Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. September 1990 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13. Oktober 1989 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen in der Rentenversicherung berechtigt ist.
Die 1917 geborene Klägerin wohnt als israelische Staatsangehörige in Israel. Sie beantragte am 13. Juni 1983 durch ihren damaligen Bevollmächtigten R …, der viele gleichartige Anträge stellte, die Zulassung zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 12 der Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (DV/DISVA – BGBl 1980 II 575). Die Beklagte schrieb unter dem 30. August 1983 ua: Um den Antrag bearbeiten zu können, benötige sie insbesondere noch konkrete Angaben über die Beitragshöhe, den Nachentrichtungszeitraum sowie die Anzahl der Beiträge. Hierbei bitte sie, die beigefügte Anlage VA 1-42 „Wichtiger Hinweis für die Beitragswahl”) zu beachten. Für eine sachgerechte Antragstellung seien der Vordruck VA 4-20 und ein Hinweisblatt (VA 4-21) beigefügt. Die hierin enthaltenen Ausführungen bitte sie unbedingt zu beachten. Über die einzelnen Möglichkeiten der Nachentrichtung von Beiträgen informiere das beiliegende Sondermerkblatt VA 4-22. Den vollständig ausgefüllten Antrag wolle sie (die Antragstellerin) bitte unter Beifügung einer Staatsangehörigkeitsbescheinigung (VA 1-21) … binnen sechs Monaten nach Zugang dieses Schreibens zurücksenden. Bei Nichteinhaltung der Frist werde der Antrag ggf abgelehnt werden. Eine Antwort auf dieses Schreiben ging bei der Beklagten nicht ein.
Die Beklagte lehnte daher den Nachentrichtungsantrag mit Bescheid vom 18. Februar 1985 ab. Innerhalb der Antragsfrist sei ein formloser Nachentrichtungsantrag gestellt worden, ohne daß Umfang und Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge bestimmt und der Nachweis der Zugehörigkeit zum berechtigten Personenkreis erbracht worden sei. … Sie (die Beklagte) habe … die für eine sachgerechte Antragstellung erforderlichen Unterlagen mit Sammelsendung zugestellt und gebeten, den Antragsvordruck unter Beifügung einer Staatsangehörigkeitsbescheinigung zurückzusenden. Innerhalb der gesetzten Frist von sechs Monaten sei weder der ausgefüllte Antragsvordruck noch der Nachweis der israelischen Staatsangehörigkeit eingesandt worden. Sie habe daher die Berechtigung zur Nachentrichtung nicht feststellen können. Der Antrag müsse daher abgelehnt werden.
Die Klägerin erhob am 14. März 1985 Widerspruch und bat, ihr einen zusätzlichen Aufschub für das „Annahmeverfahren” zu gewähren. Im Mai 1985 legte sie das ausgefüllte Antragsformular vor. Darin gab sie an, die Nachentrichtung für die Zeit von Januar 1956 bis Juni 1980 (294 Monate) zu einem Monatsbeitrag von 77 DM (insgesamt 22.638 DM) vornehmen zu wollen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1986 zurück und führte aus: Aus der fristwahrenden Anmeldung zur Beitragsentrichtung nach Art 12 DV/DISVA könne die Klägerin keine Rechte herleiten, weil sie an der Gestaltung des Rechtsverhältnisses nicht im erforderlichen Umfang mitgewirkt habe. Sie habe innerhalb der mit Schreiben vom 30. August 1983 gesetzten Frist von sechs Monaten weder den ausgefüllten Antragsvordruck noch den Nachweis der israelischen Staatsangehörigkeit eingesandt. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise sie auf ihr Schreiben vom 27. Oktober 1986, das zutreffende Ausführungen der Versicherungsabteilung enthalte. Darin wird dargelegt, daß die Entstehung und Ausübung des Nachentrichtungsrechts nicht auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden könne. Ein Fall der Ermessensunterschreitung liege nicht vor. Der Antrag sei erst ca 18 Monate nach Absendung des Schreibens vom 30. August 1983 abgelehnt worden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 13. Oktober 1989 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 14. September 1990 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Februar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 1986 verurteilt, die Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art 12 DV/DISVA iVm Art 2 § 51a Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) zuzulassen. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Beklagte mit dem Formularschreiben vom 30. August 1983 eine wirksame Ausschlußfrist zur Konkretisierung des Nachentrichtungsbegehrens gesetzt habe. Jedenfalls sei auf den drohenden Rechtsverlust nicht eindeutig genug hingewiesen worden. Doch selbst wenn man davon ausginge, die Beklagte habe mit Schreiben vom 30. August 1983 eine für die Klägerin erkennbare und wirksame materiell-rechtliche Ausschlußfrist von sechs Monaten gesetzt, habe sie diese verlängern müssen. Angesichts der in anderen Fällen gehandhabten Verwaltungspraxis sei es unbillig, die durch den Ablauf der Sechsmonatsfrist eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Die Klägerin habe auch noch im Vorverfahren die Konkretisierung nachgeholt und die erforderlichen Unterlagen vollständig eingereicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie geltend macht: Das Urteil des LSG stehe zu den drei Urteilen des erkennenden Senats vom 15. August 1991 (12 RK 42/90 in BSGE 69, 198 = SozR 3 – 5750 Art 2 § 51a Nr 4 sowie 12 RK 41/90 und 12 RK 25/91) in Widerspruch. Danach sei in dem Aufforderungsschreiben die Konkretisierungsfrist wirksam gesetzt worden. Entgegen der Ansicht des LSG könne ein Ermessensfehler der Beklagten auch nicht darin gesehen werden, daß sie Fälle des damaligen Bevollmächtigten R … unterschiedlich behandelte, denn die von ihr vorgenommene Unterscheidung danach, ob der Bevollmächtigte R … die Aufforderungsschreiben entgegengenommen habe oder nicht, sei sachgerecht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 14. September 1990 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 13. Oktober 1989 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie teilt die Ansicht des LSG, daß die Frist nicht je nach Annahme oder Nichtannahme der Aufforderungsschreiben durch den Bevollmächtigten unterschiedlich habe bemessen werden dürfen. Die Beklagte habe die Bevollmächtigten nach § 13 Abs 5, 6 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren – (SGB X) zurückweisen müssen. Wenn erkennbar sei, daß sie die Rechte der Vertretenen nur unzureichend wahrnähmen, seien Fristversäumnisse den Antragstellern nach Treu und Glauben nicht zuzurechnen. Schließlich werde der erkennende Senat gebeten, seine frühere Ansicht zu überprüfen, wonach die für eine Vielzahl von Fällen gleichartig verfaßten Widerspruchsbescheide ausreichende Ermessenserwägungen enthielten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid zu Recht die Zulassung der Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen abgelehnt.
Die Klägerin gehört nach den Feststellungen des LSG zu dem Personenkreis, der nach Art 12 DV/DISVA iVm Art 2 § 51a Abs 2 ArVNG zur Nachentrichtung von Beiträgen berechtigt war. Ihr Nachentrichtungsverfahren war grundsätzlich in drei Schritten, nämlich der Antragstellung, der Konkretisierung und der Zahlung der Beiträge nach Erlaß des Zulassungsbescheides zu vollziehen (vgl BSGE 50, 16 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 36; BSGE 60, 266, 268 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 66; BSG SozR 5750 Art 2 § 51a Nrn 76 und 77). Da der fristgerecht gestellte Antrag nicht voll erkennen ließ, ob die Klägerin zu dem in Art 3 Abs 1 DISVA bezeichneten Personenkreis zählte, und auch die erforderlichen Angaben über den Nachentrichtungszeitraum sowie die Anzahl der Beiträge und die Beitragshöhe nicht enthielt, hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 30. August 1983 unter Fristsetzung zu entsprechenden Angaben aufgefordert. Dieses Schreiben enthielt, wie der Senat in drei Urteilen vom 15. August 1991 (12 RK 42/90 in BSGE 69, 198 = SozR 3-5750 Art 2 § 51a Nr 4, ferner 12 RK 41/90 und 12 RK 25/91) zu den dort verwendeten inhaltlich gleichen Schreiben der Beklagten bereits entschieden hat, auch eine wirksam gesetzte Konkretisierungsfrist als Ausschlußfrist. Mit den hiergegen vom LSG im vorliegenden Verfahren geäußerten Bedenken hat sich der Senat inhaltlich schon in seinen früheren Urteilen auseinandergesetzt und ist ihnen nicht gefolgt. Der Senat hält an seiner Auffassung fest.
Nachdem die sechsmonatige Konkretisierungsfrist fruchtlos verstrichen und nach Ablauf dieser Frist ein weiteres Jahr vergangen war, ohne daß die Klägerin die erforderlichen Angaben machte, durfte die Beklagte sie von der Nachentrichtung ausschließen. Das ist in dem Bescheid vom 18. Februar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 1986 rechtsfehlerfrei geschehen.
Es steht allerdings nicht eindeutig fest, ob entsprechend der Handhabung in mehreren von dem Bevollmächtigten R … betriebenen Parallelverfahren die Beklagte auch im vorliegenden Verfahren zunächst eine Fristverlängerung bis Oktober 1984 gewährt hat oder nicht. Auf eine Klärung dieser Frage kommt es aber nicht an, denn in beiden Fällen konnte die Beklagte eine Fristverlängerung rechtswirksam ablehnen.
Legt man zugrunde, daß die mit dem Schreiben vom 30. August 1983 gesetzte Sechsmonatsfrist nicht bis Oktober 1984 verlängert worden ist, so lag zwischen dem Ablauf der Frist und der Einlegung des Widerspruchs im März 1985 über ein Jahr. In einem solchen Fall braucht die Frist, wie der Senat durch Urteil vom 25. Oktober 1990 (12 RK 47/89 – AmtlMittLVARheinpr 1991, 292) – entschieden hat, in entsprechender Anwendung von § 27 Abs 2 SGB X nicht mehr verlängert zu werden. Hierauf hat sich die Beklagte sinngemäß auch berufen, indem sie im Widerspruchsbescheid auf ihr Schreiben vom 27. Oktober 1986 Bezug genommen hat, wonach der Nachentrichtungsantrag erst 18 Monate nach Absendung des Schreibens vom 30. August 1983 abgelehnt worden ist.
Auch wenn man aber von dem Vorbringen der Beteiligten ausgeht, die Sechsmonatsfrist sei zunächst bis Oktober 1984 verlängert worden, konnte die Beklagte die Nachentrichtung ohne weitere Verlängerung der Frist im Widerspruchsbescheid ablehnen. In einem solchen Fall läge zwar in dem Widerspruch der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid auch ein Antrag, die versäumte Frist rückwirkend zu verlängern. Hierüber hatte die Beklagte gemäß § 26 Abs 7 SGB X nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Daß sie von diesem Ermessen Gebrauch gemacht hat, ist dem Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1986 in Verbindung mit dem Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 1986 zu entnehmen, denn dort wird eine Ermessensunterschreitung verneint und darauf hingewiesen, daß der Antrag erst 18 Monate nach Absendung des Schreibens vom 30. August 1983 abgelehnt worden sei. Hieraus wird deutlich, daß die Beklagte inhaltlich das Für und Wider einer Fristverlängerung auch über den Monat Oktober 1984 hinaus abgewogen hat. Zu einer Fristverlängerung über den Monat Oktober 1984 hinaus hatte sie bei der Klägerin auch deshalb keinen Anlaß, weil sie eine solche Fristverlängerung in gleichartigen Fällen ebenfalls abgelehnt hatte. Ob es sich bei dem Widerspruchsbescheid um einen – wie die Klägerin behauptet – gleichlautend auch allen anderen Antragstellern erteilten Bescheid handelt, kann dabei offen bleiben. Jedenfalls hatte die Beklagte zu Ausführungen über eine Fristverlängerung wegen persönlicher, nur bei der Klägerin vorliegender Umstände keinen Anlaß, weil solche nicht geltend gemacht worden und auch sonst für die Beklagte nicht ersichtlich waren. Die Beklagte durfte sich aus diesem Grunde auch auf eine kurze Begründung beschränken.
Der Senat vermag dem LSG und der Klägerin auch nicht darin zu folgen, daß die Beklagte aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zwischen Antragstellern habe unterscheiden dürfen, für die der Bevollmächtigte R … – wie bei der Klägerin – die Aufforderungsschreiben angenommen hatte und für die er sie nicht entgegengenommen hatte. Vielmehr beruht diese Unterscheidung auf sachlichen Gründen, so daß die Beklagte nicht gezwungen war, Antragstellern wie der Klägerin gleich lange Konkretisierungsfristen einzuräumen wie denjenigen, bei denen R … die Entgegennahme der Aufforderungsschreiben verweigert hatte und denen die Beklagte daher erst in neuen, an sie persönlich gerichteten Schreiben eine Konkretisierungsfrist gesetzt hatte. Aus etwaigen Versäumnissen des ursprünglich bevollmächtigten R …, dem die Klägerin eine schriftliche Vollmacht erteilt hatte, kann, auch wenn R … bei vielen Antragstellern säumig gewesen sein sollte, nicht hergeleitet werden, daß die Behandlung der Anträge durch die Beklagte fehlerhaft und sie rechtlich verpflichtet gewesen sei, Antragstellern wie der Klägerin nunmehr eine zweite Fristverlängerung zu bewilligen. Dieses hätte möglicherweise eine Bevorzugung gegenüber den persönlich angeschriebenen Antragstellern bedeutet, denen nur eine einmalige Fristverlängerung zugebilligt worden war. Es verstößt entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht gegen Treu und Glauben, wenn sich die Beklagte auf die Wirksamkeit der Konkretisierungsfrist gegenüber dem schriftlich bevollmächtigten und bei ihr auch im Jahre 1984 noch tätig gewordenen R … beruft. Sie hat auch die Interessen der Versichertengemeinschaft zu beachten, der es nicht zugemutet werden kann, daß Nachentrichtungsberechtigten, deren Bevollmächtigte zahlreiche Mandate übernehmen und dann untätig bleiben, über ausreichend bemessene und ggf großzügig verlängerte Fristen hinaus wegen Untätigkeit ihrer Bevollmächtigten noch weitere Fristverlängerungen eingeräumt und damit die Nachentrichtungsfristen ausgehöhlt werden. Wegen der nachteiligen Folgen eines etwaigen Fehlverhaltens ihres früheren Bevollmächtigten müssen sich die Antragsteller vielmehr an diesen halten.
Soweit die Klägerin in ihrer Revisionserwiderung vorbringt, die Beklagte habe frühere Bevollmächtigte aus Israel wegen ihrer mangelnden Befugnis, geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen, oder wegen offensichtlicher Unfähigkeit nach § 13 Abs 5 oder Abs 6 SGB X vom Verwaltungsverfahren ausschließen müssen, handelt es sich um neuen Vortrag in der Revisionsinstanz. Er kann wegen der Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) nicht berücksichtigt werden. Deshalb braucht nicht geprüft zu werden, welche Rechtsfolgen sich aus den von der Klägerin behaupteten neuen Tatsachen ergeben würden, wenn sie zutreffend wären.
Hiernach erwies sich die Revision der Beklagten als begründet. Deshalb war das Urteil des LSG aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen