Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 1988 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger beansprucht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Er ist 1926 in Duisburg geboren. Ab 1941 leistete er Dienst in der deutschen Wehrmacht. Von Oktober 1945 bis September 1947 war er am Niederrhein versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend siedelte er nach Jugoslawien über. Er besitzt die dortige Staatsangehörigkeit.
Den Rentenantrag des Klägers vom 27. Februar 1979 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Dezember 1979 ab. Die Wartezeit für Versichertenrenten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sei nicht erfüllt, da keine nach deutschem Recht anrechenbaren Versicherungszeiten vorhanden seien. Die nachgewiesenen Versicherungszeiten seien in die jugoslawische Versicherungslast übergegangen. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4. November 1980).
Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 25. Mai 1982 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ab 1. Juli 1985 dem Grunde nach Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren, nachdem er die zur Erhaltung der Anwartschaft nach Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1984 erforderlichen Mindestbeiträge innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Berufungsurteils an die Beklagte gezahlt hat (Urteil vom 15. Dezember 1988). Vor dem 1. Juli 1985 sei der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig iS der §§ 1247, 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gewesen. Jedoch sei der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit im Laufe des Berufungsverfahrens am 15. Juni 1985 eingetreten. Die erforderlichen Beiträge für 1984 könne der Kläger nachentrichten.
Seine in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten seien anrechnungsfähig. Neben der jugoslawischen besitze der Kläger auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Deshalb falle er nicht unter die Regelungen des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung vom 10. März 1956 (BGBl II 1958, 170). Das am 15. Dezember 1988 verkündete Urteil des LSG ist dem Kläger am 10. und der Beklagten am 12. September 1990 zugestellt worden.
Die Beklagte hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Sie rügt eine Verletzung von Art 2 Buchst b des Vertrages vom 10. März 1956.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 15. Dezember 1988 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 25. Mai 1982 als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden mußte. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist iS des über § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwendenden § 551 Nr 7 der Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht mit Gründen versehen.
Nach der genannten Vorschrift ist eine Entscheidung, die nicht mit Gründen versehen ist, „stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen”. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung – einschließlich derjenigen des Bundessozialgerichts (BSG) – wird die verspätete Absetzung und Zustellung eines Urteils dem Fehlen von Gründen gleichgestellt, weil dann das Urteil nicht mit hinreichender Sicherheit das Beratungsergebnis wiedergibt (vgl BSGE 53, 186, 188 mwN). Der 10. Senat des BSG hat am 22. Januar 1981 (BSGE 51, 122, 124 f) entschieden, liege zwischen der Entscheidung und ihrer schriftlichen Verlautbarung etwa ein Jahr, so seien die Gründe nicht mehr hinzunehmen. Zwar rügt die Beklagte nicht die verspätete Absetzung des Urteils, ein solcher Verfahrensmangel ist im Revisionsverfahren aber von Amts wegen zu beachten (vgl BSG Urteil vom 22. Januar 1981 aaO 125 und SozR 1750 § 551 Nrn 9 und 12).
Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht die Voraussetzungen des absoluten Revisionsgrundes aus § 551 Nr 7 ZPO als erfüllt an, wenn das mit Gründen versehene, vollständige Berufungsurteil erst nach Ablauf der in § 552 ZPO genannten fünf Monate zur Geschäftsstelle gelangt. Diese starre Grenze sei ua zur Vermeidung von Fehlerinnerung festgelegt worden (vgl BGHR ZPO § 551 Nr 7 Urteilsabfassung, verspätete 1 und 2). In seiner neueren Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Urteil vom 3. August 1990 – 7 C 41-43/89 – entschieden, jedenfalls sei bei schwierigen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen ein Urteil, das erst sechs Monate und zwölf Tage nach seiner Verkündung vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle übergeben werde und bei dem die Unterschrift des Vorsitzenden ersetzt worden sei, iS des § 138 Nr 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht mit Gründen versehen. Ob unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ein kürzerer Zeitraum als eine um ein Jahr verzögerte Absetzung des Urteils zum absoluten Revisionsgrund des § 551 Nr 7 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren führen kann, bedarf hier keiner Erörterung. Wann im Falle des Klägers das vollständige Urteil zur Geschäftsstelle gelangt ist, läßt sich den Akten des LSG nicht entnehmen. Die Entscheidung vom 15. Dezember 1988 ist erst am 30. August 1990 geschrieben und am 7. September 1990 an die Beteiligten abgesandt worden. Das Urteil wurde dem Kläger am 10. und der Beklagten am 12. September 1990 zugestellt. Damit ist die vom BSG bislang gesetzte Grenze von einem Jahr zwischen Verkündung und Zustellung der Entscheidung (so BSGE 51, 122) überschritten worden.
Der erkennende Senat ist somit von Amts wegen verpflichtet, das angefochtene Urteil aufzuheben, ohne daß es darauf ankommt, ob es auf der verspäteten Begründung beruht.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen