Entscheidungsstichwort (Thema)
medizinische Rehabilitation. Übergangsgeld. Kind. Unterhaltspflicht. Erziehungsleistung
Leitsatz (amtlich)
Die Nichtberücksichtigung von in der Ausbildung befindlichen Kindern über 18 Jahren bei der Höhe des Übergangsgeldes ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
SGB VI § 24 Abs. 1 Nr. 19, §§ 21, 270; RVO § 1241b Abs. 1, § 1262 Abs. 2-3; GG Art. 14, 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. September 1995 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des dem Kläger für die Dauer einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme gewährten Übergangsgeldes (Übg).
Auf seinen Antrag vom Juli 1993 bewilligte die Beklagte dem im Jahre 1941 geborenen Kläger mit Bescheid vom 31. August 1993 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme und erkannte ihm mit Bescheid vom 1. Februar 1994 für die in der Zeit vom 19. Juli bis 25. August 1993 durchgeführte Maßnahme ein Übg in Höhe von 75 vH der maßgeblichen Berechnungsgrundlage gemäß § 24 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) zu. Gegen die Höhe des Übg wandte sich der Kläger und machte geltend: Ihm stehe ein Übg in Höhe von 90 vH der maßgeblichen Berechnungsgrundlage zu; er sei seiner Ehefrau und seinem Sohn unterhaltspflichtig gewesen; seine Ehefrau sei arbeitslos; sein am 23. April 1968 geborener Sohn habe zum damaligen Zeitpunkt Mathematik und Physik an der Universität D… studiert. Den Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1994), weil Übg in Höhe von 90 vH der Bemessungsgrundlage nur demjenigen Versicherten zustehe, der ein Kind habe, welches das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, oder dessen Ehegatte, mit dem er in häuslicher Gemeinschaft lebe, entweder selbst pflegebedürftig sei oder ihn pflege und deshalb keine Erwerbstätigkeit ausübe.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat durch Urteil vom 27. Januar 1995 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 15. September 1995). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe das Übg zutreffend gemäß § 24 iVm § 46 Abs 2 Satz 1 SGB VI berechnet. Einen Anspruch auf höheres Übg habe nur derjenige, der ein Kind unter 18 Jahren erziehe; diesem “Kind” stehe ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Kind – auch über 18 Jahren – gleich, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. § 24 Abs 1 SGB VI verstoße auch nicht gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Gegenüber dem bis Ende 1991 geltenden Recht werde der Kläger zwar benachteiligt. Nach § 18b Abs 1 Nr 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) sei das Übg nach einem Vomhundertsatz von 90 der maßgeblichen Bemessungsgrundlage auch für ein Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt worden, sofern sich dieses in Schul- oder Berufsausbildung befunden habe. Diese Ungleichbehandlung sei hier hinzunehmen. Kürzungen, Einschränkungen oder Streichungen einmal institutionalisierter öffentlicher Sozialleistungen seien zur Erhaltung der Finanzierbarkeit der Sozialleistungssysteme möglich. Im Hinblick auf die äußerst vielschichtige Problemlage sei nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber Versicherte, deren Kinder volljährig seien, ungünstiger behandele als Versicherte mit minderjährigen Kindern.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung von Art 3 Abs 1, 1 Abs 3, 20 Abs 3 GG, von § 18b Abs 1 Nr 1 AVG und trägt vor:
Die Berechnung des Übg sei fehlerhaft; § 24 Abs 1 Nr 1 SGB VI iVm § 46 Abs 2 Satz 1 SGB VI verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG. Er habe Anspruch auf ein Übg von 90 vH der maßgeblichen Berechnungsgrundlage, entsprechend der bis Ende 1991 geltenden Regelung des § 18b Abs 1 Nr 1 Buchst a AVG, da sein Sohn zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet und sich noch in der Ausbildung befunden habe. Die mit Inkrafttreten des SGB VI eingetretene Kürzung der Barleistung bei medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen beeinträchtige den Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber habe bei der Abgrenzung des Kreises der Leistungsberechtigten nicht – wie hier – sachwidrig differenzieren dürfen. Sowohl dem minderjährigen als auch dem in der Ausbildung befindlichen volljährigen Kind stehe ein Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern zu. Dieser Anspruch sei bei einem einkommenslosen volljährigen Studenten grundsätzlich höher als bei einem Minderjährigen mit eigener Ausbildungsvergütung. Die Regelung benachteilige sachwidrig nicht nur Eltern, die ihren Kindern eine besonders qualifizierte Ausbildung zukommen ließen, sondern sei auch ein Systembruch. In anderen Rechtsgebieten würden Kinder über das 18. Lebensjahr hinaus berücksichtigt, sofern sie unterhaltsberechtigt seien und sich noch in der Ausbildung befänden. Der Nachweis der Unterhaltspflicht für das in der Ausbildung befindliche Kind könne mindestens so leicht erbracht werden wie für ein volljähriges Kind, das aus medizinischen Gründen nicht in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. September 1995 sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27. Januar 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 1. Februar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1994 zu verurteilen, bei der Berechnung des Übergangsgeldes für die Zeit vom 19. Juli 1993 bis 25. August 1993 “zum Satz von 90 % des kalendertäglichen Nettoverdienstes von 137,50 DM zugrunde zu legen anstelle 75 %”,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich im wesentlichen auf die nach ihrer Ansicht zutreffenden Gründe der erstund zweitinstanzlichen Entscheidung und weist darauf hin, daß sie nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut gehalten sei, das Übg der Höhe nach auf 75 vH der maßgeblichen Berechnungsgrundlage zu begrenzen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Zutreffend haben die Vorinstanzen einen Anspruch des Klägers auf ein höheres Übg verneint, der angefochtene Bescheid vom 1. Februar 1994 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) ist rechtmäßig. Dem Kläger steht für die Dauer der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme gemäß § 24 Abs 1 Nr 2 SGB VI Übg lediglich in Höhe von 75 vH (und nicht von 90 vH) der maßgeblichen Berechnungsgrundlage zu.
1. Der Anspruch des Klägers auf “richtige” Berechnung des Übg bestimmt sich allein nach den Vorschriften des SGB VI; denn gemäß § 300 Abs 1 SGB VI finden die Vorschriften dieses Gesetzes vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an Anwendung; die Ausnahmevorschrift des § 301 Abs 1 SGB VI greift nicht ein, da sowohl bei Antragstellung als auch bei Durchführung der Rehabilitationsmaßnahme das SGB VI bereits in Kraft getreten war.
Die Beklagte hat – worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht – das Übg gemäß § 24 Abs 1 Nr 2 iVm § 21 SGB VI zutreffend berechnet. Die Voraussetzungen für einen höheren Vomhundertsatz der maßgeblichen Berechnungsgrundlage liegen nach dem Wortlaut des § 24 Abs 1 Nr 1 SGB VI nicht vor. Denn der Sohn des Klägers hatte zum Zeitpunkt der Antragstellung das 18. Lebensjahr bereits vollendet; auch waren weder der Kläger noch seine Ehefrau pflegebedürftig und/oder wurden jeweils von dem anderen Ehepartner gepflegt.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Vorschriften über die Berechnung des Übg, insbesondere § 24 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB VI, nicht verfassungswidrig.
a) Soweit sich der Kläger darauf beruft, er werde gegenüber der früheren Regelung benachteiligt, wonach nicht nur Versicherte mit einem Kind bis zu 18 Jahren, sondern auch mit einem in der Ausbildung befindlichen Kind über 18 Jahren einen Anspruch auf Übg in Höhe von 90 vH (statt von 75 vH) der maßgeblichen Berechnungsgrundlage zustand (§ 18b Abs 1 Nr 1 AVG iVm § 39 Abs 2 und 3 AVG = § 1241 Buchst b Abs 1 Nr 1 iVm § 1262 Abs 2 und 3 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫), ist Prüfungsmaßstab allein Art 14 GG.
Diese Verfassungsnorm wird jedoch durch die Änderung der Vorschrift über die Höhe des Übg nicht verletzt. Dabei kann offenbleiben, ob der Anspruch auf Übg seiner Art nach ein vermögenswirksames subjektives Recht ist, das Merkmale des Eigentumsbegriffs iS von Art 14 GG aufweist (bejahend für den Fall des durch Leistungsbescheid bereits bewilligten Übg: BVerfGE 76, 220, 235 ff = SozR 4100 § 242b Nr 3; verneinend für eine – noch nicht bewilligte – Rehabilitationsmaßnahme gemäß § 13 AVG: BVerfGE 63, 152, 174 = SozR 2200 § 1236 Nr 39). Denn zum einen hatte er einen Anspruch auf Übg nicht vor dem 31. August 1993, als das SGB VI schon galt. Zum anderen verletzt die Begrenzung des für ein höheres Übg (90 vH statt 75 vH der maßgeblichen Berechnungsgrundlage) in Betracht kommenden anspruchsberechtigten Personenkreises durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) zum 1. Januar 1992 infolge der neuen Definition des Begriffs “Kind” durch Verweisung in § 24 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB VI auf § 46 Abs 2 SGB VI nämlich auch dann nicht Art 14 GG, wenn das Übg als solches der Institutsgarantie des Eigentums unterliegen würde. Denn mit dieser Änderung hat der Gesetzgeber jedenfalls nicht die Grenzen überschritten, die ihm ggf nach Art 14 Abs 1 Satz 2 GG bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken sozialrechtlicher Positionen gesetzt waren. Gemessen an der Bedeutung des gesetzlichen Zieles einer möglichst rasch greifenden Besserung der Finanzlage der Rentenversicherung durch das RRG 1992 (vgl BT-Drucks 11/4124, S 136 ff), die zur Erhaltung ihrer Funktions- und Leistungsfähigkeit im öffentlichen Interesse lag, war die – geringe – Leistungseinschränkung (gegenüber dem vorherigen Rechtszustand) weder unverhältnismäßig noch unzumutbar (vgl hierzu entsprechend BVerfG SozR 2200 § 568 Nr 9; BVerfGE 76, 220, 238 ff = SozR 4100 § 242b Nr 3). Es entspricht dem Prinzip der Solidargemeinschaft, ua die Leistungen nicht für alle Zeiten unveränderlich festzuschreiben, sondern die konkrete Ausgestaltung – in den Grenzen des Übermaßgebotes – den jeweiligen Bedürfnissen und Möglichkeiten anzupassen, da nur in dieser Weise die mit der Sozialversicherung bezweckte solidarische Daseinsvorsorge erreicht werden kann (vgl BVerfG SozR 2200 § 1304e Nr 1).
b) Eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG ist in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Differenzierung des Gesetzgebers zwischen voll- und minderjährigen Kindern ohne Berücksichtigung der Unterhaltspflicht des Versicherten gegenüber dem in Ausbildung befindlichen Kind bei Anhebung des Vomhundertsatzes von 75 auf 90 in § 24 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB VI nicht zu beanstanden.
Art 3 Abs 1 GG gebietet Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber die Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt (BVerfGE 86, 81, 87). Es bleibt grundsätzlich ihm überlassen, Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen will (BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6). Art 3 Abs 1 GG ist demnach nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88; 79, 87, 98; 87, 234, 255 f). Die rechtliche Unterscheidung muß mithin in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt auch insoweit seine Präzisierung jeweils im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts (vgl BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6). Auf der Grundlage von Erfahrungen darf der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden (vgl hierzu BVerfGE 63, 119, 128; 87, 234, 255 f).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die getroffene Regelung sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat im Rahmen einer hier zulässigen Typisierung und Pauschalierung das Übg nicht etwa auch für ein in der Ausbildung befindliches Kind des Versicherten erhöht, entsprechend der früheren Regelung in § 18b Abs 1 Nr 1 Buchst a AVG oder der Regelung in § 2 Abs 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder in § 59 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), sondern nur für ein Kind iS des § 46 Abs 2 SGB VI (ua eigene Kinder, Kinder des Ehegatten, Stief- und Pflegekinder), also grundsätzlich nur für ein Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres unabhängig von einer noch nach diesem Zeitpunkt bestehenden Unterhaltspflicht infolge Ausbildung. Dieser vom Gesetzgeber ausgewählte, für die Differenzierung maßgebliche Tatbestand ist – auch – unter Berücksichtigung der Eigenart des Übg als einer Leistung der (hier: medizinischen) Rehabilitation nicht willkürlich.
Das Übg ist eine Entgeltersatzleistung für die Versicherten, die aktuell Rentenversicherungsbeiträge entrichten und durch die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen Einbußen am laufenden Arbeitsentgelt erleiden; es hat also Lohnersatzfunktion; während der Dauer der Maßnahme soll es die wirtschaftliche Sicherung des Versicherten und seiner Familie gewährleisten (vgl BT-Drucks 7/1237, S 58). Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, um eine zügige Feststellung der Leistungshöhe zu ermöglichen, wird es in einem pauschalierten Verfahren berechnet (vgl hierzu BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 8 und entsprechend BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6).
Im Laufe der Rechtsentwicklung hat der Gesetzgeber dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Sicherung des Versicherten und seiner Familienangehörigen während der Dauer der Rehabilitationsmaßnahme auf verschiedene Weise Rechnung getragen. Vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Angleichung der Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I S 1881) wurde das Übg unter Berücksichtigung der Zahl der von dem Versicherten vor Beginn der Maßnahme überwiegend unterhaltenen Familienangehörigen sowie der dem Betreuten vom Rentenversicherungsträger gewährten Unterkunft und Verpflegung festgesetzt (§ 18 Abs 2 AVG in der damals geltenden Fassung). Dieser Berechnungsmodus hat sich durch das RehaAnglG nach dessen (Rahmen-)Vorgaben grundlegend geändert. Die mit diesem Gesetz bezweckte Reform des Rehabilitationsrechts mit Leistungsverbesserungen und Harmonisierung der Sach- und Barleistung gemäß §§ 13 ff RehaAnglG ua in der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfall- und gesetzlichen Krankenversicherung hatte zur Folge, daß das Übg ebenso wie das Krankengeld grundsätzlich auf der Basis von 80 vH des regelmäßig entgangenen (Brutto-)Entgelts zu berechnen war, soweit es der Beitragsberechnung unterlag; unterstellt wurde dabei, daß ein Vomhundertsatz von 80 – pauschalierend – dem Nettoeinkommen, also dem Einkommen entsprach, das dem Versicherten zur Unterhaltung seiner Familie vor der Maßnahme zur Verfügung stand (vgl hierzu entsprechend Höfler in Kasseler Komm, § 47 SGB VI RdNr 3; BT-Drucks 7/1237, S 64). Ein Bedürfnis für eine Erhöhung des Hundertsatzes wegen einer Unterhaltspflicht des Versicherten entfiel hiermit. Während das Krankengeld seit dieser Zeit unverändert auf dieser Basis errechnet wird, wurden die Barleistungen ua bei der medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung zwischenzeitlich gekürzt (vgl Art 6 Nr 5 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes vom 22. Dezember 1981, BGBl I S 1497). Übg wurde dem Versicherten grundsätzlich nur noch in Höhe von 75 vH der Berechnungsgrundlage (= 80 vH des Regelentgelts) zuerkannt; bei “mindestens” einem Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder bei einem in Schul- oder Berufsausbildung befindlichen Kind – im wesentlichen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres –, oder bei einem Kind, das infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande war, sich selbst zu unterhalten, erhöhte sich der Vomhundertsatz von 75 auf 90. Eine Differenzierung etwa hinsichtlich der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder oder eine Erhöhung bei Unterhaltspflicht des Versicherten gegenüber seinem Ehegatten erfolgte nicht. Derselbe Zuschlag wurde – im wesentlichen – entsprechend der heutigen Regelung in § 24 Abs 1 Nr 1 Buchst b und c SGB VI unter bestimmten Voraussetzungen im Falle der Pflegebedürftigkeit des Versicherten oder seines Ehegatten gewährt (§ 18b Abs 1 Nr 1 Buchst a und 2 AVG in der seit 1982 geltenden Fassung). Eine Änderung der Rechtslage trat bis zum Inkrafttreten des SGB VI nicht ein. Gründe für die jeweiligen Differenzierungen lassen sich insoweit den Materialien nicht entnehmen (vgl BT-Drucks 9/846, S 50 f, 54 f).
Mit dem SGB VI hat der Gesetzgeber – im Einklang mit § 13 Abs 3 Nr 1 RehaAnglG, wonach das Übg 90 vH der maßgeblichen Berechnungsgrundlage zu betragen hat, ua bei Versicherten, die mindestens ein Kind haben, das nach den für den Rehabilitationsträger geltenden Bestimmungen zu berücksichtigen ist – nunmehr den Begriff “Kind” neu definiert. Er hat insoweit nicht auf die nicht mehr geltende Regelung über den Kinderzuschuß (§ 39 Abs 2 und 3 AVG = § 1262 Abs 2 und 3 RVO) und auch nicht auf die lediglich besitzstandswahrende Übergangsregelung des § 270 SGB VI verwiesen, sondern auf § 46 Abs 2 SGB VI und damit auf die für die Gewährung einer großen Witwen-/Witwerrente – im wesentlichen – maßgebliche Erziehung des Kindes. Er blieb damit im Rahmen des RehaAnglG, das es dem einzelnen Sicherungssystem überläßt, in welchem Umfang und nach welchen speziellen Bestimmungen des jeweiligen Rechtsgebietes das Kind bei dem Bezug von Übg zu berücksichtigen ist. Daß eine Unterhaltspflicht des Versicherten zwangsläufig zur Erhöhung des Vomhundertsatzes führen muß, ist § 13 Abs 1 Nr 1 RehaAnglG jedenfalls nicht zu entnehmen. Der Gesetzgeber des SGB VI hat die – wie aufgezeigt – zum Teil historisch bedingte Ausgestaltung des Anspruchs auf Übg in einer bestimmten Höhe verändert.
Betrachtet man die Gesamtregelung des Übg unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, so wird zunächst deutlich, daß aus einer am Bedarf eines unterhaltsverpflichteten Versicherten orientierten Gestaltung (Zuschlag für jeden unterhaltsberechtigten Angehörigen) sich eine Berechnung des Übg entwickelt hat, die überwiegend an das – unabhängig von der Anzahl der Unterhaltsberechtigten – gezahlte (Brutto-)Arbeitsentgelt anknüpft und bei der dementsprechend Unterhaltspflichten des Versicherten für die Höhe des Übg grundsätzlich nicht mehr ausschlaggebend sein müssen.
Die für die Erhöhung des Hundertsatzes von 75 auf 90 der Berechnungsgrundlage nunmehr maßgeblichen Tatbestandsmerkmale – Erziehung eines Kindes bis zum 18. Lebensjahr, Ausübung der “Sorge” für ein Kind, das infolge körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, Pflegebedürftigkeit des Versicherten, sofern er von seinem Ehegatten gepflegt wird und dieser daher keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann oder Pflegebedürftigkeit des in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten (§ 24 Abs 1 Nr 1 iVm § 46 Abs 2 SGB VI) – lassen auf den ersten Blick den Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung und damit auch nicht erkennen, welche Kriterien der Gesetzgeber des SGB VI für eine Hundertsatzerhöhung als maßgeblich erachtet hat. Während in § 24 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB VI durch die Bezugnahme auf § 46 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI die Erziehung des noch nicht volljährigen Kindes in den Vordergrund gestellt wird, wird in § 24 Abs 1 Nr 1 Buchst b und c SGB VI – offenbar – in erster Linie die Pflegeleistung des Versicherten selbst oder seines nicht erwerbstätigen Ehegatten honoriert und nicht etwa eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Versicherten gegenüber dem Ehegatten ausgeglichen. Die einzelnen hundertsatzerhöhenden Faktoren stehen dennoch in einem Zusammenhang. Denn die Merkmale dieser Fallgruppen lassen die Absicht des Gesetzgebers erkennen – auch – sozialpolitisch erwünschtes Verhalten und Tätigkeiten – Pflege und Erziehung – anzuerkennen. Dies ergibt sich aus dem Hinweis in § 46 Abs 2 SGB VI auf die “Erziehung” des Kindes und die “ausgeübte Sorge” für ein behindertes Kind als anspruchsbegründendes Merkmal (für die Witwen-/Witwerrente). Dem entspricht auch die dem Gesetzgeber gemäß Art 6 Abs 1 GG obliegende Pflicht, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Ersichtlich ist somit die Hundertsatzerhöhung für ein Kind nicht nur ein finanzieller Ausgleich für den Unterhalt dieses – in der Regel im Haushalt lebenden minderjährigen – Kindes, sondern zugleich Ausdruck und Anerkennung für dessen Betreuung, also für die Erziehungsleistung (vgl hierzu entsprechend BVerfGE 29, 71, 79 ff; 82, 60, 78 f = SozR 3-5870 § 10 Nr 1). § 24 Abs 1 Nr 1 SGB VI enthält mithin einen Mischtatbestand, durch den diejenigen begünstigt werden, die sich einer Personengruppe annehmen, die der besonderen Verantwortung und Fürsorge des Staates bedürfen. Durch sie wird sowohl die “soziale” Leistung des Versicherten honoriert als auch zugleich – zwangsläufig daneben – ein finanzieller Ausgleich für die Unterhaltspflicht des Versicherten diesen Personen gegenüber gewährt.
Der Änderung des Schwerpunktes bei der Festsetzung der Höhe des Anspruchs auf Übg entspricht, daß die Leistungen für Kinder im Rahmen des Familienleistungsausgleichs zunehmend spezialgesetzlich und nicht im Zusammenhang mit dem – dem Versicherten zustehenden – Anspruch auf “Entgelt” geregelt werden (vgl hierzu entsprechend der Programmsatz des § 6 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – ≪SGB I≫; neben familienbezogenen Steuervergünstigungen, die sich hier im Hinblick auf die Fiktion des Nettoentgelts nicht auswirken: Kindergeld, Ausbildungsförderungsbeihilfen sowie Wohnungszuschüsse). Wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf die og, von ihm für eine Hundertsatzerhöhung herangezogenen Kriterien die Erziehungsleistung, wie auch in anderen Bestimmungen des SGB VI (§§ 56, 57 aaO), betont, die grundsätzlich mit dem 18. Lebensjahr endet, und als Differenzierungskriterium zugrunde legt, so ist die Unterscheidung zwischen einerseits dem minderjährigen und andererseits dem volljährigen, aber noch in der Ausbildung befindlichen Kind über 18 Jahren sachlich gerechtfertigt. Die Regelung des § 24 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB VI verstößt mithin nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
c) Die Neuregelung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Rechts- und Sozialstaatsprinzips nicht zu beanstanden. Im Bereich der Rentenversicherung, in dem die Leistungen stets von der Gesamtheit der Beitragszahler zu finanzieren sind, unterliegen die Ansprüche in ihrer näheren Ausgestaltung dem Gesetzgeber, der sie aus sozialpolitischen und finanziellen Erwägungen heraus einschränken kann (vgl hierzu BVerfG SozR 2200 § 1304e Nr 1).
Die Revision hat nach alledem keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen