicherten und der Vertragsärzte, entfaltet aber keinen Drittschutz gegenüber pharmazeutischen Unternehmern (vgl erneut BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18).
Eine sachlich nicht gerechtfertigte Wettbewerbsverzerrung zulasten einzelner Unternehmer kann sich aber aus dem Gesichtspunkt ergeben, dass Festbeträge - auch im Interesse der pharmazeutischen Unternehmer - an der Marktlage zu orientieren sind (vgl § 35 Abs 5 S 3 SGB V). Das gesetzgeberische Ziel der Ausgabenbegrenzung soll mit dem System der Festbeträge auf dem Weg der Stärkung der preisorientierten Nachfrage erreicht werden, dh durch eine Stärkung des Preiswettbewerbs (vgl Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen ≪Gesundheits-Reformgesetz - GRG≫, BT-Drucks 11/2237 S 148 unter V. 1. a≫ aa≫). Festbeträge bilden ein preisregulierendes Anreizsystem, mit dem Wettbewerbselemente in den Markt der GKV eingeführt werden, die dort wegen des Auseinanderfallens von Nachfrager und Kostenträger fehlen. Nach § 35 Abs 5 S 2 SGB V haben Festbeträge Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sie sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen. Der Wortlaut macht deutlich, dass die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven, das Auslösen eines wirksamen Preiswettbewerbs und die Ausrichtung an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten im Vordergrund stehen. Für die im Interesse der Versicherten und der Vertragsärzte sicherzustellende hinreichende Arzneimittelauswahl ist lediglich "soweit wie möglich" zu sorgen (dazu BSGE 107, 287 = SozR 4-2500 § 35 Nr 4, RdNr 89; vgl auch BVerfGE 106, 275, 304 f, 309 f = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 22, 26). Das Ziel des Gesetzgebers, mit den Festbeträgen eine auch im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) und die Ausgabenbegrenzung der GKV möglichst preiswerte Versorgung mit Arzneimitteln zu gewährleisten, findet auch in § 35 Abs 5 S 4 SGB V Ausdruck, wonach der Festbetrag einer Festbetragsgruppe den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen soll. Bei dieser Berechnung sind hochpreisige Packungen mit einem Anteil von weniger als einem Prozent an den verordneten Packungen in der Festbetragsgruppe nicht zu berücksichtigen (§ 35 Abs 5 S 6 SGB V).
Trotz der Deutlichkeit, mit der das Ziel der Ausgabenbegrenzung in § 35 Abs 5 SGB V zum Ausdruck gebracht wird, sind Festbeträge an den Marktrealitäten zu orientieren. In diesem Sinne bestimmt § 35 Abs 5 S 3 SGB V, dass sie "an eine veränderte Marktlage anzupassen" sind. Dies betrifft die Interessen pharmazeutischer Unternehmer. Das Ziel der Stärkung des Wettbewerbs würde nämlich geradezu in sein Gegenteil verkehrt, wenn eine realistische Preisgestaltung in Orientierung am Festbetrag für die Unternehmer nicht möglich wäre. Eine Stärkung des Wettbewerbs kann nur gelingen, wenn die Herstellung von Medikamenten zum Festbetrag für die pharmazeutischen Unternehmer wirtschaftlich ist und nicht zu unerwünschten Marktabgängen und weitgehendem Rückzug von Anbietern führt. Festbeträge unterhalb dieser Grenze können auf Dauer den Preiswettbewerb durch unerwünschte Oligopolisierung einschränken (vgl dazu Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der GKV ≪Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz - AMNOG≫, BT-Drucks 17/2413 S 16). Dies kann sachwidrige und willkürliche Wettbewerbsverzerrungen bewirken. Deshalb ist auch in anderen Bereichen des Leistungserbringerrechts anerkannt, dass Preise zwar einerseits dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügen müssen, andererseits aber nicht zu einer Existenzgefährdung der Leistungserbringer führen dürfen (vgl zB BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4, RdNr 63 f ≪Haushaltshilfe≫ unter Hinweis auf BVerfGE 101, 331, 350 f; vgl auch: BSGE 121, 243 = SozR 4-2500 § 132a Nr 10, RdNr 54 f und Parallelurteil B 3 KR 25/15 R vom 23.6.2016 - Juris ≪häusliche Krankenpflege≫; BSGE 110, 222 = SozR 4-2500 § 116b Nr 3, RdNr 69, 74 ≪Krankenhausbehandlung≫; zur vertragsärztlichen Versorgung: BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 140 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 87a Nr 4, RdNr 44, auch zur Veröffentlichung in BSGE 123, 115 vorgesehen). Denn sowohl eine qualitätsgerechte als auch eine aufgrund von Preiswettbewerb wirtschaftliche Versorgung bleiben dauerhaft nur bei einer hinreichenden Anzahl von Anbietern gesichert. Eine mit der Herabsetzung des Festbetrags verbundene Wettbewerbsverzerrung kann deshalb in Betracht kommen, wenn der neue Festbetrag nicht mit den Marktrealitäten in Übereinstimmung zu bringen ist, eine wirtschaftliche Preisgestaltung nicht möglich ist und sich Anbieter deshalb so weit vom Markt zurückziehen, dass dadurch eine Einschränkung des Preiswettbewerbs zu befürchten ist.
b) Die Klägerin wird hier durch die Herabsetzung des Festbetrags nicht in ihrem Recht auf fairen Wettbewerb verletzt, weil sich der beklagte GKV-Spitzenverband in rechtlich nicht zu beanstandender Weise hinreichend an der tatsächlichen Marktlage orientiert hat.
Der Beklagte hat den Festbetrag unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben nach § 35 SGB V festgesetzt, der eine hinreichende Orientierung an der tatsächlichen Marktlage gewährleistet (vgl insoweit allgemein BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 51 ff). Deshalb kann vorliegend offenbleiben, wo die exakte Grenze der Festbetragsfestsetzung verläuft, unterhalb derer der Preiswettbewerb nicht gefördert, sondern eingeschränkt wird.
aa) Der Beklagte hat das Festbetragsverfahren nicht - wie die Klägerin geltend macht - unter Verletzung ihrer subjektiven Rechte willkürlich zu Unrecht eingeleitet. Vielmehr lagen die Voraussetzungen für eine Festbetragsanpassung vor.
Nach § 35 Abs 5 S 3 SGB V sind Festbeträge mindestens einmal im Jahr zu überprüfen. Die Formulierung macht deutlich, dass Überprüfungen auch häufiger durchgeführt werden können, mindestens aber einmal im Jahr. Diese Jahresgrenze war zur Beschlussfassung bereits deutlich überschritten. Die Herabsetzung des Festbetrags erfolgte zum 1.4.2014 auf der Basis der Daten des Berechnungsstichtags 1.10.2013; zuvor war der Festbetrag zuletzt zum 1.4.2012 angepasst worden. Eine Anpassung erfolgt nach § 35 Abs 5 S 3 Halbs 2 SGB V in geeigneten Zeitabständen, wenn sich die Marktlage verändert hat. Die Ansicht der Klägerin, dass es für eine veränderte Marktlage allein auf die Preisdynamik ankomme, findet im Gesetz keine Stütze. Nach dem Wortlaut ist eine veränderte "Marktlage", nicht lediglich eine veränderte Preisstruktur am Markt erforderlich. Die Marktlage ergibt sich nicht allein aus den Preisen, sondern aus allen für den entsprechenden Markt relevanten Faktoren. Neben dem Wortlaut der Regelung ist auch ihr Ziel entscheidend, das in erster Linie auf die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven und das Auslösen eines wirksamen Preiswettbewerbs gerichtet ist (§ 35 Abs 5 S 2 Halbs 1 SGB V). Wirtschaftlichkeitsreserven, die Raum für einen effektiven Preiswettbewerb lassen, können sich nicht nur aus geänderten Preisen, sondern auch aus steigenden Umsätzen, aus einer erhöhten Anzahl von Arzneimitteln am Markt, einer Zunahme von Verordnungen oder aus ähnlichen Marktparametern ergeben. Das LSG hat insoweit unwidersprochen festgestellt, dass die Anzahl der Arzneimittel angestiegen, ein weiterer pharmazeutischer Unternehmer in den Markt eingestiegen ist und das Festbetragsniveau durchgängig sowie mit einer gestiegenen Differenz über dem durchschnittlichen Preisniveau lag.
bb) Der Beklagte hat auch die Vorgaben des § 35 Abs 5 S 5 SGB V eingehalten. Das LSG hat - von der Revisionsführerin unangegriffen - festgestellt, dass der Beklagte die erforderlichen Daten für den Berechnungsstichtag 1.10.2013 rechtmäßig ermittelt hat, dass zu diesem Stichtag mindestens ein Fünftel (20 %) aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar waren und dass zugleich die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschritten (§ 35 Abs 5 S 5 SGB V). Konkret waren zum Berechnungsstichtag 23,53 % der Packungen und 22,08 % der Verordnungen zum Festbetrag verfügbar. Die Maßzahl M (= Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind) betrug 154,39.
cc) Der von der Klägerin gegen die angegriffene Festbetragsfestsetzung des Beklagten erhobene Einwand, er habe die zwischenzeitlich eingetretenen Lieferschwierigkeiten der für diese Berechnung in Bezug genommenen Produkte nicht hinreichend berücksichtigt, greift nicht. Grundsätzlich darf der Beklagte den Festbetrag auf der Basis der zum Berechnungsstichtag vorliegenden Daten festsetzen. Zu weitergehenden Ermittlungspflichten des Beklagten bestimmt § 35 Abs 5 S 3 SGB V, dass die Festbeträge mindestens einmal im Jahr zu überprüfen und in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen sind. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber - wie bereits das LSG ausgeführt hat - zum Ausdruck gebracht, dass ohne Hinweise auf eine veränderte Marktlage jedenfalls eine jährliche Prüfung ausreicht. Eine vorzeitige Überprüfung und ggf ein Absehen von einer vorgesehenen Festbetragsfestsetzung ist nicht schon dann erforderlich, wenn kurzfristig nicht mehr ein Fünftel aller Verordnungen und aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sind oder die Maßzahl von 160 überschritten wird. Denn das gesetzliche Ziel einer möglichst weitgehenden Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven wird dann besonders effektiv umgesetzt, wenn der Festbetrag zum Berechnungsstichtag so nah wie möglich an der durch § 35 Abs 5 S 5 SGB V vorgegebenen Grenze liegt. Dann kann aber nicht bereits jede kurzfristige Schwankung auf dem Arzneimittelmarkt Anlass zur Überprüfung geben, insbesondere dann nicht, wenn es um möglicherweise zukünftig auftretende Lieferausfälle geht, deren Eintritt und Dauer ungewiss ist. Nach § 35 Abs 5 S 7 SGB V ist vielmehr maßgebend, dass die engen Voraussetzungen des § 35 Abs 5 S 5 SGB V zum Berechnungsstichtag vorliegen. Erst wenn sicher zu erwarten ist, dass mit dem Festbetrag oder dem im Zuge einer anstehenden Änderung vorgesehenen Festbetrag die gesetzlich vorgegebenen Grenzen längerfristig und deutlich überschritten und daher auch bei der nächsten im Jahresrhythmus anstehenden Überprüfung nicht eingehalten werden, kann es erforderlich werden, auf die veränderte Marktlage auch schon unterjährig zu reagieren und ggf von der vorgesehenen Festbetragsfestsetzung abzusehen.
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung lagen ausgehend von den Feststellungen des LSG für eine derart unangemessene Höhe des Festbetrags keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Für eine Verletzung der subjektiven Rechte der Klägerin wären überdies Lieferausfälle erforderlich, in denen aufgrund ihrer Dauer und ihres Ausmaßes ein Indiz dafür hätte gesehen werden müssen, dass der Festbetrag den pharmazeutischen Unternehmen keine realistische Preisgestaltung mehr ermöglichte und zu unerwünschten Marktabgängen, dh zu einem wirtschaftlich bedingten weitgehenden Rückzug von Anbietern führt, mit der Folge einer sachwidrigen Einschränkung des Wettbewerbs.
Nach den auch insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG bestand schon kein Anlass für die Annahme, die Versorgung der Versicherten könne aufgrund absehbarer Lieferengpässe iS von § 35 SGB V gefährdet sein. Auch die Klägerin hat keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass Arzneimittel, die zu den 20 % der Verordnungen oder Packungen gehörten, die zum Berechnungsstichtag zum Festbetrag verfügbar waren, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung langfristig nur erheblich eingeschränkt lieferbar gewesen sein könnten. Die von ihr aufgeführten Lieferengpässe betrafen nach den Ausführungen des Beklagten nicht den gesamten Wirkstoff, sondern nur einzelne Wirkstärken und waren zeitlich absehbar begrenzt. Unabhängig davon, dass Einschränkungen der Versorgungssicherheit für sich allein genommen noch nicht die subjektiven Rechte der Klägerin berühren, waren solche bei der gegebenen Sachlage auch nicht erkennbar zu erwarten. Auf die Ausführungen der Klägerin zur engen therapeutischen Breite des Wirkstoffs kann es nicht mehr ankommen, denn eine Verletzung in ihrem Recht auf wirtschaftlich zumutbare Bedingungen kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht.
dd) Selbst wenn der Beklagte - wie die Klägerin geltend macht - den Sachverhalt hinsichtlich der von ihr im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Lieferengpässe noch vor der Beschlussfassung umfassender hätte aufklären müssen, könnte die Klägerin daraus keine Rechte ableiten. Zumindest nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG lagen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der vom Beklagten festgelegte Festbetrag die Klägerin wegen Lieferengpässen in ihren subjektiven Rechten auf faire Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigen könnte. Auch wenn sich diese Tatsachengrundlage erst durch nachträgliche Ermittlungen des Beklagten im Laufe des gerichtlichen Verfahrens in dieser Deutlichkeit herausgestellt haben sollte, rechtfertigt dies nicht die Aufhebung des Festbetragsbeschlusses. Nach § 42 SGB X kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein wegen einer Verletzung von Verfahrensvorschriften beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Hätte sich durch weitere Ermittlungen des Beklagten vor der Beschlussfassung schon mit der späteren Deutlichkeit gezeigt, dass Lieferengpässe, die auf wirtschaftlich unzumutbare Bedingungen für pharmazeutische Unternehmer hindeuten, nicht zu erwarten waren, ist offensichtlich, dass dadurch die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst worden wäre.
c) Der Beklagte verletzte bei der Festsetzung des Festbetrags schließlich auch keine Anhörungsrechte der Klägerin (§ 35 Abs 3 S 3 iVm Abs 2 SGB V). Er führte das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durch und die Klägerin reichte daraufhin eine Stellungnahme ein. Ausweislich der Beratungsunterlagen des Beklagten lag die Stellungnahme bei der Beratung des Festbetragsbeschlusses vor und wurde auch in die Entscheidung einbezogen. Das ergibt sich aus der zur Beratungsunterlage angefertigten Anlage 1, in welcher die Stellungnahme der Klägerin nicht nur erfasst und ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben, sondern auch ausgewertet wurde. Zu den Ausführungen der Klägerin in ihrer Stellungnahme, sie halte eine hinreichende Arzneimittelauswahl für gefährdet, die Risiken für Lieferausfälle würden bei sinkenden Preisen weiter steigen und Levothyroxin sollte wegen problematischer Bioverfügbarkeit nicht unkontrolliert ausgetauscht werden, bemerkte der Beklagte dort beanstandungsfrei, die Festbeträge seien an die geänderte Marktlage anzupassen, der Festbetragsvorschlag beachte die ein Fünftel Regelung des § 35 Abs 5 SGB V und die Austauschbarkeit sei ein Kriterium der aut-idem Regelung nach § 129 Abs 1 S 2 SGB V, bei der Festbetragsfestsetzung jedoch unerheblich. Auch wenn der Beklagte auf die Lieferausfälle nicht ausdrücklich einging, bezog er die Stellungnahme damit hinreichend in seine Entscheidung ein. Soweit es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die angeblichen Lieferausfälle gab, bestand auch kein Anlass, darauf weiter einzugehen.
d) Ein Verstoß gegen weitere gesetzliche Vorgaben zur Festbetragsfestsetzung in formeller oder materieller Hinsicht, der die Klägerin in ihren Rechten verletzen könnte, ist von ihr weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO; diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 12003749 |
NZS 2019, 152 |
SGb 2018, 482 |